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„Die Bestie war der fleischgewordene Ruf der Wildnis, dem manche Naturen in ihr eigenes Verderben folgen."
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Ein schrilles Piepen betäubte meine Ohren und für kurze Zeit spürte ich weder den Aufprall auf den Boden an meinem Kopf, noch das Messer in meinem Bein. Einzig der Mond, der durch eines der Fenster zu erkennen war, rückte in mein von schwarzen Punkten gesäumte Blickfeld. Ich hörte ihn singen, die Sterne als seinen Chor und schmeckte die Nacht auf meiner Zunge. Es war als würde ich in Lucius Blut baden und daher keine Schmerzen spüren.
Ein harter Schlag riss mich augenblicklich aus meinem Delirium und zurück in die große Halle, in deren Ecke ein Feuer brannte, was meine Haut glühen ließ. Jedoch nicht annähernd so stark wie der Schlag, der meinen Kopf zur Seite warf. Wieder war ich kurz vor der Ohnmacht, als mir Wein oder Ähnliches ins Gesicht geschüttet wurde. Mein Blick fiel auf den roten Saft, der sich mit meinem Blut vermischte und dessen Weg zu Boden beschleunigte. Ich verstand nicht wieso ich hier lag, wieso ich verletzt war und ein Messer in meinem Bein steckte. Doch als ich den Kopf hob und verschwommen wahrnahm wer vor mir stand, prasselte die Erinnerung auf mich ein.

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Managram lief leicht gebeugt auf die schwere Holztür zu, die einen Spalt breit geöffnet war und durch die Stimmen nach draußen drangen. „Ich werde erst einmal so hinein gehen und du wartest kurz hier. Sieh zu, dass dich keiner erwischt und komm erst rein, wenn ich ihn überwältigt habe."
Wieso ich auf ihn hörte war mir schleierhaft.
Natürlich war er der mächtigere von uns und wusste vieles, von dem ich keine Ahnung hatte, doch er war immer noch eine Bedrohung und gefährlich für mich.
Dennoch lugte ich durch den Spalt, der blieb, nach dem er die Tür erst geöffnet und dann wieder leicht geschlossen hatte.
Er hatte natürlich sofort die Aufmerksamkeit aller versammelten auf sich und es waren nicht gerade wenige, die mit Eirik hier verharrten.
Wer mir allerdings sofort ins Auge fiel war ein Mann, definitiv ein Mensch, den ich auf Xeru gesehen hatte.
Xeru war ein Kriegsstützpunkt, den viele junge Männer für eine Kampfausbildung aufsuchten und sie verkauften Waffen an Händler.
Raswan war dort zur Ausbildung gewesen und nach unserer Hochzeit hatten wir auf dem Weg zum Rudel dort gehalten und Waffen gekauft.
Wir hatten also Recht mit der Vermutung, dass Eirik Unterstützung von Menschen hatte. Die Frage war nur wieso sie ihm halfen und wie er überhaupt auf diese Idee kam. Dehon war sein Mentor gewesen und er schien nie der große Freund von normalen Menschen, wie die Krieger von Xeru es waren.
„Wer seid ihr?", erklang Eiriks Stimme und kurz erhaschte ich einen Blick auf ihn. Er strotzte nur so vor Kraft und schien noch irrer als vor ein paar Monden, wo ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine Augen waren unruhig und wechselten permanent den Blickpunkt, sodass einem beim Zusehen schon schwindelig wurde. Dazu kamen seine schulterlangen verworrenen Haare und die blutige Haut. Dabei würde ich ohne zu zögern behaupten, dass es nicht sein Blut war.
„Ich bin hier um zu verhandeln", begann Managram zu sagen und ich betete, dass er mir nicht in den Rücken fallen würde, sondern dass das zu seiner Idee gehörte.
Ich werde euch töten", erwiderte Eirik nüchtern und grinste dabei.
Hinter ihm erkannte ich nun auch Eilasa, die nur noch ein Hauch ihrer selbst war.
Schnitte zierten ihre Arme und ihr Gesicht und Blaueflecken teilten sich den Platz auf ihrer blassen Haut mit Bissspuren. Sie sah aus wie eine Tote und wurde von ihm dennoch in das schönste Kleid gesteckt, mit aufwendig geflochtenen Haaren und Schmuck am Leibe. Mir entfuhr beinahe ein Schrei, so furchtbar sah sie aus.
„Das würde ich an eurer Stelle nicht wagen, Eirik." Managram war sich seiner Sache sicher und strahlte eine Ruhe und Macht aus, die Eirik sichtbar wütend machte.
Das war gut, denn wütende Menschen waren unvorsichtig.
Ich verfolgte wie Managram Eirik mit wenigen Worten provozierte und wie unsicher seine Begleiter wurden, denn die meisten von ihnen zogen sich schweigend an die Wand zurück und beobachteten ebenfalls das Geschehen.
