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R O J I N

Mein nervöser Blick wandert über seine muskulöse, breite Statur, die beinahe übermächtig wirkt. Die Uniform spannt sich über seinen Schultern und Armen, betont seine Kraft und Autorität, die fast unmenschlich scheint. Er ist mindestens zwei Köpfe größer als ich, und seine Präsenz nimmt den Raum um uns ein, als ob er ihn mit seiner bloßen Existenz beherrschen würde. Seine stechend blauen Augen, die durch die Kufiya das Einzige sind, was ich von seinem Gesicht sehen kann, fixieren mich mit einer Intensität, die mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt. Sie sind kühl und durchdringend, als ob sie in meine Seele blicken könnten. Die Narbe an seiner rechten Braue, die kurz vor seinem Auge endet und ihm ein raues und gefährliches Aussehen gibt, scheint Geschichten von Kämpfen und Leid zu erzählen, die er allein kennt. Es ist, als wäre er das Abbild von Stärke und Disziplin - furchteinflößend und gleichzeitig faszinierend. Trotz seiner einschüchternden Erscheinung schlägt mein Herz schneller, eine Wärme breitet sich in meiner Brust aus. Die Berührung seiner Hand an meiner Taille brennt noch immer auf meiner Haut, ein Gefühl, das mich nicht loslässt. Mein Puls rast, und eine unerklärliche Nervosität macht sich in mir breit. Ich räuspere mich, mein Blick fällt auf das Patch an seinem Arm, welches mir verrät, dass er ein Soldat der US-Streitkräfte ist, und ich erinnere mich, wie uns heute mitgeteilt wurde, dass sie kommen würden, um einige Vorräte zu bringen.

„Gibt es ein Problem? Kann ich helfen?", frage ich, meine Stimme zittert leicht. Seine durchdringenden Augen ruhen auf mir, und ich habe das Gefühl, dass er meine Unsicherheit bemerkt. Seine Hände ballen sich fast unmerklich zu Fäusten, und sein Blick verhärtet sich. Ich runzle die Stirn.

„Ich will zum Leiter des Waisenhauses. Wo finde ich ihn?" Seine tiefe, raue Stimme ist durchzogen von der gleichen Autorität, die seine Präsenz ausstrahlt. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, den ich mühsam herunterschlucke.

„Er ist oben, am Ende des Flurs rechts... aber warum willst du zu ihm? Seid ihr nicht wegen der Vorräte hier?", frage ich verwirrt, unfähig zu verstehen, was er vorhat. Er bringt nur ein Nicken hervor, bevor er an mir vorbeigeht und die Treppe hinaufsteigt, ohne mir eine Antwort zu geben. Mit wachsendem Unbehagen beobachte ich seine festen Schritte, die die Stille im Flur durchbrechen. Ein ungutes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus. Ohne lange zu überlegen, folge ich ihm schnellen Schrittes und sehe, wie er bereits die Tür am Ende des Flurs aufdrückt und eintritt.

Die Tür fällt mit einem donnernden Schlag ins Schloss und ich zucke kurz zusammen. Nachdenklich starre ich zur Tür, lege dir Stirn in Falten. Der Soldat schien von einer Wut egriffen gewesen, und man könnte bei der Art, wie er das Büro betreten hat, schon fast meinen, er wollte unseren Leiter umbringen. Nicht dass ich mich um das Leben dieses Mistkerls scheren würde - so wie er die Kinder behandelt, verdient er nichts anderes - doch wie soll der Soldat davon erfahren haben und auch wenn, warum sollte er sich darum scheren? Oder ist vielleicht wieder etwas passiert und ich habe es nicht mitbekommen? Mein Puls beschleunigt sich alleine bei dem Gedanken. Sollte er es gewagt haben, werde ich ihm dieses Mal persönlich an die Kehle springen... Aber es macht keinen Sinn, Ferhat war doch die ganze Zeit in seinem Büro. Vielleicht ist auch einfach etwas anderes vorgefallen, was mit den Kindern nichts zutun hat und ich zerbreche mir gerade unnötig den Kopf. Frustriert überlege ich hin und her, bis sich nach einer Weile die Tür plötzlich wieder öffnet und der Soldat raustritt.

Sofort gleitet sein eiskalter Blick zu mir, durchdringt mich mit einer Schärfe, die meinen Atem stocken lässt. Seine Brauen ziehen sich kurz zusammen, während sich seine Schultern vor Spannung heben. Auch wenn ich seinen Gesichtsausdruck nicht sehe, erkenne ich, wie sich sein Brustkorb schwer hebt und senkt, als würde er mit Mühe die tobende Wut in seinem Inneren zügeln. Seine Hände ballen sich zu Fäusten, bevor er den Blick abrupt von mir abwendet und an mir vorbei läuft. Instinktiv gleiten meine Augen wieder zur Tür, die er geöffnet gelassen hat und ich eile mit rasendem Herzen dahin, um nach dem Leiter zu sehen. Als ich ihn dann neben seinem Schreibtisch keuchend auffinde, seine Hand an seinem geröteten Hals, bleibt mir das Herz kurz stehen. Wollte er ihn umbringen? Abgesehen von dem Abdruck an seinem Hals, ist auch seine Lippe aufgeplatzt und Blut tropft aus seiner Nase. Sein Anblick besorgt mich zwar nicht, aber der Grund für das Handeln des Soldaten schon. Ohne ihn weiter zu beachten, laufe ich den Weg zurück zum Soldaten und erwische ihn glücklicherweise noch auf dem Hof.

XatarWhere stories live. Discover now