Lehrergespräche

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Die Wochen vergingen und je näher Weihnachten kam, desto kälter wurde es. Ich ging weiterhin regelmäßig zu Tatze, doch aufgrund der Kälte wurden meine Besuche kürzer. 
Die Weihnachtsferien rückten näher, doch Harry und ich würden wie jedes Jahr in Hogwarts bleiben. Ron und Hermine leisteten uns Gesellschaft, aber vor den Ferien stand noch ein Besuch in Hogsmeade an. 
Ron, Hermine und ich verabschiedeten uns von Harry, der sich vorgenommen hatte, einen neuen Besen zu bestellen.
Wir beeilten uns ins Dorf zu kommen, denn es war wirklich kalt und schneite stark. Bevor wir in den Honigtopf gingen, machten wir noch einen kurzen Abstecher zu der Heulenden Hütte. Hermine wäre sicher länger geblieben, doch Ron und ich fanden es dort nicht besonders spannend. 
Im Honigtopf stopften wir unsere Taschen mit vielen Süßigkeiten voll und überlegten anschließend, was wir Harry mitbrachten.
„Die sind bestimmt für Vampire“, sagte ich leicht angeekelt, als Ron Lutscher mit Blutgeschmack vorschlug.
„Und was ist damit? Glaubt ihr, er möchte das?“, wollte Ron wissen und wies auf eine Schachtel getrockneter Kakerlaken. 
„Nein, garantiert nicht“, ertönte eine vertraute Stimme hinter uns.
„Harry!“, kreischte Hermine.
Ron war beeindruckt. 
„Aber hallo! Du hast gelernt, wie man appariert!“
„Das geht auf dem Gelände von Hogwarts nicht“, erinnerte ich ihn rasch.
„Fred und George haben mir eine Karte gegeben, die jede Einzelheit von Hogwarts zeigt. Sogar, wo sich wer gerade befindet. Und es gibt auch mehrere Geheimgänge und der eine endet hier im Keller des Honigtopfs. Sie nennt sich Karte des Rumtreibers“, erklärte Harry.
„Haben die beiden die Karte entwickelt?“, wollte ich erstaunt wissen.
Harry schüttelte den Kopf. 
„Sie haben sie in ihrem ersten Jahr aus Filchs Büro geklaut. Entwickelt wurde die Karte von Moony, Wurmschwanz, Tatze und Krone.“
„Tatze?“, hackte ich nach.
„Ja, aber das ist nur Zufall. Ein Hund kann doch keine Karte erstellen. Ein Schüler hat sich wahrscheinlich einfach mal diesen Spitznamen gegeben.“
„Oder seine Freunde haben ihm den Namen gegeben“, ergänzte Ron, „aber warum haben Fred und George sie mir nie gegeben? Ich bin schließlich ihr Bruder!“
„Vermutlich deswegen“, murmelte ich in Harrys Richtung, welcher grinste. Nur Hermine sah die Sache skeptisch.
„Harry, hältst du es wirklich für eine gute Idee, die Schule zu verlassen? Wenn das jemand erfährt … und was ist mit – mit Sirius Black?“
„Entspann dich, Hermine. Es ist Weihnachten!“ , meinte Ron. „Wie sieht's aus – wollen wir in die Drei Besen gehen?“ 
Diese Idee wurde für gut befunden und nachdem wir uns in dem Lokal einen Tisch gesichert hatten, ging Ron los um uns Butterbier zu kaufen. Nachdem wir alle einen Krug vor uns zu stehen hatten, öffnete ich den Mund, um Harry noch eine Frage zu der Karte zu stellen. Doch der schaute an mir vorbei und verschluckte sich an seinem Butterbier. Die Tür hatte sich geöffnet, und als ich mich umdrehte, sah ich Professor McGonagall und Professor Flitwick, gefolgt von Hagrid und Cornelius Fudge, dem Minister der Zauberei.
Rasch drehte ich ihnen wieder den Rücken zu, während Hermine und Ron Harry unter den Tisch drückten.
Die Lehrer und Fudge setzten sich in unserer Nähe hin, an einem Tisch, der zwischen uns und der Tür stand. Hermine murmelte einen Zauberspruch und der Weihnachtsbaum, der in einer Ecke stand, flog ein wenig nach links und verdeckte so uns vor den Lehrern. 
Ich hörte, wie sie Getränke bestellten und als Madam Rosmerta sie ihnen brachte, lud Fudge sie ein, sich auch zu setzten. 