Plötzlich wurde ich jedoch an den Hüften gepackt und hoch gerissen, sodass ich den Boden unter den Füßen verlor. Erschrocken schrie ich auf und sah noch wie Managram sich zu mir wandte, als ich nur noch den Rücken eines Mannes vor den Augen hatte.
Ich hörte wie die Tür gänzlich geöffnet wurde und kurz darauf ein bestialisches Brüllen.
Man warf mich wie einen Sack zu Boden, vor Eiriks Füße und sofort suchte ich mit den Augen nach dem Wolfmann, der spätestens jetzt in seiner eigentlich Form erscheinen sollte.
Doch ich entdeckte ihn am Boden liegen mit einem Schwert durch den Rücken gebohrt. Die Blutlache und sein unbewegter Körper überzeugten jeden von seinem Tod.
Fassungslos sah ich von ihm zu Eirik, der sich schon breit grinsend vor mich gehockt hatte, weshalb ich vor Schreck zusammenzuckte, als er mir plötzlich so nahe war.
Wen haben wir denn da? Hast du es so sehr vermisst ordentlich gefickt zu werden, dass du schon Dehons Haus aufsuchst? Gut dass er tot ist und ich das für ihn übernehmen kann", sagte er lachend und packte mit einer Hand meine Wangen und presste seine harten Finger in meinen Kiefer, was eine Schmerzwelle auslöste.
Willst du es hier vor allen besorgt bekommen? Oder nein, willst du es etwa von allen besorgt bekommen? Keine Sorge Hure, ich kümmere mich um deine Bedürfnisse!"
Der Schlag auf meine Wange kam eigentlich nicht unerwartet, doch er war so fest, dass ich für kurze Zeit nichts hörte. Eirik riss mich jedoch mühelos auf die Beine und schleifte mich zu seinem Thron.
Es wird Zeit dir dein anderes Auge zunehmen, damit du mich nicht verführen kannst, Hexe."
Er platzierte mich auf seinem Schoß, als wären wir Geliebte und zückte ein Messer.
Wenn du hier bist, dann ist dein dreckiger Hundemann nicht weit entfernt."
Er ließ die Klinge sanft über mein vernarbtes Auge gleiten und ich musste meinen ganzen Stolz zusammenraufen, um nicht zu weinen.
„Es wird mir eine Freude sein, dich blind über den Boden kriechen zu sehen, in die Arme der nächstbesten Bestie!"
In mir kam die Erinnerung an die Geschichte vom Mann im Mond und der blinden Sterblichen auf und ich hörte das Lied des Mondes, was mir Sicherheit und Kraft verlieh.
Ich könnte mich zwar nicht körperlich wehren, aber psychisch.
Ich würde seinen Wolf abblocken und keine Träne vergießen, denn das war es, was er wollte, wonach er gierte. „Denkst du ich würde dich nicht brechen können?"
Das kannst du nicht Eirik. Du bist schwach und wahnsinnig, was dich zu einem einfachen Ziel macht."
Wütend umgriff er meine Kehle und ließ mich seine Klauen spüren. Er könnte mich mit einer Handbewegung töten.
Gerade war er dabei etwas zu sagen, als die Holztür erneut geöffnet wurde und ein Mann herein stürmte.
Alpha!", rief er aufgebracht, was Eirik beinahe reflexartig knurren ließ.
Ihr müsst euch das kurz ansehen!"
Ich muss gar nichts", schrie er daraufhin und sorgte so für einen tiefen Schreck bei allen anwesenden.
Aber ich werde mit dir kommen." Grinsend sah er in mein Gesicht und hielt das Messer vor meine Nase.
Du bist doch sicher so freundlich und hältst mal."
Verwirrt sah ich von dem Messer zu ihm, als er es mir auch schon ins Bein gerammt hatte. Daraufhin biss ich mir fest auf die Lippe, um keinen Ton von mir zu geben, was dazu führte, dass ich Blut schmeckte.
Spiel ruhig die Starke, ich krieg dich noch", flüsterte mir Eirik noch lächelnd zu, ehe er mich von seinem Schoß schubste und dabei zu sah wie ich zu Boden fiel und mir hart den Kopf stieß.

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„Sorgt dafür, dass meine Prinzessin noch lebt, wenn ich wieder komme." Eirik tätschelte meine Wange, während er zu seinen Männern sprach und kurz darauf selbstgefällig die Halle verließ.
Da der Schmerz noch immer weitgehend betäubt war, was ich vermutlich wirklich Lucius Blut zu verdanken hatte, spürte ich einzig und allein die Wut, die schnell durch meine Adern schoss und mein Blut zum Kochen brachte.
Ich spürte entfernt Raswans Wolf, der mir Kraft einhauchte und beinahe meine Finger zu Klauen werden ließ.
Diese nur vage bekannte Macht hatte mir schon einmal das Leben gerettet, gegen das Hexenweib und ich wusste ich musste die Kraft jetzt sofort nutzen, denn danach würde sie zerfallen.
Ich sprang also auf, als hätte ich nie etwas anderes getan und als würde kein Messer in meinem Bein stecken.
