Kapitel 1

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Heller Schnee knirscht unter meinen Winterstiefeln als ich auf dem Weg nach Hause bin. Es ist bereits dunkel, doch der Schnee ermöglicht es mir mehr als nur Dunkelheit erkennen zu können. Ich bin alleine hier draußen. Nicht mal ein Auto fährt an mir vorbei. Das einzige Geräusch, das ich höre, ist der Schnee unter meinen Schuhen. Der Winter ist meine Lieblingsjahreszeit. Es ist die besondere Zeit, in der die Familien noch näher zusammenwachsen und die Menschen in einen Gute-Laune-Zustand verfallen. Alle sind glücklich, selbst die die nichts haben.

Der Ton meines klingenden Handys holt mich zurück in die Realität. "Hallo?"

"Schätzchen, wo bleibst du? Es ist fast elf Uhr!" erklingt die, mir bereits vertraute, besorgte Stimme meiner Mum.

"Ich bin auf dem Weg, Mum. In zehn Minuten bin ich zu Hause." seufze ich, bevor ich auflege und mein Handy wieder zurück in meine Jackentasche packe.

Seitdem mein älterer Bruder Jason vor drei Jahren plötzlich verschwand, dreht meine Mum komplett durch. Ständig bekomme Kontrollanrufe von ihr und sie lässt mich kaum mehr ohne Begleitung, auf die sie sich zu 100% verlassen kann, aus dem Haus. Ich kann ja verstehen, dass sie sich Sorgen macht, aber so langsam wird es echt nervig. Wir waren alle nach seinem Verschwinden geschockt und es nimmt uns noch alle sehr mit. Es kann bis heute noch keiner verstehen, besonders da es auch keine Anzeichen dafür gab, dass er von alleine abgehauen ist, so wie die Polizei es vermutete, da er schon 22 ist. Zwei Jahre nachdem Jason verschwand hat sich Dad von Mum getrennt. Er hatte es einfach nicht mehr ausgehalten mit meiner Kontrollsüchtigen Mum weiter zusammen zu leben. Dad wollte mich anfangs mit zu sich nehmen, doch ich wollte bei Mum bleiben. Noch einen Verlust hätte sie nicht verkrampftet.

Ein weiteres Geräusch von unter den Schuhen knirschendem Schnee holt mich aus meinen Gedanken an meinen verschwundenen Bruder. Erschrocken drehe ich mich um, doch weit und breit ist niemand zu sehen. Ich habe doch eindeutig Schritte gehört! Verwirrt drehe ich mich wieder um. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet. Ich zucke mit den Schultern und gehe weiter. Nach einigen Schritten die ich ging, höre ich wieder dieses knirschen. Ruckartig drehe ich mich um, doch wieder sehe ich niemanden. Da waren eindeutig Schritte hinter mir! Ich bilde mir das doch nicht ein! Wieder drehe ich mich um und gehe weiter nach Hause. Sollten diese Schritte noch einmal auftauchen, werde ich nicht mehr darauf reinfallen. Wenn ich mich nämlich dann wieder umdrehe, wird keiner mehr da sein.

Wieder sind Schritte zuhören. Doch dieses Mal drehe ich mich nicht um, sondern werde einfach weitergehen. Eine Weile geht das nun schon, in der mir die Schritte folgen. Im gleichen Tempo wie ich, im gleichen Rhythmus. Langsam wird mir das Ganze zu viel. Wer auch immer da hinter mir läuft, läuft mir jetzt schon viel zu lange nach. Langsam verschnellere ich meine Schritte. Kurzzeitig dachte ich, dass die Schritte verschwunden sind, doch dann waren sie wieder da. Und hatten das gleiche Tempo wie meine. Das kann ich mir doch nicht einbilden! Da sind eindeutig Schritte hinter mir!

Flüchtig werfe ich einen Blick über meine Schulte und tatsächlich! Da läuft mir jemand, komplett in schwarz gehüllt, hinterher. Mein Herz schlägt automatisch schneller. Ich verschnellere meine Schritte und renne fast nun. Ich werfe noch einen Blick auf die in schwarz gekleidete Person hinter mir um zu sehen, dass dieser jemand noch immer dicht hinter mir ist. Wer ist das? Und warum verfolgt er mich?!

Es sind noch gute fünf Minuten Fußweg bis zu mir nach Hause. Vielleicht sollte ich einfach losrennen? Doch noch bevor ich mir über weiteres Gedanken machen kann, werde ich auch schon gegen die nächstbeste Hauswand gedrückt.

