Kapitel 2

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Die Entscheidung

Ich war schon seit einigen Stunden wach, hatte mich jedoch noch keinen Zentimeter bewegt. Die Sonne schien kräftig in mein Zimmer und kündigte den neuen Tag an. Die Luft im Raum war kalt und ich hatte mir die Decke bis zur Nase hochgezogen. Als ich alle Motivation zusammengesammelt hatte, schwang ich meine Beine über die Bettkante und stand auf. Ich lief in dem kleinen Raum auf und ab, da ich nichts mit mir selbst anzufangen wusste. Mein Körper hatte sich von der Betäubung erholt und zu seiner alten Stärke gefunden. Eigentlich musste ich schon seit einer Ewigkeit auf die Toilette, doch diese Metallschüssel ekelte mich an. Außerdem hatte ich Angst, dass ausgerechnet jemand meine Tür öffnen würde, wenn ich darauf saß.

Mein Blick glitt zu dem Schrank. Ich war neugierig, was sich wohl darin befand. Wenige Schritte waren notwendig, um den Raum zu durchqueren. Der Metallgriff des Schranks fühlte sich kalt an, als ich meine Finger um ihn schlang. Als ich ihn öffnete, fielen mir als erstes die Korsette in die Augen. Sie hingen ordentlich auf Holzbügeln an der Stange.

Ich streckte die Hand aus und strich mit meinen Fingern über den Stoff; er fühlte sich weich und geschmeidig an. Auf einmal störte mich der Kittel, den ich im Krankenzimmer bekommen hatte. Diesen trug ich schon viel zu lange und der Stoff fühlte sich auf einmal kratzig an. Ich öffnete die Schleife, die den Stoff an meiner Hüfte zusammenhielt und der Kittel glitt von meinen Schultern.

Nackt stand ich vor meinem Kleiderschrank und wusste nicht recht, was ich anziehen sollte. Ich nahm mir einen der weißen Schlüpfer aus der untersten Schublade und zog ihn mir schnell an. Anschließend schob ich eins der sechs Korsette von dem Bügel und schlüpfte hinein.

Gerade als ich mir die Kleider, die neben den Korsetts ordentlich auf ihren Bügeln hingen, ansah, hörte ich, wie der Schlüssel in das Schloss gesteckt wurde. Panisch zog ich das Korsett wieder aus, da ich es auf keinen Fall so schnell binden konnte und warf mir das erstbeste Kleid über den Kopf. In dem Moment, als der Stoff über meine Hüften glitt, wurde die Tür geöffnet.

Ich drehte mich ruckartig zur Tür um. Mit großen Augen sah ich die Person, die im Türrahmen stand an. Es war Stephan. Wie versteinert stand ich da und sah ihn mit großen Augen an. Er musterte mich und ich konnte die Belustigung in seinen Augen sehen.

>> Was ist denn so amüsant? <<, frage ich und stemmte die Hände in die Hüfte.

Jetzt fing er lauthals an zu lachen. Aus meiner Verunsicherung wurde Wut. Ich funkelte ihn zornig an. Mit den Händen in den Hüften sagte ich:

>> Ich muss wohl einen sehr amüsanten Anblick bieten. <<

Als Stephan meinen Blick sah, erstarb sein Lachen.

>> Verzeihung, ich wollte nicht über dich lachen. Aber es sieht einfach zu lustig aus. <<

Er zeigte mit dem Finger auf mein Kleid. Ich folgte seinem Blick. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich es vor lauter Hektik falsch herum angezogen hatte.

>> Kleidest du dich immer so an? <<

Ich wusste, dass Stephan es nicht böse meinte. Aber ich fand es nicht gut, dass er auf meine Kosten Witze machte.

>> Hättest du nicht so einen unpassenden Moment gewählt, um wieder hier aufzutauchen, wäre das gar nicht passiert. <<

>> Entschuldige. Ich dachte, du schläfst noch. Aber du solltest dich jetzt richtig anziehen. In zehn Minuten kommt jemand zu Besuch. <<

Ich wartete darauf, dass Stephan den Raum verließ, doch er machte keine Anstalten das zu tun.

>> Gut, ich werde mich richtig anziehen. <<

Die Insel der stillen TränenWhere stories live. Discover now