Das Gesicht behalten

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Der polnische Tross bewegte sich in großer Länge durch die Lande. Es ging ostwärts.

Biello und Larno trotteten schweigend inmitten polnischer Ritter und Knechte dahin. Hatte man bisher den großen Vorzug gehabt, dass die eigene Habe auf den bisherigen Reisen auf irgendeinem Karren verstaut werden konnte, so war man diesen Vorteiles verlustig gegangen. Larno's Pferd trug nun die Last der Beiden. Um das Tier zu schonen, hatten sich die Männer zudem ein schweres Paket gepackt, welches nun jeder im Wechsel zu schultern hatte.

Sie schwiegen, brauchten die Luft für den Weg.Und sie murrten nicht.Denn Biello und auch Larno waren froh, am Leben geblieben zu sein.

Mit dem Urteil von Genea war auszukommen.

Es hätte auch anders ausgehen können- mit härterer Strafe, ja sogar einem Todesurteil. Und nur, weil man zur falschen Zeit den falschen Mann an die Seite gestellt bekam.Zu ändern war daran nichts.

Und nun hieß es nach vorn zu schauen- man musste in eine ungewisse Zukunft blicken und dies warf viele Fragen auf, über die man auf diesem Weg bereits grübeln konnte.

Larno überlegte erneut- wie schon mehrere Male in den letzten Tagen seit dem Freispruch- was gewesen wäre, hätten die hohen Herren ihn zum Tode verurteilt oder zum Abhacken einer Hand. Erneut kam er für sich selbst zu dem Schluss, dass er dies nicht zugelassen hätte. Es wäre ungerechtfertigt und zu hart gewesen, solch Urteil zu hören- darüber war er sich auch dieses Mal sicher. Doch es hätte geschehen können, wenn nicht der polnische Herrscher durch Fürsprache und schlaue Überlegung eine Lösung milder Art gefunden hätte.

Dem bayerischen Herzog wäre das Leben eines Slawen egal gewesen. Und Herr Hermann und Voigt Manfred? Sie wirkten selbst unschlüssig im Kreise der anderen Herren, auch wenn Hermann für ihn gesprochen hatte.

Larno kam für sich selbst zum wiederholten Male zu dem Schluss, dass er nach einem solchen harten Urteil die Bewacher überwältigt und sein eigenes Heil in der Flucht gesucht hätte. Auch wenn dies für Biello, eingedenk dessen hilfloser Lage in der Grube, ein sicheres Ende bedeutet hätte- Larno hätte seine eigene Flucht versucht.

Es gibt Sachen zwischen Himmel und Erde, wo man es einem Menschen nachsehen muss, dass er nur an sich selbst und das eigene Überleben denkt. Ein Mensch muss Essen und braucht zu trinken, um zu überleben. Tag ein und Tag aus muss man sich um diese wirklichen Notwendigkeiten sorgen.

Wenn nun durch ungerechtes Urteil das eigene Leben beendet werden soll- hat man da nicht um sein Leben zu kämpfen? Sicher wäre das Risiko sehr hoch gewesen- auf Burg Genea. Überall noch Ritter, Gäste und unzählige Bewaffnete aus den Eskorten der hohen Gäste- doch Larno wäre entschlossen gewesen, ein hartes Urteil nicht einfach hinzunehmen. Wollte er sich zuerst reuig und gebrochen geben, so hätte er auf dem Weg zur Verlies- Grube die drei Wachen ausgeschaltet, deren Waffen genommen und wäre durch die Zelte zum Fluss geflohen. Dort weiter durch die Lande- zurück in die slawischen Wälder- dorthin, wo die Gerichtsbarkeit der Deutschen nicht greift.

Und Biello? Vielleicht wäre es noch gelungen, auch ihn zu befreien und mitzunehmen auf die Flucht. Doch wen nicht, hätte Larno den Freund auch zurück gelassen.

Er hätte alles zurück gelassen.

Auch Nerin, zu der gerade die Knospe der Liebe zu erblühen suchte.

Seine gewonnene Ritterlichkeit- auch dies hätte er zurück gelassen, wie alles, was er sich bislang aufgebaut hatte.

Larno blickte zu Biello herüber, der unter der Last des Gepäcks auf dem Rücken grade schnaufte. Von dem Plan, welchen Larno auf Genea ersonnen hatte, durfte der Freund nichts erfahren. Vielleicht später einmal- doch jetzt hätte dies das Ende seiner Freundschaft bedeutet.

- Larno- Im Ränkespiel der MachtWhere stories live. Discover now