"Hallo Sweetheart." Seine raue Stimme lässt mich erschaudern. Ich versuche in sein Gesicht zu schauen, doch durch seine Kapuze liegt sein Gesicht im Schatten. Er streicht mit seiner kalten Hand über meine Wange und schiebt mir eine Strähne aus meinem Gesicht. Mein Körper beginnt aus Angst zu zittern.

"Shh, du brauchst keine Angst zu haben. Ich werde dich immer beschützen." meint er, ehe er mir einen Kuss auf die Stirn gibt und dann verschwindet. Wer war das und was will er von mir?! So schnell ich kann, renne ich nach Hause und schließe mich in meinem Zimmer ein.

Am nächsten Morgen wache ich durch das Klingeln meines Handyweckers auf. Heute war schon wieder so ein Tag, den ich großteils in der Schule verbringen muss. Ich überfliege meine Nachrichten, doch eine zieht besonders meine Aufmerksamkeit auf sich. Es ist eine SMS von einer unbekannten Nummer.

Fühlst du dich nicht alleine in deinem Bett? Wie gerne würde ich neben dir liegen und dich in meinen Armen halten, Sweetheart.

Erschrocken lasse ich mein Handy fallen. Was für ein kranker Typ schreibt solche Nachrichten!? In diesem Moment fällt mir die Antwort ein. Nur eine Person hat mich bisher Sweetheart genannt und das war der gruselige Typ von gestern Nacht! Doch woher soll der bitte meine Nummer herbekommen?!

Einmal tief Luft holen. Ich schiebe meine Gedanken an diesen seltsamen Typen zur Seite und gehe ins Badezimmer.

Beim gemeinsamen Frühstück mit meiner Mum bekomme ich nicht wirklich viel runter. Ich merke wie meine Mum mich besorgt mustert, allerdings gehe ich darauf nicht weiter ein.

"Ist alles in Ordnung bei dir Schätzchen? Geht es dir etwa nicht gut?" bombardiert sie mich schon mit ihren Fragen.

"Mir geht es gut, Mum. Ich hab nur keinen besonders großen Hunger." rede ich mich raus. Der besorgte Blick meiner Mum bleibt, doch sie sagt nichts mehr dazu. Trotz ihres Kontrollwahns, weiß sie wann sie einen in Ruhe zulassen hat. Was allerdings auch eher an ihrer Therapie liegen kann, die sie seit der Trennung von Dad macht.

"Ich geh' dann mal." sage ich, während ich aufstehe und mir mein Essen für die Schule schnappe.

"Bitte sei pünktlich zu Hause. Ich bin gestern vor Sorge fast umgekommen, als du nicht pünktlich nach Hause gekommen bist." Ihre Stimme klingt besorgt, aber auch ängstlich.

"Versprochen Mum." Ich umarme sie kurz und gehe dann aus dem Haus.
In der Schule werde ich gleich stürmisch von meiner besten Freundin umarmt.
"Woah Sophie, was ist denn mit dir los?" frage ich belustigt, nachdem sie mich losgelassen hatte.
"Hast du es etwa noch nicht gehört?" fragt sich mich erstaunt. Ich schüttele meinen Kopf. "Man hat heute Morgen eine Leiche gefunden. Blutleer und die Beschreibung hat total auf dich gepasst. Ich dachte schon dir wäre was passiert!" Besorgt und auch traurig sieht sie mich an.

"Achtung eine Durchsage! Alle Schüler finden sich jetzt in der Turnhalle ein." erklingt die Stimme unserer Sekretärin durch die Sprechanlage. Verwirrt sehen wir uns an. Sophie zuckt mit den Schultern. Gemeinsam machen wir uns, wie der Rest der Schule, auf den Weg in die Turnhalle.

Es herrscht wildes Gerede zwischen den Schülern. Keiner scheint zu wissen, worum es gehen könnte. Unser Direktor erscheint und plötzlich ist es mucksmäuschenstill in der Turnhalle.

"Ich habe euch allen etwas Schreckliches mitzuteilen. Heute Morgen wurde die Leiche einer Schülerin unserer Schule gefunden. Es ist Lilly Montgomery aus der Jahrgangsstufe 12. Es wird allen Schülern und besonders den Freunden von Lilly Montgomery angeboten, jeder Zeit im Büro unseres Vertrauenslehrers zu melden. Es ist ein Schock für uns alle. Miss Montgomery war eine außergewöhnliche Schülerin. Sie gehörte zu einen der besten in ihrem Jahrgang und verstärkte unser Cheerleader-Team, sowie unsere Schülerzeitung. Ruhe in Frieden Lilly Montgomery und wir wünschen ihren Angehörigen viel Kraft in dieser Zeit."

Haunted » damon salvatore (PAUSED)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt