Prolog 1

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Am frühen Morgen streife ich durch den dunklen Wald, bis die Sonne aufgeht und den Morgentau auf Gräsern und Blättern funkeln lässt wie Milliarden von kleinen Diamanten. Das ist definitiv meine Lieblingszeit des Tages. Ich strecke meine Schnauze in die Luft und atme

die gewohnten düfte ein. Feuchtes Gras. Moos. Verschiedenste Bäume. Blut. Der beißende Geruch von Eisen brennt sich förmlich hinein. Sofort nehme ich die Fährte auf und schleiche auf leisen Pfoten dem Geruch hinterher. An einem Flussufer zwischen den langen Grashalmen rieche ich das frische Blut. Vorsichtig nähere ich mich bis mich das Tier plötzlich erblickt, das gerade dabei ist sich die Wunde zu lecken. Der schwarze Leopard ist größer als ich, aber mutig krieche ich auf ihn zu. Böse faucht er mich an, ich ducke mich nur und krieche schnuppernd näher. Einen halben Meter von ihm entfernt liege ich flach auf dem Boden und rieche seinen Duft gepaart mit dem metallischen Geruch der aus seiner Wunde strömt. Er fixiert mich, dann leckt er weiter an seiner Wunde, aber kaum lecke ich über meine Nase um sie zu befeuchten, stoppt er und starrt mich erneut mit zurückgelegten Ohren an. Selbst wenn er mich jetzt angreifen würde, wäre ich viel schneller als er, denn sein Hinterlauf ist schwer verletzt und seine Bewegungen wirken unkoordiniert. Der menschliche Teil in mir will ihm helfen, aber wie soll ich das als Schneeleopard schon tun? Ich müsste mein Rudel rufen aber wenn dann die Jäger unter ihnen kommen würden, würde das verletzte Tier bestimmt Panik bekommen und fliehen. Wenn ich mich aber verwandeln würde könnte ich die Wunde versorgen, sofern ich nicht durch einen Hieb seiner Pranke selbst schwer verletzt werde. Plötzlich sackt sein Kopf auf den Boden, mühsam rappelt er sich wieder auf, aber er ist schwach. Ich gebe einen gurrenden Laut von mir und müde sehen mich die trüben Augen an. In windeseile sprinte ich durch den Wald und komme in der Basis meines Rudels an. Kurz nachdem ich den Eingang passiert habe verwandle ich mich in meine menschliche Form und laufe zu den Jägern.

"Ihr müsst mir helfen, da liegt ein verletztes Tier am Fluss, ich glaube es ist eine Schusswunde. Wir müssen uns beeilen er war schon sehr schwach und ich glaube er wird sich gleich verstecken", keuche ich da meine menschliche Lunge nicht so ausdauernd ist wie meine Leopardenlunge.
"Führ uns hin", sagt einer und schnappt sich den Notfallkoffer.

Mit zwei weiteren Jägern sprinte ich in Tiergestalt zurück zum Fluss, gemeinsam suchen wir nach dem verletzten Tier, während uns einer der Jäger mit einem Elektro-Quad folgt. Wir finden den Leoparden am Flussbett, er hat sich bis ins Wasser geschleppt wo die Strömung das Blut weg schwemmt. Er scheint bewusstlos zu sein, sofort verwandeln sich die beiden Jäger und ziehen ihn aus dem Wasser, dann trifft auch schon das Quad ein.
"Das ist keine Schusswunde, das war eine Splittergranate", stellt der Jäger fest und hilft den
anderen das Tier auf das Quad zu laden.

Zurück in der Basis bringen sie ihn direkt auf die Krankenstation. Nach drei Stunden Notoperation kommt die Krankenschwester auf mich zu.

"Also wir haben ihm die Splitter entfernt und die Wunde versorgt, er ist soweit stabil und ich denke er wird sich erholen", erklärt sie mir.

"Gut", antworte ich und atme beruhigt aus.
"Da ist nochwas", beginnt sie, "Er ist kein Wilder!"
"Nicht? Wieso hat er sich dann nicht verwandelt?", frage ich.
"Ich nehme an er konnte es Aufgrund des Blutmangels nicht"
"Kann ich zu ihm?", möchte ich wissen und sie nickt kurz.
Ich betrete das Krankenzimmer, ich hasse den Geruch der Station, aber auch wir benötigen Desinfektionsmittel und übelriechende Medizin. Anders als in Krankenhäusern für Menschen liegen die Patienten hier auf Matratzen direkt auf dem Boden. Denn es ist nie sicher ob sie ihre Gestalt wechseln und aus dem Bett fallen.

Der schwarze LeopardWo Geschichten leben. Entdecke jetzt