„Was führt sie in diese Gegend, Minister?“, wollte Rosmerta wissen.
Fudge senkte die Stimme.
„Was glauben Sie, meine Liebe? Natürlich Sirius Black.“ Mir rutschte das Herz in die Hose. „Haben Sie gehört, was Halloween in der Schule passiert ist?“
„Gerüchteweise“, gab die Wirtin zu. „Die Dementoren haben ganz Hogsmeade zweimal durchsucht. War gar nicht gut fürs Geschäft, Minister.“
„Rosmerta, seien Sie versichert, ich mag diese Kreaturen genauso wenig wie Sie. Die Dementoren sind zornig, weil Dumbledore sie nicht auf das Schulgelände lassen will.“
„Das kann ich nur unterstützen!“, mischte sich Professor McGonagall ein. „Wie sollen wir unterrichten, wenn diese Horrorgestalten um uns rumfliegen?“
„Glauben Sie, Black ist immer noch in der Nähe, Minister?“, fragte Rosmerta.
„Da bin ich mir sicher“, meinte Fudge grimmig.
„Ich kannte ihn, als er Schüler in Hogwarts war. Hätte mir damals jemand erzählt, dass er so endet …“ Rosmerta seufzte.
„Sie kennen noch nicht einmal die Hälfte der Geschichte“, sagte McGonagall müde. „Von seiner schlimmsten Tat weiß kaum einer.“
„Von seiner schlimmsten Tat? Schlimmer, als die Ermordung von zwölf Muggel mit einem Fluch?“
„Viel schlimmer“, bestätigte Fudge.
Dieses Gespräch wollte ich nicht hören, doch dass kümmerte die Lehrer nicht. Sie redeten unbarmherzig weiter.
„Wenn Sie Black aus seiner Schulzeit kannten, dann wissen Sie doch bestimmt noch, wer sein bester Freund war, oder?“, wollte McGonagall wissen.
„Natürlich“, sagte Rosmerta lachend. „Oh, sie hingen zusammen, wie siamesische Zwillinge. Nie hat man den einen ohne den anderen gesehen. Und nichts als Streiche im Kopf! Sie haben mich so häufig zum Lachen gebracht – Sirius Black und James Potter!“
Harrys Krug fiel zu Boden. Mein Herz pochte so laut, dass ich befürchtete, die Lehrer und Fudge würden es jeden Augenblick hören. Wie sollte diese Geschichte enden?
„Richtig, Potter und Black“, stimmte McGonagall zu. „Anführer ihrer kleinen Bande. Sehr aufgeweckt und unglaublich talentiert, aber solche zwei Unruhestifter hatten wir wohl noch nie.“
„Na ich weiß nicht“, mischte sich Hagrid ein. „Fred und George Weasley machen ihnen ganz schön Konkurrenz und Harry und Melania sind auch keine Schüler, die jede Regel achten und ehren.“
„Meinen Sie Melania Black, Hagrid? Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass Blacks Tochter mit Harry befreundet ist. Man sollte sie im Blick behalten …“, überlegte Fudge.
„Nun, hören Sie Cornelius! Miss Black hat sich nichts zu schulden kommen lassen, dass Ihr Misstrauen rechtfertigen würde. Sie leidet unter ihrem Namen“, wies McGonagall ihn zurecht.
„Wie ging es damals weiter?“, fragte Rosmerta.
„Ja, nun, Potter und Black waren beste Freunde, dass änderte sich auch nicht, als sie die Schule verließen. Als James Lily Evans heiratete, bat er Black Trauzeuge zu werden und als kurz darauf Harry geboren wurde, wurde Black zu seinem Paten ernannt. Harry hat davon zum Glück keine Ahnung, Sie können sich vorstellen, wie ihn dieses Wissen belasten würde“, berichtete McGonagall.
„Wer sind eigentlich die Paten von Sirius Kindern?“, wollte Rosmerta wissen.
McGonagall schüttelte den Kopf.
„Das weiß niemand. Es war ja nicht mal bekannt, dass er überhaupt Kinder hat – bis sie in Hogwarts auftauchten.“
„Potters Vertrauen in Black ging so tief, dass er die Sicherheit seiner Familie in Blacks Hand legte“, erzählte Fudge weiter. „Sie wissen sicher noch, wie es damals war. Ständig verschwanden Leute, man wusste nicht, wem man noch trauen kann oder wer auf der Seite von Sie-wissen-schon-wem war.“
„Wusste James, dass Sie-wissen-schon-wer hinter seiner Familie her war?“, fragte Rosmerta flüsternd.
