Die Falsche

190 25 4
                                    

Die von der Gerichtsmedizin tragen den schwarzen Leichensack mit vereinten Kräften nach draußen, während die Polizei den Tatort absperrt. 

Wieder haben sich einige Schaulustige eingefunden, die von zwei Polizisten beherzt zurückgewiesen werden. Ich finde so ein Verhalten mehr als fragwürdig und unmoralisch. Denn diese währen die Ersten, die sich beschweren würden, wenn jemand aus ihrer Familie verunglückt wäre und sich andere darüber hermachen würden. 

Aber, wie immer sind das zwei verschiedene paar Schuhe. Ich stehe noch immer in mein Badetuch gehüllt etwas abseits da und reibe mir über die Arme, damit mir etwas wärmer wird. Ich schaue mich nach Dallas um, kann ihn aber nirgends sehen. 

Nach einer Weile habe langsam die Nase gestrichen voll, weshalb ich mich auch vom Tatort entfernen und mich anziehen möchte, aber mein Abgang erregt wohl mehr Aufsehen, als mein Aussehen. Denn, als ich mich entfernen möchte, höre ich seine Stimme durch den Flur hallen.

„Wo wollen Sie hin?", knurrt er, als er zu mir aufgeschlossen hat. Ich schaue ihn verständnislos und versuche etwas Mitgefühl mit diesem Mann zu haben, doch das fällt mir wahrlich schwer.

„Mich anziehen, wenn es dem Herrn genehm ist", antworte ich patzig und verdrehe die Augen. Unfassbar, wie sich dieser Typ aufspielt, als wäre ich die Tatverdächtige Nummer eins. Sein Blick könnte nicht feindseliger sein, was mich noch mehr in Rage versetzt.

„Sie können mir nicht verbieten, mich anziehen zu wollen! Zumal ich halb nackt und durchnässt hier vor Ihnen stehe und mich langsam aber sicher unwohl fühle", mache ich weiter und sehe, wie er tief Luft holt.

„Dann ziehen Sie sich um und begleiten mich anschließend auf die Wache."

„Bitte was?", zische ich und vergesse beinahe, dass ich nur im Bikini in einem Flur stehe, der zum Tatort erklärt wurde. Der zweite innert achtundvierzig Stunden und das in ein und demselben Hotel.

„Sie haben mich schon verstanden. Und nun gehen Sie", sagt er streng und wendet sich von mir ab. 

Hat er den Verstand nun endgültig verloren? 

Während ich darüber nachdenke, fahre ich mit dem Fahrstuhl nach oben und ziehe mich um. Eigentlich wollte ich mich duschen und in den Spa-Bereich des Hotels gehen, um mich ein wenig verwöhnen zu lassen, aber das kann ich mir jetzt sparen. Ich habe mir gerade ein einfaches Shirt übergezogen, als es klopft. 

Und weiß auch so, wer das ist, dementsprechend niedrig ist meine Toleranzschwelle, die Dallas Clark auf keinen Fall überschreiten sollte. Bevor ich ihm aber die Tür öffne, hole ich den Ausweis, den ich ihm sowieso hätte geben sollen und öffne die Tür.

„Sie haben es ja wirklich eilig", begrüße ich ihn. Er schweigt und keine fünfzehn Minuten später sitze ich in einem Vernehmungsraum der örtlichen Polizei, wo es schwül ist und nach Schweiß riecht. 

Meine Haare kräuseln sich durch die hohe Luftfeuchtigkeit und lassen sich danach nur noch schwer bändigen und das alles, weil er die fixe Idee hat, dass ich etwas damit zu tun habe. Was er nur macht, weil ich überall war, wo irgendetwas passiert ist, außer gestern Nachmittag am Empfang. 

Aber möglicherweise könnte genau das der Anfang allen Übels sein und vielleicht ist sogar unser engagierter Sergeant einer der Täter. Die Tür geht auf und Dallas kommt mit einem Glas Wasser rein, das er mir reicht.

„Oh, wie aufmerksam von Ihnen", sage ich und funkle ihn wütend an.

„Ich bin kein Unmensch, Perdita, auch wenn Sie das gerade denken."

