8|| MORLE, DER TEUFEL

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Amanda

»Wer entdeckte Amerika?«

»Christoph Kolumbus, aber er glaubte in Indien zu sein. Deswegen nannte man die Ureinwohner dort Indianer. Wann entdeckte er Amerika?«

»1492. Er erreichte eine Insel der Bahamas. Wann wurde Kolumbus geboren?«

»1451. Wann und wo starb er?«

»Er starb im Mai 1506 in Spanien.«

»Richtig.«

»Okay, Themenwechsel. Ich würfle ...«

Der Montagvormittag ist wie im Flug vergangen und die Stunden ziehen in Sekunden an mir vorbei.
Es ist schon acht Uhr abends und Kilian und ich telefonieren seit drei Stunden am Stück miteinander.
Wir haben den Montag zu unserem ganz persönlichen Geschichte-lernen-um-Merlin-in-den-Arsch-zu-treten-Telefonat-Tag gemacht an dem es sich, wie im Namen, rund um Daten, Fakten und die Vergangenheit dreht.

Ich gestehe mir selbst, dass ich es liebe für Geschichte zu lernen. Auch wenn ich Miss Merlin nicht ausstehen kann, weil sie sich einfach falsch verhält, sind ihre Stunden doch eine Bestätigung, dass ich einmal gut bin, in dem was ich sage.
Geschichte ist mein Lieblingsfach, meine kleine persönliche Leidenschaft, die ich mit meinem besten Freund teile.

Wir haben ab spätestens sechs Uhr am Montag unser eigenes Ritual.
Nämlich auf dem Bett liegen, den Laptop auf dem Schoß, einen Zufallsgenerator auf dem Handy geöffnet und Karteikarten in der Hand.

Zum Spaß lassen wir uns dann einen Buchstaben suchen, zu dem wir ein geschichtliches Ereignis, eine Stadt, einen Namen oder ein Stichwort finden und dann stellen wir uns alle möglichen Fragen, die uns dazu einfallen.
Nebenbei gilt es, die Antworten des jeweils anderen zu kontrollieren, gegebenenfalls zu korrigieren und bei eigenem Nichtwissen aufzuschreiben und lernen.

Um das Ganze nach mehreren Wochen nicht langweilig zu gestalten, schicken wir uns die Woche über jeden Tag abwechselnd einen Bericht, eine neue Person oder ein Bild über das wir uns dann informieren, um unseren Wissensstand jede Woche zu erweitern.

Ich habe nie gedacht, dass mir das Lernen einen solchen Spaß machen würde, aber ich amüsiere mich unglaublich und ich weiß, dass es Kilian ähnlich geht.
Wir sind wie besessen, so verrückt das auch klingt, und unglaublich ehrgeizig und fokussiert.
Und das alles nicht einmal, um Miss Merlin etwas zu beweisen, sondern vor allem auch aus Spaß. Wir wollen all das wissen.

»L

»Luther?«

»Okay. Voller Name und wann geboren?«, fängt Kilian zu fragen an.
Ich überlege einen Augenblick.
»Martin Luther und geboren am zehnten November 1483 in Eisleben. Womit beschäftigte er sich zu Lebzeiten und warum ist er bekannt?«

»Er war Augustinermönch und Theologieprofessor und übersetzte ab 1521 die Bibel aus dem Griechischen und Hebräischen, um das Volk über das wahre Wort Gottes aufzuklären.
Wer waren seine Eltern und war er verheiratet?«

»Ähm ... Ja, er war bis zu seinem Tod mit Katharina von Bora verheiratet und seine Eltern waren Hans Luder und Margarethe Luther.«

Kilian nickt durch den Bildschirm und notiert sich etwas auf eine türkisfarbene Karteikarte.

Unser Fragespiel geht noch einige Zeit weiter.
Erst um zehn Uhr beschließen wir unsere Bildschirme zuzuklappen.

»Bis morgen, Lil' Sister.«
»Schlaf gut, Lili.«

Ich warte bis er auflegt und mein MacBook das Bild verschwinden lässt, mit dem ich Kilians Kontakt eingespeichert habe. Es ist ein Bild, dass schon sehr alt ist. Kilian und ich sind darauf abgebildet und bauen mit unseren fünf Lebensjahren eine Sandburg.
Wir versuchen es zumindest ...

SHOULDER TO SHOULDERWhere stories live. Discover now