*17. Kapitel*

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Nachts stieß ich erschöpft meine Zimmertür auf.
Es war inzwischen 3 Uhr morgens und ich war froh, als endlich ein paar andere aus dem Polardorf die Party verlassen hatten und ich mich unbemerkt darunter mischen konnte.
Ich hatte viele neue und nette Leute kennengelernt und plötzlich kam mir mein Dorf gar nicht mehr so fremd vor.
Taavi lief neben mir und rollte sich schon vor mir auf seinen Decken zusammen, steckte seinen Kopf unter seine Pfoten und war eingeschlafen.
Ich schaffte es gerade noch, meine Schuhe auszuziehen und mich auf mein Bett zu schmeißen, dann umfing mich auch schon der Schlaf.

Am nächsten Tag weckte mich die Sonne.
Grummelnd stand ich auf, fischte mein Handy von meinem Nachttisch und machte es an.
Mein Sperrbildschirm leuchtete mir entgegen und ich schaute auf die Uhr.
12:06 Uhr stand dort in weißen Lettern.
Ich gähnte und fuhr mir mit meinen Fingern durch meine zerzausten schwarzen Locken.
Dann stand ich auf und ging erst mal Zähne putzen und mich umziehen.
Als ich zurück kam, war Taavi auch wach und schaute verschlafen vor sich hin.
,,Guten Morgen... naja, eher Mittag", begrüßte ich ihn und setzte mich auf mein Bett.
,,Hast du Hunger?"
Mein Bauch ist eine leere Höhle und du fragst mich allen Ernstes, ob ich Hunger habe?, fragte Taavi empört.
Ich grinste nur und zuckte mit den Schultern.
,,Dann komm!", meinte ich und zog mir Jacke und Schuhe an.
Als ich nach draußen trat umfing uns verhältnismäßig warme Luft dafür, dass es Herbst war.
Das Dorf lag ruhig da, wahrscheinlich schliefen die meisten noch.
Auch die Kantine lag ziemlich still da.
Kurz fragte ich mich, ob heute wirklich Samstag war, doch ich verwarf meine Zweifel schnell wieder.
Klar war heute Samstag!
Ich holte mir ein Tablett und holte mir von der Köchin Gulaschsuppe und für Taavi ein Stück Robbenfleisch.
Ich wusste nicht, ob das mit dem Robbenfleisch legal war, aber wahrscheinlich schon.
In der sonst so überfüllten Mensa saßen nun nur an zwei Tischen kleine Grüppchen, die sich leise unterhielten.
Anhand ihrer Seelentiere wahrscheinlich aus dem Savannen- und Bergdorf.
Schnell aß ich meine Suppe auf und auch Taavi verschlang sein Essen.
Dann brachte ich mein Tablett zurück.
,,Kommst du mit zu Emilia?", fragte ich den Polarfuchs, als wir vor dem Schulgebäude standen.
Taavi schüttelte den Kopf.
Nein, Ich gehe zu Milan, antwortete er.
,,Ah, ihr versteht euch also doch gut!", bemerkte ich.
Nein, ich mag nur Jaro nicht, rechtfertigte mein Seelenpartner sich.
Ich zog meine Augenbrauen hoch und lachte.
,,Du gehst also lieber zu deinem natürlichen Feind, als zu Jaro?"
Taavi nickte beleidigt, dann machte er auf dem Absatz kehrt und stolzierte davon.
Sofort überkam mich ein schlechtes Gewissen, welches ich allerdings versuchte zu ignorieren.

Am Montag hatte sich die Stimmung zwischen uns wieder einigermaßen entspannt.
Morgens wurde ich von meinem Handy geweckt, warf einen Blick auf die Uhr und hatte sofort schlechte Laune.
Ich zog mir ein T- Shirt, oben drüber einen Pulli und Jeans an.
,,Taavi?", rief ich.
Der Polarfuchs schaute aus dem Eingangsbereich in unser Zimmer.
Was ist denn?, murrte er. Ich hab mich gerade gewaschen!
Ich lachte und ging zu ihm.
,,Ja, dann musst du deine Wäsche jetzt wohl leider unterbrechen. Wir müssen zum Unterricht."
Taavi schaute missmutig und trottete neben mir her zum Hauptgebäude.
Dort machten wir uns erst mal auf den Weg in die Mensa.
Als ich die Tür zur Kantine öffnete, schlug mir anders als sonst kein Lärmpegel entgegen, obwohl die Mensa so voll wie immer war.
Auch sonst wirkte die Stimmung ziemlich gedrückt und die Schüler unterhielten sich nur leise.
Verwundert schaute ich mich um, holte mir ein Brot mit Pfirsischmarmelade und setzte mich zu Emilia und Jaro, die bereits an unserem Stammtisch saßen.
Emilia hatte ein Marmeladenbrot, Jaro fraß gerade ein Eichhörnchen und Taavi gesellte sich mit einem Stück Fleisch zu uns.
,,Weißt du, was los ist?", fragte ich Emilia.
Diese zuckte allerdings nur ratlos mit den Schultern.
,,Ich habe absolut keine Ahnung..."

