42|| ZIMTSCHNECKEN UND LIEBE

556 34 9
                                    


Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich an einem Montagmorgen voller Euphorie und guter Laune aus meinem Bett hüpfe und im Badezimmer verschwinde, um mich anzuziehen und frisch zu machen.

Auch wenn ich die Nacht über nicht viel geschlafen habe, weil ich es mir nicht nehmen lassen konnte, Carter heimlich durch das Fenster zu beobachten und mir dabei auf die Lippe zu beißen, weil er oberkörperfrei und mit einem Buch in der Hand einfach zu gut aussieht, bin ich hellwach und die Zeit zum Frühstücken kann mir gar nicht schnell genug vergehen.

In Lichtgeschwindigkeit trinke ich meine Tasse Kaffee und verschlinge ein Croissant nur um dann sehnsüchtig die Uhr zu beobachten wie sie ihre langsame Runde dreht.

Mum und Dad beobachten mich mit einem Grinsen. Sie wissen genau, wieso es mir heute nicht schnell genug gehen kann und scheinen von meinem Verhalten ziemlich amüsiert.

»Dieses fette Lächeln wird die gesamte Woche nicht mehr von deinen Lippen weichen, oder?«, fragt Mum und schlürft an ihrem Tee, während ich entschieden den Kopf schüttle.

Nein, unter keinen Umständen.
Da kann Miss Merlin mir noch so viele Steine in den Weg legen und Mister Brown seine unangekündigten Vokabeltests schreiben.

Die Tatsache, dass Carter zurück ist und von nun an mit uns zur Schule gehen wird, wir wieder Nachbarn sind und nicht mehr voneinander getrennt werden, macht mich zum glücklichsten Menschen auf diesem Planeten.

»Na, geh schon rüber, Motti, und richte Valerie und Melania einen guten Morgen aus. Dein sehnsüchtiger Blick ist ja nicht zu ertragen«, schmunzelt Dad und kneift mir in die Seite, ehe er mir einen Kuss auf die Wange haucht und mit seiner Kaffeetasse ins Wohnzimmer schlurft.

Wie von der Tarantel gestochen erhebe ich mich und schnappe mir meinen Rucksack, seine Worte ernstnehmend und einfach ein bisschen früher bei unseren Nachbarn auflaufend.

Ich höre meine Eltern lachen, als ich aus dem Haus renne und nicht mal Zeit habe, mich vernünftig bei ihnen zu verabschieden.

Vielleicht ist mein Verhalten ein wenig übertrieben, ich habe erst gestern mit Carter durch unsere Fenster geredet, trotzdem vermisse ich ihn und kann es kaum erwarten, ihn gleich wiederzusehen.

Ein wenig stürmisch öffne ich das Gartentor des Nachbarhauses und laufe über den schmalen Weg aus Steinen durch den so vertrauten Vorgarten zu der Haustür mit den bunten Glasscheiben.
Keine Sekunde zögernd drücke ich auf die Klingel und warte auf die trippelnden Schritte meiner Nachbarin.

Wie immer dauert es eine kleine Weile, aber dann ist das Klimpern von Schlüsseln zu hören und mit einem riesigen Lächeln öffnet Melania mir die Haustür.

Sie trägt einen weißen Bademantel und hat Lockenwickler in ihren grauen Haaren.

»Amanda, Liebes! Komm rein!«
Mit einem wissenden Grinsen öffnet sie mir die Tür und lässt mich eintreten.
Nur zu gerne komme ich ihrer Aufforderung nach.

»Carter ist noch oben und zieht sich an. Er trampelt schon seit Stunden durch das Haus. Ich glaube, er hat vor lauter Vorfreude nicht ein einziges Auge zugetan.
Aber komm mit in die Küche, Liebes, Valerie und ich haben Zimtschnecken gebacken.«

Sie winkt mich durch das Foyer in Richtung Küche und ich folge ihr und dem leckeren Geruch nach Zimt und Zucker.
Der Frühstückstisch ist reichlich gedeckt mit Obst und Gebäck und Valerie sitzt, ebenfalls in einem kuscheligen Bademantel, am Esstisch und steht mit warmem Blick auf, als sie mich entdeckt.

»Guten Morgen, Amanda.«
Sie zieht mich in eine mütterliche Umarmung, die mich von innen heraus erwärmt, weil ich so überwältigt von ihrer Offenheit und Herzlichkeit bin.

SHOULDER TO SHOULDERWhere stories live. Discover now