Kapitel 12 ~ Das Ende

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Lurris Herz raste wie verrückt und auch das Pferd unter ihr schwitzte von dem straffen Galopp, zu dem sie es gezwungen hatte. Suchend hielt Lurri am Himmel nach Pinna Ausschau. Ihre Hand blutete, wo der Vogel beim Landen versehentlich seine Krallen in ihre Haut gebohrt hatte. Doch ohne Handschuh war Lurri nichts anderes übrig geblieben.

Da Lurri ihre Falkenweibchen für die Jagd abgerichtet hatte, suchte der Vogel instinktiv nach den Hunden, die eine Jagdmeute immer begleiteten. Sie hatte die Stadtmauern schon vor einiger Zeit hinter sich gelassen und erblickte den Waldrand, als sie über einen Hügel ritt.

Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!, flehte sie und trieb das Pferd weiter an. Der hohe Schrei des Falken ein Stück weiter erregte Lurris Aufmerksamkeit.

„Komm, lauf schneller", spornte sie das Pferd an und drückte die Beine fest an die Seiten des großen Leibes.

Augenblicke später erreichte Lurri den Waldrand und zügelte den Rappen. Die Zügel locker in den Händen lauschte sie auf die vertrauten Geräusche von Jägern. Zwischen den harschen Atemzügen des Hengstes vernahm sie dumpf ein Jagdhorn.

Schnell riss sie sich einige Stoffstreifen von ihrem Rock und schlang quer über ihre linke Schulter und ihre Brust. Sie pfiff einmal und einen Moment später landete Pinna auf der bandagierten Schulter. Lurri verzog das Gesicht, als sich die scharfen Krallen trotz der Bandagen in ihr Fleisch gruben.

„Hier lang." Geschickt wendete sie das Pferd und ritt weiter in den Wald hinein. Den Schmerz ignorierend konzentrierte sich Lurri ganz auf ihre Umgebung. Ihr Magen krampfte sich bei dem Gedanken zusammen, Elija zu verlieren.


Annähernd eine halbe Stunde hatte Lurri gebraucht, bis sie die Männer gefunden hatte. Neben den vier Ratsmitgliedern ritten noch fünf weitere Männer und einige Diener in einer kleinen Karawane über einen schmalen Waldweg.

Lurri viel ein Stein vom Herzen, als die Elija unter ihnen entdeckte. Gesund und munter saß er auf einem Schimmel und unterhielt sich mit Tullo.

Wenn ich dein Leben gerettet habe werde ich es dir zur Hölle machen, dachte Lurri und setzte das Pferd wieder in Bewegung.

Gerade als sie den Mund auf machen wollte, um den Männern zuzurufen, hörte sie Laub einige Meter entfernt rascheln. Sie wandte den Kopf in diese Richtung und entdeckte eine schwarze Gestalt, die auf einem Baum nahe der Jäger saß - in der Hand eine gespannte Armbrust.

Die folgenden Sekunden zogen sich wie Leim in die Länge: Der Attentäter drückte ab, der Bolzen schnellte von der Waffe, die direkt auf Elijas Brust gerichtet war. Lurri stieß einen Schrei aus und hob so schnell sie konnte die Arme. Laub, kleine Äste und Erde wurden von einem starken Luftsog nach oben gewirbelt – der Bolzen verließ seine Flugbahn und schlug in einem Stamm knapp hinter Elija ein. Aufgeschreckt verließ Pinna den Platz auf Lurris Schulter und flog in die Baumwipfel.

Ohne Zeit zu verlieren streckte Lurri eine Hand in die Richtung des Maskierten und schloss ihre Hand zur Faust. Der Mann keuchte und würgte, erschuf feinen Nebel um sich, der jedoch sofort wieder verblasste.

„Du kommt mir nicht davon", flüsterte Lurri und stieg vom Pferd.

Während sie auf den Mann zuging, waren die Männer aus ihrer Starre erwacht und eilten zu ihr. Elija hatte sie als erstes erreicht und schlang seine Arme um ihren zitternden Körper. Lurri verlor die Kontrolle über die Luft um den Mann, doch dieser konnte nicht entkommen. Die Lakaien des Rats hatten ihn bereits umstellt und hielten ihn fest.

„Bei alles Göttern, was hast du getan?", fragte Elija und Lurri konnte den Schock heraushören, der seine Stimme dünn machte.

„Dir dein Leben gerettet." Vorsichtig erwiderte sie seine Umarmung.

Lurri - Die Nymphen von Mirus (2)Where stories live. Discover now