,,Alle Schüler bitte mit ihren Lehrkräften in die Aula kommen!", unterbrach eine Durchsage den Geschichtsunterricht und freudig schaute ich auf.
Auch Taavi hob erfreut den Kopf und wir folgten Sofie und dem Rest der Klasse nach unten.
In der riesigen Aula war die komplette Schule versammelt und vor dem Ausgang war ein Rednerpult aufgebaut.
Mir war nie aufgefallen, wie viele Klassen wir hier auf der Schule hatten.
In der Halle herrschte ein aufgeregter Geräuschepegel, ein paar Tiere bellten oder  knurrten und Vögel flatterten umher.
Ich hielt nach Emilia Ausschau und als ich sie entdeckte, lief ich zu ihr.
,,Was geht denn jetzt ab?", fragte ich verwirrt.
Emilia wollte mir gerade antworten, da fing eine Stimme aus den Lautsprechern an zu sprechen.
,,Liebe Schüler, liebe Lehrer! Wenn ich um ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte?"
Ich drehte mich schnell um und reckte mich ein bisschen, um einen Blick auf das Rednerpult zu erhaschen.
Dort stand ein braunhaariger Mann mit scharfen Gesichtszügen und einem eleganten Anzug.
Seine blaugrauen Augen musterten die Menge kalt und auf seiner Schulter thronte ein Geier.
Meine Nackenhärchen stellten sich auf und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Auch Taavis Fell hatte sich aufgestellt und er schaute mit zusammengekniffenen Augen zu dem Mann vor und schien zu versuchen, alle Informationen von ihm abzulesen.
Der Mann sprach weiter und seine Stimme klang kalt und rau.
,,Wie viele vielleicht schon mitbekommen haben, ist mein Name Valerian Messow. Da unser ehemaliger Schulleiter leider... abwesend ist, werde ich die Schule nun so lange führen, bis er zurück kommt ist. Doch da ich mit dem jetzigen Lehrplan nicht zufrieden bin, werde ich einige Änderungen vornehmen. Zuerst: wir werden kein Kunst mehr unterrichten."
Leise erhob sich ein wenig Protest und auch ich starrte fassungslos nach vorne.
,,Stadtdessen wird Kampfunterricht stattfinden."
Wieder kam Protest auf, doch Messow brachte diesen mit einer Handbewegung zum Schweigen.
,,Zweitens: der praktische Unterricht wird nur noch alle zwei Wochen stattfinden, stattdessen habt ihr normalen Unterricht. Drittens: wir werden die Regeln verschärfen. Wer gegen diese verstößt, wird aus Aryon verbannt."
Auf diese Worte folgte fassungsloses Schweigen.
Ich stand mit offenem Mund da und starrte nach vorne.
Was passierte hier?
Plötzlich fühlte ich, wie Emilia nach meiner Hand griff und ich nahm dieser und drückte sie.
,,Wir sind Seelenpartner! Wir werden uns nicht unterdrücken lassen! Die Menschen, die nicht so sind wie wir müssen uns akzeptieren. Doch wenn wir mit ihnen reden, werden sie es nicht einsehen, deswegen gibt es nur einen anderen Weg, um ihnen zu zeigen, dass wir auch respektiert und akzeptiert werden wollen: Krieg!", fuhr unser neuer Schulleiter fort und sofort erhoben sich laute Stimmen und Rufe.
Die ganze Schule war in Aufruhr.
Lukas? Was geht hier vor sich?
Ich lächelte traurig.
,,Ich weiß nicht. Aber uns steht keine leichte Zeit bevor."

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