Unvorhergesehen

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Die nächsten Tage vergingen zu Glorfindels Erleichterung weitestgehend ruhig, klar kleine Grenzgefechte gab es immer.
Aber keiner seiner Soldaten wurde schwerer verletzt, harmlose Schnittwunden gehörten hingegen zum Alltag.

Nach wie vor streunten auch viele Orks in den Grenzwäldern umher und bereiteten ihm Kopfzerbrechen, aber bis sie die Ursache kannten, mussten sie sich wohl oder übel damit begnügen, die Orks zu vernichten.
Dabei versuchten sie möglichst keine entkommen zu lassen, vielleicht würde es über kurz oder lang etwas nützen, wenn die Bestien nur merkten, dass hier keine leichte Beute zu machen sei.

Auch Erestor wurde, zu seiner Erleichterung, immer mehr akzeptiert. In den ersten Tagen kamen noch regelmäßig Soldaten bei ihm vorbei, um ihn verwundert nach ebenjenem Berater zu fragen.
Allen war er schließlich nur in weiten Arbeitsroben, bewaffnet mit Pergament und Feder bekannt.

Inzwischen hatten sich die meisten damit abgefunden, den Berater nur als solchen in seinen Arbeitskleidern anzusehen, wenn er hingegen seine dunkelblaue Tunika und ein Schwert trug, war es nur der Krieger.
Als solchen behandelten sie ihn wie jeden anderen auch, aber der Berater blieb vielen suspekt.

In Erestors Verhalten hatte sich da nicht viel geändert, wortkarg zu seiner Person war er immer. Er machte sich nicht viel aus unnützen Worten, das bemerkte man deutlich, wenn er zu Wachen eingeteilt war, in der Zeit hielten die Krieger das ein oder andere Gespräch, während Erestor still daneben stand, den Blick in den Wald gerichtet, aufmerksam Ausschau haltend.

Jetzt sollte er sich aber lieber auf seine Aufgabe konzentrieren, Glorfindel war gerade tief in den Wäldern von Bruchtal, Patrouille als Heerführer mit Inspektion der Grenzposten, er wollte sich vergewissern, dass alles ruhig war, alle ihre Arbeit Ordnungsgemäß verrichteten.
Und vor allem wollte er sich nach den Soldaten, die sich noch in der Ausbildung befanden, erkundigen.

Alle die schon gegen Ende der Ausbildung waren, hatte er zu den normalen Schichten eingeteilt (oder eher einteilen lassen). Bis jetzt war alles in Ordnung, sodass er sich beruhigt auf den Rückweg machen konnte.
Er ließ sich Zeit, genoss einfach mal die Stille und den Gesang der Vögel, das leise Rascheln der Blätter unter den Hufen von Asfaloth, seinem treuen Hengst.

Glorfindel war allein unterwegs, etwas dass er von seinen Soldaten eigentlich nicht so gerne sah, aber alle schoben eh schon mehr Wachdienste als sonst, da musste sich keiner die Zeit nehmen ihn zu begleiten.

Auf einmal wurde die Stille gebrochen. Lachen. Da schallte Kinderlachen durch den friedlichen Wald.

Was machten die hier?

Es war zu gefährlich so weit draußen. Niemand sollte zurzeit seine Kinder hier raus schicken, nicht mit den Orks.

Ihn blieb also nichts anderes übrig als nach zu sehen.
Kurz seufzte er, sein Essen musste noch einige Zeit warten, aber was sollte er machen? Hier war es zu gefährlich.
Leicht legte er die Beine enger an Asfaloth Bauch und schnalzte mit der Zunge, sein treuer Hengst fiel augenblicklich in einen ruhigen Galopp. Einige tiefhängende Äste verfingen sich dabei in seiner blonden Mähne, das würde wieder ein Akt werden alles heraus zu klauben.

