Kapitel 6

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Mirabelle

„Stur blickte ich in Nathans Gesicht, das schlafend neben mir lag. Ich wollte, dass dort etwas war, auch nur die kleinste Regung eines Gefühls.

Ich wollte das, was ich Mirek gesagt hatte glauben. „Ich liebe ihn." Doch es fühlte sich falsch an. Seufzend rollte ich mich auf den Rücken und blickte zur Decke, die Sonne schien bereits durch die Fenster und die Kälte war auf einmal so fremd für mich.

Neben mir bewegte er sich. Zog mich zu sich und ich drehte mich wieder zu ihm. Es ist falsch. War das einzige, was ich hören konnte, doch ich erwiderte seinen Kuss und er rollte uns so, dass er über mir lag.

Seine blonden Strähnen hingen in sein Gesicht und er grinste. Ich versuchte meinem verdammten Herz zu erklären, dass er der richtige war, doch ich wusste, dass es nicht stimmte.

Er begann mein Dekolleté mit Küssen zu übersehen, irgendwann sah er mich wieder an. „Was ist los?" „Warum kann ich dich nicht einfach lieben?!" es klang so dumm, wenn man es aussprach. Er lachte und legte seinen Kopf schräg. „Hattest du das denn vor?" „Ja... Nein... ich weiß es nicht." Mit einer Hand fuhr er meine Taille hinauf, bis er an meiner Wange angelangt war. „Man kann nicht immer alles planen, Mirabelle." „Das Leben wäre so viel einfacher, wenn man das könnte." Er beugte sich tiefer, sodass eine Strähne meine Stirn berührte. „Lass es einfach zu und sieh, was sich daraus entwickelt." „Und was ist das zwischen uns?" „Du bist verheiratet. Vielleicht betrachten wir es einfach als Freunde mit Sonderleistungen." Ich lachte trocken, doch erwiderte seinen Kuss. Und auch wenn ich nichts fühlte, machte ich mit. Vielleicht hatte er ja doch recht.

Nathan verschwand nach einigen Stunden wie ein Dieb aus meinem Zimmer und auch ich ließ mich einkleiden.

Ich bedankte mich noch bei dem Herzog von Jaobe, bevor ich mit Mirek und Nathan nach Cylnie aufbrach. Lysander war mit seiner jungen Frau bei Verhandlungen in Ariel und ich hatte eine Antwort von dem Diktator von Nefaria erhalten. Ich war überrascht, dass er sich auf ein Treffen einließ, doch Mirek wollte uns nicht weiter begleiten.

Also fuhren nur Nathan, Nevis und einige Soldaten mit dem Schiff mit mir nach Geltea, die Hauptstadt von Nefarier.

Als ich das Land betrat, war es wie ein schmerzhafter Schlag in meinen Bauch. Die Häuser und Gebäude wiederzuerkennen machte mich krank. Sogar manche Bewohner kannte ich. Und sie alle dachten bloß dasselbe: Das Mädchen, dass sich für Magie an die Hexer verkauft hat. Das Mädchen, das schamlos ihre zerstückelte Familie zurückgelassen hat.

Mir wurde so übel, dass ich mich in der Kutsche krümmte und sorge hatte, mich übergeben zu müssen.

„Mira? Alles in Ordnung?" ich konnte nicht antworten. Ich atmete bloß zittrig ein und spürte seine Hand, die auf meinem Rücken ruhte. Nach einiger Zeit setzte ich mich wieder aufrecht hin, hielt meinen Blick allerdings auf den Boden gerichtet.

„Du machst dir immer noch Vorwürfe, weil du sie verlassen hast, oder?" ich schüttelte stumm meinen Kopf. „Mein Bruder und mein Vater haben es zuerst getan." „Doch du hast das sinkende Schiff verlassen." Ich drehte mein Gesicht von ihm weg und ballte meine Fäuste.

„Und deine Schwester und deine Mutter zurückgelassen." „Ich kann nichts dafür... ich bin meinen Weg gegangen und sie..." Meine Stimme brach und ich schüttelte meinen Kopf.

„...haben dich dafür verurteilt. Wie du weißt, war es genauso wie bei mir." „Sie haben dich nicht dafür verurteilt." „Das sagst du, weil du meine Familie so gut kennst?" „Ich habe lange genug bei ihnen gelebt, um sie verstehen zu können." „Aber du kennst nicht die ganze Geschichte oder?" „Was willst du damit sagen?" Er atmete hörbar aus.

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