Blonde Locken und weiße Kleider

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"Komm mir doch mal einpaar Schritte näher." ,fordert er mich auf und das Licht flackert leicht.

Ohne überhaupt darüber nachzudenken, hebe ich meinen Fuß um vor zu treten, doch dort, wo mein Fuß eigentlich auf dem Boden aufkommen sollte, ist nichts. Als hätte der Boden sich aufgelöst. Ich trete in die Leere und falle plötzlich mit einem kurzen Hilfeschrei ins Nichts. Alles wird schwarz. Dunkelheit. Angst.
Voller Angst warte ich nur auf einen schmerzhaften Aufprall, doch zu dem kommt es nicht.

"Wir haben keine Angst vor dem Fall, sondern vor dem Aufprall. Nicht wahr?" ,erklingt wieder die Stimme des seltsamen Typen.

"Was?"

"Wenn du dir das Nichts vorstellst, ist es schwarz oder weiß?"

"Was willst du von mir?!"

Mein Herz pocht. Um mich herum ist es dunkel. Dann wird es langsam heller. Ich stehe immernoch dem seltsamen Fremden gegenüber. Mit einem guten Meter Sicherheitsabstand.
Ich weiß gar nicht was ich fühlen soll. Ich verspüre zwar Angst, doch es ist als würden mein Körper und mein Kopf das alles für richtig halten.
Ein Gefühl, dass ich bis vor einpaar Minuten nicht einmal für möglich gehalten hätte.

"Willst du nicht deine kleine, süße Freundin wieder sehen?"

Der Satz und die Art wie er ihn ausspricht lassen es mir kalt über den Rücken laufen.

"Was?" ,frage ich, ruhiger als erwartet.

Wieder dieses Lachen.

"Du liebst sie doch sooo sehr."

Nie zuvor hörte ich eine so provokante Art zu sprechen.

Er schaut mich an, mit diesem undefinierbaren Lächeln. Eigentlich kann man in Gesichtern viel lesen, doch dieses Gesicht ist unlesbar. Er könnte mich gleich abstechen oder liebevoll in den Arm nehmen, ich wäre so oder so nicht überrascht, weil ich ja sowieso nichts erwarte. Nichts erwarten. Nichts ahnen. Wie ungewohnt.

"Ja.",antworte ich so knapp wie möglich.

"Willst du sie wiedersehen?"

Ich schlucke. Der Satz den ich nun sagen muss, ist schwerer als jede Entschuldigung, jede Beichte, jedes "Ich liebe dich".

"Sie..."

Ich mache eine Pause. Ein Kampf den nur ich kämpfe. Gegen mich selbst.

"...ist tot." ,beende ich langsam den Satz und schauen zu Boden. Ja das ist sie. Tot.

Wieder lacht er leicht.

"Du weißt wohl immer noch nicht wer ich bin, oder?"

Nein verdammte Scheiße wie oft denn noch?

"Nein."

"Ich bin ein Engel."

Jetzt ist er ernst. Mit stumpfen Blick starrt er mich an. Das scheint kein Scherz zu sein.
Ich halte die Luft an.

"Haben Engel nicht blonde Locken und weiße Kleider?" ,frage ich kritisch und ziehe eine Augenbraue hoch.

"Ja und Engel haben auch große goldene Flügel, sehen aus wie Babys und spielen alle Harfe."

Genervt verdreht er die Augen.

"Das ist die Realität mein Freund. Kein Disneyfilm." sagt er ernst und setzt sich auf den alten Holztisch, der neben ihm steht. Ob der da schon die ganze Zeit stand?

"Ich glaube nicht das du ein Engel bist. Engel sind die Guten." ,ich schaue an ihm herab.

"Was soll das denn heißen? Was soll überhaupt die Aufteiliung? Gäbe es nur gut und böse wäre eure Welt ein Stück einfacher mein Lieber. Aber das Leben ist nicht einfach. Das weißt du doch." ,sagt er und lächelt. Kein freundliches, herzliches Lächeln. Nein, eher ein gehässiges Grinsen.

Langsam nicke ich, als würde ich alles verstehen. Doch ich verstehe rein garnichts.

"Ihr Menschen versteht echt nicht von der Realität."

"Die Realität ist unser Leben."

Er lacht.

"Ihr Menschen seit ein Witz. Sonst nichts."

Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen.
Was soll das denn bitte heißen?

Für einen Moment ist es still.

"Warte mal...Wenn du ein Engel bist..."

Er zieht eine Augenbraue hoch.

Mein Herz klopf schneller. Was mir augenblicklich paradox vorkommt.

"...bin ich dann tot?"

Er zieht seinen rechten Mundwinkel hoch.

"Tot oder nicht tot. Ist doch egal, oder?"

Ja klar. Ist vollkommen irrelevant.

"Und wie genau willst du mich zu ihr bringen?"

Nun ist es wieder ein Grinsen.

"Das ich dich zu ihr bringe, habe ich nie gesagt. Ich gebe dir nur die Chance sie zu finden."

Ich runzele die Stirn. Vielleicht ist das alles nur ein schlechter Traum.

Plötzlich durchflutet Licht den Raum.
Es ist, als wäre ich plötzlich an einem anderen Ort. Das helle Licht ffisst sich in meine Augen und ich schließe sie.

Die Luft schmeckt salzig. Der Boden gibt unter meinen Füßen nach. Leichter Wind streicht durch meine Haare. Ich höre das Rauschen. Ich bin am Strand.

"Hast du Angst?" ,fragt der Typ und ich habe das Gefühl das Blitzen seiner weißen Zähne zu hören.

Vorsichtig öffne ich meine Augen, doch er ist weg.

Sieht so der Tod aus? Bin ich gestorben?

Eine Welle erreicht meinen Fuß.
Ich trete einen Schritt zurück und drehe mich dann um.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 15, 2019 ⏰

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