Inzwischen konnte er die beiden jungen Elben durch das Dickicht erahnen. Beide waren in edle Tuniken gekleidet und sahen absolut gleich aus.
Oh nein!
Das waren eindeutig Elronds Zwillinge!
Wie hatten die es geschafft bis hier her zu kommen?
Na ja, sie schafften es doch immer wieder irgendetwas anzustellen. Nur warum musste er sich dann darum kümmern, wo war die Person die sich eigentlich um sie kümmern sollte?

Leise näherte er sich ihnen, noch war er unbemerkt geblieben, Elrohir war damit beschäftigt ein Stück Seil an einen gebogenen Stock zu befestigen, während sein Bruder bereits einen solchen neben sich hatte und nun konzentriert Federn mit einem Messer zerschnitt, gut sah es schon aus, das musste Glorfindel zugeben.

Nichts desto trotz hatten sie hier nichts zu suchen. „Was macht ihr hier?" sprach er sie stroff an, Seneschall-Befehlston.
Sie mussten begreifen, dass es hier draußen zu mehr als nur zu Spielen kommen konnte. Beide zuckten zusammen und schauten zu ihm auf.

Der Balrogtöter hatte sich inzwischen von seinen Schimmel geschwungen und stand, eine Hand am Schwertknauf, direkt vor ihnen.
„Wir..." begann der Ältere „Wir wollten dir helfen." Dabei blickte er Glorfindel mit großen, unschuldig anmutenden, Augen an.
„Ist schon in Ordnung, aber das ist verdammt gefährlich. Kommt ihr jetzt bitte mit mir nach Hause, eure Eltern machen sich bestimmt schon Sorgen."
Unruhig blickte sich der Krieger um, er hatte ein verdammt ungutes Gefühl, irgendetwas würde geschehen.

„Kommt schnell."

Rief er den beiden zu und hob sie auf Asfaloth, er wusste, er konnte sich auf sein treues Tier verlassen.

Inzwischen wurde seine Vorahnung zu Gewissheit, Orks, viele Orks, zu viele um es alleine mit ihnen aufzunehmen, doch was blieb ihm schon für eine Wahl?

„Hört zu, ihr müsst heim reiten und die Wachen informieren."
Schnell strich er dem Pferd über die Stirn und richtete einige leise Worte an den Hengst. „Noro lim, Asfaloth!"
Mit diesen Worten sprang er zurück und selbiger preschte davon.

Der Krieger atmete einmal tief durch, bevor er sich mit hoch erhobenem Schwert umwandte.
Bereit zu kämpfen.
Bereit sich und seine Heimat zu verteidigen und Elronds Söhnen eine sichere Rückkehr zu ermöglichen.

Die Orks kamen immer näher, mussten ihn gewittert haben. Stinkende Bestien, der ganze Wald hallte von ihren Rufen und dem Stampfen ihrer Stiefel wieder.

Dieses Mal war etwas anders, sonst waren die Geschöpfe immer in kleineren Gruppen unterwegs, zehn, bis maximal zwanzig Mann. Diesmal waren es mindestens vierzig.
Zu viele für ihn alleine, er konnte nur sein Bestes geben und hoffen, dass die Verstärkung sich beeilte und bald einträfe. Er gab sich nicht geschlagen und blieb auch eisern stehen als die Masse schwarzer Leiber zu ihm aufholten,
noch einen Atemzug.

Dann machte er eine elegante Drehung in die Reihen der Feinde hinein, sein Schwert wütete tödlich unter den Gegnern, etliche fielen, aber die Flut wurde nicht weniger, immer rückten neue nach , bedrängten ihn, lange würde er es so nicht allein aushalten können, er wurde langsamer.
Allmählich wurden die Arme schwer, aber er hielt weiterhin stand, sein rotes Blut lief in mehreren Rinnsalen auf den Boden, mischte sich dort mit dem Schwarzen der Orks.












