1. Praktikum

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Piiiiep! Piiiiep! Piiiiiep!

Mein zu lauter Wecker weckte mich wie jeden Tag zu früh. Naja okay, eigentlich weckte er mich nur fünf Tage die Woche. Zwei Tage hatte ich ja zum Glück so etwas, was sich Wochenende nannte. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob das jetzt, während unseren Praktiken, immernoch so war. Die anderen, die alle ein Praktikum hatten, würden bestimmt Wochenende haben. Allerdings hatte ich keine Praktikumsstelle gefunden. Ich hatte genau drei Vorstellungsgespräche, bei drei verschiedenen Firmen, rund ums Designen gehabt. In der ersten wurde mir gesagt, ich sähe nicht seriös genug aus. Bei meinem zweiten Vorstellungsgespräch hieß es, ich wäre zu tollpatschig und in der letzten Firma hatten alle Englisch gesprochen. Eine der vielen Sprachen, die ich nicht verstand. Und da ich unseren Professor nur allzu gut kannte, konnte ich mir die nächsten drei Jahre das Wochenende wohl oder übel abschminken. Ich konnte mir ganz genau vor meinem inneren Auge vorstellen, wie er sich kopfschüttelnd zu mir herabbeugte und sagte:

Amelie, Amelie. Was sollen wir nur mit dir machen? Was ist diesesmal deine Ausrede dafür, dass du mal wieder nichts geschafft hast?

Ich bekam jetzt schon einen Würgereitz, wenn ich nur daran dachte. Wenn es etwas auf der Welt gab was ich mehr hasste als meinen Vater, dann war das dieser Professor und seine schräge Brille. Wer kam denn bitte auch schon auf die Idee, eine runde Brille mit Lupen zu tragen, nie zu duschen und dann Professor für Design zu werden? Ich seufzte leicht, dieser Professor hatte schon echt Nerven. So wie mein Wecker, den ich immer noch nicht ausgemacht hatte. Ich stand, fiel wäre wohl treffender gesagt, da ich mich mit einem Bein aus dem Bett geschwungen hatte und dann mit Karacho runtergekracht war, aber zurück zum eigentlichen Geschehen. Also. Ich stand auf und machte den Wecker minimal genervt aus. Dann ging ich ins Bad und machte mich fertig, was länger daurte als gedacht, aber wer hätte denn auch damit gerechnet, dass mein gesamtes Haar verknotet war?

Nachdem mein Haar nicht mehr aussah, als hätte man zehn Vogelnester genommen, sie aneinander geklebt und auf meinen Kopf geklatscht, sondern nur noch wie ein einziges Vogelnest, was ja immerhin ein Vortschritt war, ging, bezeihungsweise stolperte, ich die Treppen runter, um mir einen schönen, warmen Kaffee zu machen. Doch just in dem Moment klingelte mein Telefon und ich erschrak mich zu Tode, was dazu führte, dass ich mir den gesamten Kaffee übe die frisch gebügelte Bluse schüttete. Na ganz toll. Leise fluchend ging ich zum Festnetz, ja Festnetz, Telefon. Wer rief denn noch über so etwas altmodisches an? "Was?",schnautze ich in das Telefon. "Aber, aber. Redet man so mit seinem Onkel?",fragte der Typ am anderen Ende der Leitung. "Semin?",fragte ich ihn glücklich überrascht. Mein Onkel hatte mich ewig nicht mehr angerufen! Vorgestern das letzte Mal, glaube ich.

"Ja, ich beehre dich wieder mit einem Anruf, weil du ja sonst keine Freunde hast",lachte er. Ja, mein Onkel war schon immer sehr sympatisch. "Das ist aber nett, Onkelchen",bedankte ich mich mit einem ekligen, süßen, ironischem Unterton. "Ich weiß, ich weiß. Also, wie läuft's so mit der Uni?", fragte mein Onkel heiter. "Garnicht gut. Ich habe kein Praktikumsjob gefunden. Mein Professor wird mich umbringen",beschwerte ich mich. Das war natürlich nicht so höflich ausgedrückt, wie man es von den meisten Koreanern kannte aber meine Mutter war Deutsche, nur so zu meiner Verteidigung.

"Ach ja, da war ja was...",murmelte mein Onkel leise, ehe er anscheinend einen Geistesblitz bekam. "Weißt du was, sag einfach du hast einen Job bei SM Entertainment.",teilte er mir, anscheinend sehr stolz auf sich selbst, mit. "Aber das wäre doch eiskalt gelogen, das kann ich nicht tun!",rief ich entsetzt. Das ging doch ein wenig zu weit, einfach so zu behaupten, irgendwo einen Job zu haben. "Wieso denn gelogen? Du hast da doch einen Job?",fragte mein Onkel mich kichernd. "Aber...",fing ich an, doch er unterbrach mich: "Ich bin der CEO, ich darf das entscheiden. Also dann, bis später in meinem Büro. Sagen wir mal so um... 15:30 Uhr. Ok?". "Aber...",setzte ich erneut an, was zu sagen, als ich das piepen am anderen Ende der Leitung hörte. Der hatte doch nicht wirklich..? Ich seufzte, viel zu oft schon an diesem Tag, und beschloss, erstmal den fetten Kaffeefleck von meiner Bluse zu kriegen, bis ich mich im Endeffekt dazu entschied, einfach einen Pulli drüber zu ziehen, und das wars.

Stylist //nct127 Taeyong ff//Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt