Kapitel 54: Alleine

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*Andreas' POV*
Er fühlte sich mies. Und wenn ich dir erzähle ,,mies" meine ich kein ,,Naja, mir ging's schonmal besser, heute ist nicht ganz so mein Tag" - mies. Es war eher dieses plötzliche Gefühl, als würde dir jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Alles, an dem du dich zuvor festgeklammert und auf das du gehofft hattest - einfach weg, ohne Vorwarnung. Und ohne Gewissheit, ob dieses Gefühl jemals wieder verschwinden würde. Zumindest hatte mir es Chris so beschrieben. Er war nun wieder bei mir im Beratungszimmer des Krankenhauses, die Ärztin hatte uns alleine gelassen. Ich hatte nicht nachgefragt, ob er mit Alina geredet hatte. Für mich fühlte es sich auch schlimm an. Jedoch fühlte ich mich jetzt ein wenig wie das dritte Rad am Wagen - was keineswegs schlimm war. Aber die Aufmerksamkeit sollte nicht auf mir liegen und ich musste meinem Bruder seinen Freiraum lassen. Vor allem jetzt.

,,Fahren wir nach Hause? Wir können immer wiederkommen, wenn du willst." erklärte ich und mein Bruder nickte stumm. ,,Es tut mir leid für euch. Und ich will dass du weißt, dass ich mir nur das Beste für euch wünsche." ,,Ich weiß." sagte Chris und ich hätte schwören können, für einen kleinen Moment hatte er etwas gelächelt. Ich fuhr uns also mit meinen Auto nach Hause. Chris war sehr stumm und schaute nur aus dem Fenster. ,,Es fühlt sich an, als habe ich sie alleine gelassen." sagte er irgendwann und unterbrach die Stille. ,,Wie meinst du das?"

,,Es heißt doch Sopor, also Schlaf." fing er an. ,,Tiefer Schlaf." korrigierte ich, was die Situation nicht unbedingt besser machte, jedoch lies sich Chris nicht von seinen Gedanken abbringen. ,,Es ist gar kein richtiges Koma. In ihrem Zustand gibt es die Möglichkeit, dass sie noch etwas mitkriegen kann." ,,Aber das ist unwahrscheinlich. Und gilt auch nur für..." ,,Denkst du es ist möglich, dass sie meine Anwesenheit bemerkt hat oder sowas?" Noch immer schaute er nur nach draußen auf die Straße. Total verträumt, hatte mich nicht einmal angeguckt. Aber bei allem, was heute schon passiert war, konnte ich es ihm auch nicht übelnehmen. ,,Vielleicht hat sie es schon irgendwie bemerkt." sagte ich, weil ich nicht andauernd den Pessimisten spielen wollte. Ob ich selbst daran glaubte, wusste ich nicht. Mit dieser Antwort gab sich Chris zufrieden und bis ich vor Chris' Haus halt machte, redeten wir nicht mehr viel.

Für den Fall, dass es Neuigkeiten über Alinas Zustand geben würde, hatte Chris seine Nummer hinterlassen. Wahrscheinlich würde er jedoch auch ohne Anruf bald wieder nach ihr sehen. Ich selbst hatte auch noch nicht verarbeitet, wie genau es zu dem Unfall gekommen war - was überhaupt passiert war. Und Chris würde es ganz sicher nochmal schlechter gehen, als mir. Ich hoffte, dass sich Chris bald etwas ablenken und wieder positiver denken würde. Ich dachte wieder daran, wie sich Chris das letzte Mal gefühlt hatte, als seine Beziehung in die Brüche gegangen war. Wie er verletzt gewesen war. Jedoch war eine zerbrochene Beziehung von damals die eine Sache. Jetzt lag die Frau die er liebte im Koma, vielleicht sogar im Sterben - und das war die andere.

Flash - Break the law of gravity 🦋 - Ehrlich Brothers FanfictionWhere stories live. Discover now