Auf Dauer war es schon anstrengend vollwertige Schichten zu schieben und sich gleichzeitig um einigen Papierkram zu kümmern, die Verwaltung Bruchtals stand nicht still.
Wenigstens war die Ernte eingeholt und verteilt worden. Gut er hatte Hilfe, aber dennoch tat er sich schwer nichts mehr zu tun, sich nur auf die Patrouillen zu konzentrieren.

Momentan stand er mit einigen Soldaten auf dem Innenhof Bruchtals, sie waren eben von einem Kontrollgang zurückgekommen, alle waren erschöpft, jedoch unverletzt.
Nachher hatte er auch noch ein Training für den Nachwuchs zu leiten, Kämpfen mit einem oder mehreren Dolchen. Mit den kurzen Klingen kam er ziemlich gut zurecht, sie gehörten, wie sein Schwert zur Grundausstattung, die er immer bei sich trug.

Je nach Situation kam noch ein kurzer Reiterbogen aus dunklem Holz hinzu. Den Köcher hatte er dann auf den Rücken, die Pfeile braun gefiedert, unauffällig.
Sador hatte er gebeten ihn zu unterstützen, er wusste nicht was die anderen schon konnten, da bewegte er sich wenigstens auf bekannten Terrain, wenn es darum ging Techniken zu demonstrieren.
Dafür war Sador auch ein Teil seiner Schicht erlassen, für den anderen ein praktisches Geschäft.

Nun musste er aber zunächst einmal Morben seine dunkle Stute versorgen, bei manchen Kontrollen waren Pferde sinnvoll, während sie in kleinen Gruppen stets ohne Pferde unterwegs waren.
Als er nur als Berater gearbeitet hatte, war Morben ziemlich kurz gekommen, nun wurde sie wieder vermehrt eingesetzt, seine treue Stute hatte ihn schon nach Mordor getragen und ihn in die Schlacht begleitet.

Viel blieb zum Glück nicht zu tun, wie die meisten Elben, war er am liebsten ohne Sattel unterwegs, nur wenn es darum ging besonders guten Halt zu haben, zog er ihr einen auf.
Bei einfachen Patrouillen hingegen, begnügte er sich mit einer Zäumung.

Aber er musste sie noch einmal kurz abbürsten und ihr etwas Getreide geben, nach dem anstrengenden Ritt hatte sie sich was verdient. Als er zu gut wie fertig war, konnte er in einiger Entfernung die hellen Rufe zweier Kinder ausmachen.

Elladan und Elrohir!

Was war passiert?

Beide hielten sich mehr schlecht als recht auf dem Rücken von Glorfindels Schimmel.
Schon von weiten hörte er ihre Rufe:
„Erestor! Du musst kommen, schnell! Glorfindel, Orks, Hilfe!"

Scheiße, er hatte schon so etwas geahnt, kurzerhand schwang er sich wieder auf Morbens Rücken und galoppierte ihnen entgegen.
Schnell griff er in die herab baumelnden Zügel des Hengstes, um ihn etwas abzubremsen und von den Zwillingen genaueres zu erfahren.

„So jetzt noch mal ganz langsam. Was ist passiert?"
wand er sich an die beiden.
Es war Elladan, der ihm schließlich antwortete.
„Wir wollten doch nur helfen, seit du wieder kämpfst, hast du gar keine Zeit mehr für uns."
„Ja, und da dachten wir halt, dass wir dir helfen können, damit du wieder bei uns bist." Mischte sich Elrohir ein.

„Was hat das jetzt mit Glorfindel zu tun?"

Normalerweise nahm sich Erestor immer Zeit für Elronds Söhne, jetzt schien die Zeit zu drängen, es war etwas passiert.

Wo war Glorfindel?

Seinen Asfaloth ließ er doch sonst kaum aus den Augen und kümmerte sich stets selbst um ihn.

„Der hat uns gefunden und dann kamen die Orks."
Okay, Erestor ganz ruhig, Glorfindel ist irgendwo im Wald, möglicherweise verletzt, er ist allein mit Orks.