Ohne zu zögern zog ich es heraus und stach direkt den ersten Mann nieder, der auf mich zu gestürmt kam.
So kämpfte ich mir einen Weg zur Tür und dachte dabei an die Trainingsstunden, die ich mit Bash hatte und was er mir beigebracht hatte.
Meine geringe Stärke machte ich durch meine Geschwindigkeit und meine Intelligenz wett.
Ich erreichte den Hof also noch bevor sich Eirik verwandeln und abhauen konnte.
„Bleib stehen und kämpf gegen einen Alpha, wie es sich gehört!", forderte ich laut und sicherte noch einmal alles was in meinem Rücken lag ab, damit ich nicht wieder überraschend ergriffen werden konnte.
Eirik stoppte tatsächlich und blickte über die Schulter zu mir.
„Geh in mein Bett und warte bis ich wieder komme!", befahl er und schien tatsächlich von sich überzeugt, sodass ich lachen musste.
„Du Miststück!", knurrte er und erneut wurde seine schwache Dominanz und sein unruhiges Gemüt deutlich.
Er reagierte auf Ungehorsam mit Gewalt und wusste deshalb nicht was zu tun war, wenn jemand diese Gewalt einfach wegsteckte, als wäre es nichts.
Mit festen Schritten kam er auf mich zu gestürmt und wollte mich schon packen, als ich ein paar Schritte zur Seite machte und er unkontrolliert an mir vorbei raste.
Das schien ihn noch wütender zu machen, doch er konnte keinen erneuten Angriff starten, da er plötzlich von einer riesigen Pranken gepackt wurde.
Managram trat lebendig und mitten in der Verwandlung aus dem Haus und richtete sich davor zu seiner eigentlichen Größe auf, sodass einige Wölfe die Flucht einschlugen.
Eirik ließ er vor sich zu Boden fallen, sodass er für kurze Zeit benommen und regungslos war.
„Tu es jetzt", erklangen Managrams Worte an meinem Ohr und mein Blick fiel auf das Messer in meiner Hand.
„Verpass ihm ein Grinsen und nimm ihm die Augen, so war es abgemacht!"
Auf einmal verließ mich jedoch die ganze Kraft und zurück blieb nur mein eiserner Wille und mein erschöpfter Körper. „Denk daran, was er deinen Kindern antun wird, wenn er überlebt und dich tötet."
Managram hatte recht und dennoch war ich hin und her gerissen.
Der Gedanke an Eija und Ivar die von Managram zerstückelt wurden trieb mich schließlich dazu an zu Eirik zu gehen und mein Messer anzusetzen.
„Wieso willst du dass ich das mache?", fragte ich die Frage, die ich ihm schon gestern gestellt hatte, als er seine Forderung genannt hatte.
„Tu es und ich werde es dir sagen", meinte er nur und begann tote Körper zu packen und zu fressen.
Schnell sah ich wieder zu Eirik, der noch lebte und dessen Haut sich mit jedem Atemzug gegen das Messer presste.
Ich beschloss es möglichst schnell durch zu ziehen und versuchte daher einen geraden Schnitt entlang seiner Kehle zu ziehen, doch es war vermutlich nicht tief genug, denn er öffnete abrupt die Augen und begann zu schreien, wobei es in gurgelnden Geräuschen endete, als das Blut immer schneller hervor quoll.
„Mach ihn blind!", schrie Managram beinahe. Ich zuckte etwas zurück und sah hinab in Eiriks Augen. Dort war weder etwas menschliches noch tierisches zu sehen. Er war schlicht und ergreifen verrückt geworden und hatte sich selbst verloren.

Ich konnte mich nicht mehr genau erinnern wie ich es getan hatte. Ich wussteauch nicht mehr ob er geschrien hat und sich wehrte.
Was mir in Erinnerung geblieben ist waren meine blutigen Finger und Managrams zufriedener Blick. Er hatte gegrinst, als hätte er alles erreicht was er wollte und das machte mir mehr Angst, als die Tatsache, dass ich Eirik so eben die Augen genommen und ihn dadurch elendig getötet hatte.
Dieses Mal musste ich meine Frage gar nicht mehr laut aussprechen. Als ich ihn ansah, wusste er schon was ich sagen wollte und wandelte seine Form um.
In menschlicher Form hockte er sich vor mich und ergriff meine Handgelenke.
Er hielt mir die blutige Wahrheit vor die Augen und sagte dann deshalb.
Es war nicht so, dass mich der Mord an Eirik selbst kümmerte, es war lediglich die Art und Weise wie ich es getan hatte, die mir etwas Magenschmerzen bescherte.
Warum also war das für Managram etwas besonderes?
Er hatte eine Forderung verspielt, in dem er mir einen Gefallen getan hat.
Ich war allerdings nicht so dumm ihm das zu sagen, sondern hielt den Kopf gesenkt und dachte nach.
Das Schwert hatte ihn nicht getötet, wie also sollten wir es tun?
Ich musste ihn aufjedenfall aufhalten, damit er nicht sofort zum See zurückkehrte.
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