„Professor Dumbledore hatte damals eine Reihe nützlicher Spione. Einer von ihnen gab ihm ein Tipp und er ist sofort zu Potter marschiert, um ihn zu warnen. Er hat ihm geraten, den Fidelius-Zauber anzuwenden“, fuhr McGonagall fort.
„Wie geht der?“
Professor Flitwick räusperte sich, um auf Rosmertas Frage zu antworten.
„Ein komplizierter kleiner Zauber, bei dem die Adresse des Hauses nur einer Person bekannt ist – dem Geheimniswahrer. Für alle anderen Personen ist dieses Haus unsichtbar und unauffindbar. Dieser Geheimniswahrer kann die Adresse des Hauses anderen Personen mitteilen – sie können das Haus dann sehen – aber den Standort nicht weitergeben.“
„Und Sirius war James Geheimniswahrer?“ Rosmerta flüsterte und in meinem Kopf begann eine schreckliche Vermutung Gestalt anzunehmen. Ich schloss die Augen, als könnte ich sie auf diese Weise nicht sehen, und wollte mir am liebsten noch die Ohren zuhalten, aber es ging nicht. Ich war wie erstarrt.
„Genau. Ich weiß noch, wie Professor Dumbledore anbot, Geheimniswahrer zu werden, aber Potter bestand darauf, Black zu nehmen.“ McGonagall klang müde.
„Hat er Black verdächtigt?“
„Ich kann nicht sagen, ob er einen akuten Verdacht hatte, aber er befürchtete, dass jemand, der den Potters Nahe stand, sie ausspionierte. Doch James war sich sicher, dass das Leben seiner Familie in Blacks Händen am Besten aufgehoben war. Und dann …“ McGonagall putzte sich die Nase.
„Hat Black sie verraten?“ Rosmerta war geschockt. 
„Genau. Er hat seinen besten Freund und dessen Familie verraten. Er hatte offenbar sein Leben als Doppelagent satt und lieferte die Potters aus.“
Ich spürte etwas Nasses an meiner Wange und bemerkte erst jetzt, dass ich still weinte. Mein Vater war Schuld, dass Harry keine Familie mehr hatte. Dieses Wissen würde das Ende unserer Freundschaft sein. Am liebsten wäre ich weggerannt, aber dann müsste ich an den Professoren vorbei. 
„Erinnern Sie sich noch an Peter Pettigrew?“, fragte McGonagall Rosmerta.
„Peter Pettigrew? Natürlich, dass war doch der kleine, etwas dickliche Junge, der James und Sirius wie Helden verehrt hat. Er hat sie nie aus den Augen gelassen und ist ihnen überallhin gefolgt.“
„Genau. Er gehörte auch zu ihrer Bande, spielte jedoch nie in der gleichen Liga, wenn es um Begabung ging. Ich habe ihn des Öfteren scharf angefahren. Wie ich das jetzt bedaure …“
„Sie können nichts dafür, Minerva“, sagte Fudge zu McGonagall. Zu Rosmerta gewandt, sagte er:
„Am Morgen nach der Ermordung der Potters, hat Pettigrew Black auf offener Straße gestellt. Zeugen berichteten, wie er weinte und fragte: >>Lily und James, Sirius! Wie konntest du das nur tun?<< Dann griff Pettigrew nach seinem Zauberstab, doch Black war natürlich schneller. Er hat den armen Jungen in Stücke gerissen. Ein Finger, das größte Stück, was man finden konnte, wurde Pettigrews Mutter übergeben, zusammen mit dem Merlinsorden zweiter Klasse.“
„Pettigrew war im Duellieren immer eine Niete“, flüsterte McGonagall. „Er hätte auf die Leute aus dem Ministerium warten sollen.“
„Jedenfalls riss Black Pettigrew in Stücke, jagte die halbe Straße in die Luft und ließ sich dann seelenruhig abführen.