„Ah, Sie können meine Gedanken lesen? Dann wissen Sie sicher, was ich jetzt denke", erwidere ich sofort und nehme einen Schluck Wasser.

„Lassen wir das Geplänkel mal und widmen uns den Themen, die wichtig sind."

„Sie wollen wissen, ob ich etwas mit den Morden zu tun habe? Zumal ich jedes Mal anwesend war – genau, wie Sie – und das macht mich – Sie eingeschlossen – zu einem möglichen Verdächtigen. Und nun möchten Sie wissen, wer ich bin", sage ich und schaue ihm fest in die unergründlichen Augen. Er schluckt, sagt kein Wort und lässt mich weiter reden.

„Ich bin Perdita Roland, zweiunddreißig Jahre alt und komme aus London, geboren wurde ich in Leicester und aufgewachsen bin ich in Bristol. Meinen Abschluss in Kommunikationswissenschaften habe ich in Oxford gemacht", rattere ich die Eckdaten meines Lebens runter, lasse aber das kleine Detail meiner Identität noch außen vor.

„Ein sehr bewegendes Leben, Perdita, das Sie da geführt haben, auch wenn es sich mehrheitlich im eigenen Land abgespielt hat. Aber das was ich wirklich wissen möchte ist: Wo haben Sie gearbeitet?"

Seine Stimme ist hart wie Stahl und selbst das künstlich wirkende Lächeln erreicht seine Augen nicht und sieht aus, als hätte er diese Maske perfekt einstudiert.

„Wenn Sie meine Gedanken lesen können, Dallas, dann werden Sie das bestimmt auch noch heraus finden", sage ich und verschränke meine Arme vor der Brust, lehne mich zurück und schaue ihn weiterhin an. Ich halte seinem Blick stand, denn ich bin nicht eine der besten Agentinnen gewesen, die es in meiner Zeit beim MI6 gab, wenn ich einfach so klein bei gegeben hätte.

„Ich meine das nicht im Scherz. Sagen Sie mir wer Ihr Arbeitgeber gewesen ist und Sie können gehen", meint er aalglatt und lehnt sich ebenfalls nach hinten. Seine Brust hebt und senkt sich gleichmäßig. Nur die Ader an seinem Hals zeigt mir, dass er extrem angespannt ist. Ich frage mich, wieso ihm das so verdammt wichtig ist. Warum?

„Sie verhören die Falsche", sage ich deshalb. Was ihm ganz und gar nicht gefällt, denn die Faust landet mit einer solchen Kraft auf dem Tisch, dass ich zusammenzucke.

„Lassen Sie die Spielchen und sagen mir endlich die Wahrheit!" Er starrt mich nieder, was auf mich keine solche Wirkung haben dürfte, doch das hat es und ich weiß nicht, wieso das so ist. Was macht er mit mir?

„Die Wahrheit ist, dass ich in den letzten zehn Jahren für den MI6 tätig gewesen bin. Sind Sie jetzt zufrieden?" Meine Stimme klingt eisig, genau wie sein Blick. Doch das ist mir egal.

„Hier", sage ich und lege meinen Dienstausweis auf die graue Platte. Sein Blick heftet sich darauf und, als er ihn betrachtet, habe ich das Gefühl, dass er damit mein ganzes Leben in seinen Händen hält.

„Ich werde das überprüfen", sagt er und ich nicke.

„Tun Sie das, aber ich sage es Ihnen noch einmal. Sie verschwenden mit mir Ihre Zeit. Denn in Wahrheit läuft der Mörder weiterhin frei herum und wird wieder und wieder zuschlagen. Bis seine Liste abgearbeitet ist", sage ich und schaue ihm zu, wie er den Raum verlässt. 

Wenn er wieder kommt, muss er sich zu aller erst bei mir entschuldigen und dann, dann werden wir gemeinsam nach dem Mörder suchen. Und wir werden ihn finden, das weiß ich ganz genau.

(1107 Wörter)

---------------------------------

Was denkt ihr, haben beide was damit zu tun, oder doch nur einer?

eure Amanda 

Paradis Kill Töten will gelernt seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt