S u l l i v a n

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Als ich Zuhause ankam war ich nicht nur halbnass, sondern auch stinkwütend auf mich selbst. Ich hatte noch bestimmt fünf Minuten auf dem Parkplatz gestanden und Harper hinterher gestarrt, selbst als sie schon längst nicht mehr zu sehen war. Ich hatte es verbockt. So richtig. Dabei war jeder Funken ihres Vertrauens so unfassbar kostbar gewesen. Ich hatte es mir hart erkämpft und binnen weniger Sekunden einfach so mit den Füßen getreten.

Ich war ein vollkommener Arsch.

Wütend knallte ich die Wagentür hinter mir zu, stopfte den Autoschlüssel in meine Jackentasche und stampfte durch den Vorgarten. Während der Zorn das Blut in meinen Adern zum Köcheln brachte, schloss ich die Haustür auf, pfefferte mir die Schuhe von den Füßen und schmiss meine Jacke über einen der Kleiderhaken.

Keine Minute später stand Eddie bereits im Türrahmen der Küche.

»Hey... wa–«

»Lass es!«, raunzte ich und griff nach meinem Rucksack, um ihn mir wieder über die Schulter zu werfen.

»Sully, was ist los?«, fragte Eddie erneut und kam einen Schritt auf mich zu.

»Nichts verdammt!« Ohne sie eines Blickes zu würdigen, polterte ich die Treppe nach oben und schmiss meine Zimmertür lautstark hinter mir zu.

Ich war auf hundertachtzig.

Mein Atem rasselte ungesund und meine Brust schmerzte. Ich musste mich dringend abregen.

Mit drei großen Schritten hatte ich das Zimmer durchquert, meinen Schrank aufgerissen und mir eine der Sporthosen geschnappt. In Windeseile tauschte ich sie gegen meine Jeans, bevor ich nach meinen Kopfhörern griff und sie in mein Handy steckte.

Ich musste dringend den Kopf frei kriegen und einfach alles vergessen, was vorgefallen war. Ich musste es aus meinem Kopf löschen, andernfalls würde ich verrückt werden.

Doch in der nächsten Sekunde riss mich bereits ein leises Klopfen aus meinen Gedanken.

»Sully?« Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss meine Augen für einen Moment. Das genervte Stöhnen konnte ich mir nicht mehr verkneifen.

»Lass es einfach, Eddie!«, rief ich ihr durch die geschlossene Zimmertür entgegen und hoffte inständig, dass sie einfach verschwinden würde.Aber offensichtlich schien Eddie genau das nicht im Sinn zu haben. Ohne noch einmal zu klopfen öffnete sie die Tür und stand im nächsten Moment direkt hinter mir.

»Ich lass dich nicht, Sully. Ich will wissen, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.«

Ich stieß ein wenig begeistertes Schnauben aus. Glaubte sie wirklich, dass ich mir ihr jetzt offenbarte? Dass ich ihr meine Seele vor die Füße warf? So dumm konnte nicht einmal sie sein.

»Geh einfach!«, zischte ich und atmete tief durch, um nicht völlig die Kontrolle zu verlieren.

»Sully.«

Ich wusste, dass ich den Bogen gerade gewaltig überspann, aber ich konnte nicht anders. Ich war kurz davor zusammenzubrechen. Und mir die Blöße geben und das vor ihr zu tun, wollte ich nicht. Ich hatte mir gerade alles verbaut, was ich jemals mit Harry hätte haben können und allein dieser Gedanke riss ein riesengroßes Loch in mich. Ich brauchte Ablenkung, Jetzt, hier und sofort.

»Hab ich mich nicht klar genug ausgedrückt?!«, pfefferte ich zurück und drehte mich zu ihr um. Meine Augen mussten Blitze schießen.

»Jetzt hör mal! Ich hab dich nicht vierzehn Jahr gut erzogen, damit du mir nun diese Worte um die Ohren haust!«

Verbittert presste ich meine Zähne aufeinander. Ja, womöglich hatte Eddie das nicht verdient, aber dann sollte sie mir nicht im Weg stehen. Sie sollte einfach wieder nach unten gehen und mich in Ruhe lassen. Konnte sie das nicht verstehen?!

Greatest PretendersWhere stories live. Discover now