Nun waren sie auch wieder im Hof angekommen.
„Hey, du." Rief er den nächsten Soldaten zu. „Lauf in die Unterkünfte, ich brauch 30 Mann mit Pferden."
Angesprochener machte sich sofort auf den Weg.
„Bring Sador mit." Rief er ihm noch schnell hinterher, er brauchte einen Stellvertreter, der die Leitung über einen Teil der Truppe übernehmen konnte und Sador vertraute er da nun mal am meisten, abgesehen von Lindir.

Aber der lebte nur noch für seine Musik und hatte, wie er eigentlich auch, dem Schwert abgeschworen.

Alle Soldaten die noch von seiner Patrouille in der Nähe waren fingen, nach einem Blick in Richtung der Ställe, an, einige Pferde heraus zu holen und fertig zu machen, Erestor fragte derweil bei Elladan nach der Richtung aus der sie gekommen waren, um wenigstens einen groben Anhaltspunkt zu haben.

In Windeseile sammelten sich Krieger auf dem Platz. Einige mussten noch ihre Ausrüstung richten, aber unverzüglich übernahmen sie die bereitgestellten Tiere.
Danach sammelten sie sich hinter Erestor, auf weitere Anweisungen wartend, inzwischen kam auch Sador aus dem Haus geeilt und gesellte sich zu dem Berater.

„Glorfindel wird vermisst."
Informierte der Schwarzhaarige seine Unterstützer.
„Er ist allein, 40 Orks, wir werden Asfaloths Spur folgen. Reiht euch auf, seid wachsam."

Nach diesen Worten wendete er auf der Stelle und trieb Morben heftig an, hinter sich konnte er das laute Klackern der schnell Galoppierenden Pferde hören.
Hinter der Brücke fächerten die Reihen breit hinter ihm auf, Sador hielt sich am einen Ende, während er selber, das andere überwachte.

Sobald sie am Wald ankamen mussten sie die Pferde zügeln, in einem schnellen Trab ging es weiter Richtung Grenze.

Nach einiger Zeit konnte man das Klirren der Waffen vernehmen und das Gebrüll der Orks. Ein Blick genügte, bevor Erestor Morben wieder antrieb und einen Teil der Soldaten nach rechts in den Wald Führte, Sadors Haufen hielt sich links, sodass sie die Feinde in die Zange nehmen konnten.

Bald schon konnte er den blonden Haarschopf des Balrogtöters ausmachen, noch stand er, aber blutete aus etlichen Wunden.
So gut Glorfindel auch war, alleine gegen diese Anzahl Gegner konnte er nicht gewinnen.

Erestor spornte Morben an, noch ein bisschen schneller zu rennen, als er sah, das ein Ork von hinten an den Krieger herantrat, das Schwert bereit zum tödlichen Schlag.

Schneller ging nicht mehr, aber es war nicht schnell genug, bevor der Warnschrei Erestors ihn erreichte, sank der Seneschall auf die Blut durchdrängte Erde.

Er versuchte sich wieder aufzurichten, doch die Erschöpfung war zu groß.

Endlich erreichten auch die Truppen den Schauplatz, die Orks hatten sich komplett auf den blonden Krieger konzentriert und waren schon beinahe vernichtet, als sie registrierten, war gerade geschah.

Erestor kämpfte sich schnurstracks einen Weg zu dem am Boden legenden durch.

„Glorfindel?! Hörst du mich?"

Aus seiner Stimme sprach Angst, Angst, dass es bereits zu spät war.

Kurz atmete er auf als er in schmerzerfüllte blaue Augen blickte.
Die Erleichterung hielt nicht lange an, als der andere nur ein müdes „Erestor" herausbrachte, bevor ihm die Augen endgültig zufielen.

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Dieses mal ohne lange Warte Zeit, ich habe Ferien und Zeit zu schreiben, ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen.

Morben heißt "Dunkle" und bezieht sich auf die Fellfarbe von Erestors Stute.

LG
Urwen

Kämpfe-für das, an was du glaubstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt