Kapitel 29

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Kapitel 29

Raphael Ragucci

Bonez kam gerade aus der Booth geschlendert, als zum tausendsten Mal an diesem Tag mein Smartphone vibrierte. An vielen Tagen stellte ich es einfach aus, wenn ich im Studio war. Jedoch erwartete ich einen Anruf von meinem Partner Ronny und damit hatte ich dem Vibrationsalarm eingeschaltet. Ich griff danach, Abudi schrieb mir.

Er hatte keinen Bock gehabt, mit mir und Bonez im Studio zu hocken, während es draußen achtunddreißig Grad waren und war mit Shaho abgehauen in ein Eiscafé. Er war so ehrlich gewesen, mir zu erzählen, dass sie sich mit Relia treffen wollten. Es ging mich nichts an, was die Beiden machten, wenn ich nicht daneben stand, sie konnten sich treffen, mit wem sie wollten. Trotzdem war ich ihnen dankbar, dass sie das nicht hinter meinem Rücken machten.

Ich öffnete unseren Whats App Verlauf.

„Bruder, soll ich sie fragen ob sie später mit zum Essen will?"

Keine Frage, wenn er damit meinte und unwillkürlich begann mein Herz so sehr zu schlagen, dass ich es an meinem Hals fühlen konnte.

„Raf, was los?", hörte ich Bonez fragen. Der Hamburger warf sich auf die Couch hinter mir und ich drehte mich auf meinem Chefsessel zu ihm herum. „Geister gesehen? Digger, du bist auf einmal leichenblass, trink mal was." Er beugte sich auf der Couch ein wenig nach vorn und musterte mich mit eine gewissen Besorgnis im Blick.

„Schon gut.", murmelte ich, schüttelte den Kopf, als wäre ich aus Wasser wieder aufgetaucht. „Abudi und Shaho sind mit Relia unterwegs.", berichtete ich. „Abudi will sie fragen, ob sie später mit ins Restaurant kommt."

„Oh.", machte John. „Soll er machen, hab Bock sie mal wieder zu sehen. Ist ewig her."

„Bonez.", sagte ich nur.

„Was?"

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie kommt, wenn sie weiß, dass ich auch da bin. Und wenn doch, was soll ich tun, wenn sie auf einmal vor mir steht? Ich würde kein Wort rausbekommen. Es gibt nichts, was nicht völlig behindert wäre, zu ihr zu sagen."

„Das stimmt.", machte John mir Mut. Typisch. Er schwatzte keine Opern, er sah Dinge, wie sie waren. Nicht so krass, wie Abudi oft war- aber ähnlich.

John war einer der wenigen, der wusste, was im Frühjahr zwischen Aurelia und mir vorgefallen war. Von dem Dingen, die ich getan hatte. Abudi und meine Schwester wussten alles- schließlich hatten sie mich Wrack eingesammelt und später in die Notaufnahme gebracht und wahrscheinlich war es nur eine Frage des Glücks gewesen, dass ich an dem besagten Tag nicht mit Zwangsjacke in die geschlossene gesteckt worden war, bei dem Scheiß den ich angestellt und dem wirren Blödsinn, den ich hinterher erzählt habe. John hatte ich es erzählt, weil er mir als Derjenige erschienen war, der mir am neutralsten gegenübertreten würde und ich hatte Recht behalten. Er hatte sich die ganze Story angehört und mir sehr eindringlich geraten, eine Therapie anzufangen.

Mein Arzt, der Therapeut, einer der renommiertesten in Österreich war der Letzte im Bunde, mit dem ich gesprochen hatte. Sehr bald, nachdem das alles geschehen war, hatte ich in der Klinik gestanden und eine Menge Überredungskunst gebraucht, um nicht auf eine monatelange Warteliste gesetzt zu werden. Wahrscheinlich hatte es noch mehr daran gelegen, dass ich ein millionenschwerer Privatpatient war aber am Ende war es mir scheißegal gewesen. Ich wollte nur meine Sitzungen, die ich zwei bis drei Mal in der Woche durchzog.

Wie paradox es war, dass ich selbst nach all dem derjenige gewesen war, der wochenlang einen Horror durchlebt hatte. Eine Mischung aus Selbsthass, Verachtung, Schuldgefühlen, all meinen alten Sorgen und Ängsten. Lange hatte sich diese Verzweiflung fern von mir gehalten und war dann umso heftiger zurückgekommen. Am Ende war ich froh, dass irgendwo in meinem Kopf doch nicht ein paar Synapsen ihren Dienst gemacht hatten und ich nicht einfach losgezogen war, um all dem ein Ende zu setzen. Denn es gab Menschen, die noch immer zu mir hielten, die mich liebten und für die hatte ich mich zusammengenommen.

In between  /RAF CamoraWhere stories live. Discover now