Nun ja, seelenruhig nun nicht gerade. Er lachte so sehr, dass er kaum einen Schritt gehen konnte.“
„Ich war wohl der letzte, der ihn gesehen hat, bevor er die vielen Muggel umgebracht hat“, erzählte Hagrid düster. „Als ich Harry aus dem zerstörten Haus seiner Eltern geholt habe, ist er aufgetaucht. Mit dem fliegenden Motorrad, das er damals hatte. Hat gezittert und war weiß. Und ich hab ihn getröstet! Hatte Mitleid mit ihm, weil gerade sein bester Freund getötet wurde. Konnte ja nicht ahnen, dass er daran Schuld ist, dieser gemeine Verräter.
Und dann ging's um Harry. >>Gib mir Harry, Hagrid<<, sagte er. >>Gib ihn mir, ich bin sein Pate.<<
Ich hab natürlich nein gesagt, hatte meine Befehle von Dumbledore. Irgendwann hat er nachgegeben und mir sein Motorrad gegeben. Sagte, er braucht es nicht mehr.  Wer weiß, was er mit Harry gemacht hätte, wenn ich ihn ihm gegeben hätte. Wahrscheinlich vom Motorrad aus ins Meer geworfen. Den Sohn seines besten Freundes! Hätte ich gewusst, was er getan hat, ich hätte nicht lange mit dem Zauberstab rumgewedelt, sondern ihm jede Rippe einzeln gebrochen!“
Nach Hagrids Rede herrschte Schweigen, bis Rosmerta sich noch mal zu Wort meldete.
„Stimmt es, dass Black verrückt ist, Minister?“
„Ach, ich wünschte, ich könnte das sagen. Aber als ich im Sommer meinen Kontrollbesuch in Askaban absolvierte, habe ich mit Black gesprochen. Er hat ganz vernünftig mit mir geredet, schien sich fast zu langweilen. Fragte, ob ich meine Zeitung schon ausgelesen hätte, er würde gerne das Kreuzworträtsel lösen. Ich war erstaunt, wie normal er wirkte. Er war einer der am besten bewachten Gefangenen in Askaban, die Dementoren standen Tag und Nacht vor seiner Zelle, aber hatten anscheinend kaum Einfluss auf ihn. Kaum eine Woche später ist Black geflohen.“
Wieder schwiegen die Lehrer und als sie wieder redeten, ging es um die Bezahlung. Recht bald verabschiedeten sie sich.
Sobald sich die Tür hinter ihnen schloss, sprang ich auf. Ich wollte nicht in Harrys Gesicht sehen. Ich stolperte raus, stoppte direkt vor der Tür, um mir die Kapuze ins Gesicht zu sehen und rannte Richtung Schloss. Doch dann änderte ich meinen Kurs. Im Schloss war die Gefahr zu groß, dass man mich sah und ich wollte alleine sein. Oder zumindest fast alleine.
Der umgekippten Baum war eingeschneit, aber das störte mich nicht. Ich ließ mich darauf nieder und vergrub mein Gesicht in den Händen. Und dann konnte ich mich nicht mehr beherrschen und fing an zu schluchzen. Ich wusste nicht, wie lange ich weinte, aber dann registrierte ich plötzlich, dass Tatze gekommen war.
Er lag an meinen Füßen und hatte den Kopf auf den Baum gelegt. Fragend sah er mich aus seinen grauen Augen an. 
„Ich habe nichts für dich, Tatze. Nur Süßigkeiten, aber ich glaube nicht, dass du die verträgst.“
Doch Tatze verdrehte die Augen. Ich starrte ihn an. Ein Hund, der die Augen verdrehte? Aber ich hatte ja schon länger den Verdacht, dass Tatze kein gewöhnlicher Hund war.
„Harry wird nichts mehr mit mir zutun haben wollen“, murmelte ich. „Er ist für mich wie ein Bruder. Aber das ist jetzt vermutlich Geschichte. Und nicht nur Harrys Freundschaft, auch die zu Ron und Hermine wird beendet sein. Wie soll ich Harry nur jemals wieder in die Augen gucken können?“
Tatze schob seine Nase unter meine Hand und sah mich erwartungsvoll an. 
„Du meinst, ich soll reingehen und mit ihm reden?“
Tatze nickte.
„Das kann ich nicht.“
Ich bekam einen vorwurfsvollen Blick von Tatze zugeworfen.
„Na gut, gleich. Einen kleinen Moment noch.“
Ich atmete tief durch und als ich mich halbwegs beruhigt hatte, bemerkte ich, dass es bereits dämmerte. 
„Ok, dann los.“
Das Beste hoffend machte ich mich auf den Weg in das Schloss.

Melania Black - Schatten der VergangenheitWhere stories live. Discover now