Prolog

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1996 South Australia

„Und als er erst einmal gemerkt hatte, was los war, hat er ziemlich dumm drein geschaut“, schloss Mr. Adrian seine Anekdote und brachte damit alle am Tisch versammelten zum Lachen.

Nur Mitch verstand nicht ganz was daran so lustig gewesen sein soll. Er hatte im Moment ohnehin keine Lust weiter hier zu sitzen. Er saß gelangweilt auf seinem Stuhl am Tisch und ließ die Beine vom Stuhl baumeln. Zu erst hatte er sich ja gefreut, dass er endlich mal bei einer Geburtstagsfeier am Tisch der Großen sitzen durfte, aber schon bald hatte er festgestellt, dass es gar kein so toller Platz war. Die Erwachsenen redeten nur über Sachen, die ihn überhaupt nicht interessierten. Wie zum Beispiel Dads Schulzeit. Darüber sprachen die doch nur so viel, weil Mr. Adrian Dads ehemaliger Sportlehrer war. Das hatte er doch alles schon einmal gehört – mindestens hundert mal. Mehr als einmal hatte er sehnsuchtsvoll zu dem anderen Tisch rüber gesehen. Der Tisch an dem die kleinen Kinder saßen. Noch im letzten Sommer, auch der Geburtstag seines Granpa, hatte er auch an dem Tisch sitzen müssen. Aber jetzt war er schon ganze zehn Jahre alt. Zehn war so gut wie erwachsen, also brauchte er nicht mehr am Kindertisch sitzen.

Nun stellte er fest, dass die dort wesentlich mehr Spass hatten. Sein Cousin Samuel hatte dessen kleiner Schwester Carly gerade eine Grimasse geschnitten, worauf hin diese völlig verängstigt beinahe losgeweint hätte.

„Mitch, Schatz?“

„Ja, Mom?“ Er sah zu seiner Mutter rüber, die ihm gegenüber saß. Er musste sich ein wenig strecken um sie über die Kuchenplatte und die Blumen hinweg sehen zu können.

Noch so etwas, dass ihm beim Kindertisch nie passiert war. Da war er immer der Größte gewesen.

„Weißt du wo deine Schwester ist?“, fragte seine Mom.

Mitch drehte sich zum Kindertisch um, aber von seiner jüngeren Schwester war nichts zu sehen. „Weiß ich doch nicht wo die Nervensäge schon wieder hin ist?“

„Mitchell!“, ermahnte ihn seine Mutter mit strengem Blick. Sie mochte es überhaupt nicht, wenn er so von seiner kleinen Schwester sprach.

Mitch konnte sich nicht erklären, was seine Mutter immer hatte. Erkannte sie denn nicht, wie nervig Tess war?

„Würdest du bitte drüben bei den Ställen nach ihr suchen? Ich geh im Haus nach ihr sehen“, bat seine Mutter – als ob er wirklich eine Wahl hätte – und stand auf.

Äußerst widerwillig folgte Mitch ihrem Beispiel und hüpfte vom Stuhl runter, sprang von der Veranda und schlenderte über den Hof zu den Ställen rüber.

Eigentlich mochte er die Rinderfarm seiner Großeltern bisher immer. Er hatte immer gern hier seine Sommerferien verbracht. Aber in diesem Sommer wäre er am liebsten in Emerald geblieben. Er wollte unbedingt in die Cricket Mannschaft seiner Altersklasse kommen. Nur weil ihm sein Dad versprochen hatte, mit ihm jeden Tag etwa eine Stunde auf einer alten Koppel Cricket zu spielen, war er dann doch mitgekommen.

Etwas halbherzig sah sich Mitch in dem großen Stall um, in dem der Zuchtbulle seiner Großeltern war. Eigentlich war es ihm sogar recht, wenn er mal fünf Minuten Ruhe vor der kleinen Nervensäge hatte. Ständig schlich sie hinter ihm her, nie konnte sie die Klappe halten und immer zu streckte sie ihm die Zunge raus. So was freches. Und eine Petze war sie auch noch. Erst neulich, als Mitch mit seinem Kumpel Adam beim Cricket üben, ausversehen eine Fensterscheibe getroffen hatten und diese auch noch von Moms Wintergarten war, hatte seine doofe Schwester gar nicht schnell genug zu Mom rennen können um ihr alles haarklein zu erzählen. Dass er daraufhin mit Stubenarrest bestraft wurde, schrieb er allein Tess zu.

Me ke aloha {nuri sahin ff}Where stories live. Discover now