Teil 1

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„Aua"
Mist, wieso hatte ich mir auch keine Handschuhe angezogen beim Umpflanzen meiner Kakteen? Es war doch klar, dass das nicht gut gehen würde. Schon gar nicht bei mir.
Darf ich mich vorstellen: Helena Meier, Tollpatsch, Kakteenliebhaberin, Besitzerin einer kleinen Studentenwohnung und gerade am Herausziehen eines Stachels aus meinem Ringfinger.

„Hahaha, das war sowas von klar" hörte ich hinter mir eine tiefe Stimme. Das durfte doch nicht war sein, wieso musste er ausgerechnet jetzt in meine  Wohnung kommen.
„Ich hab dir vorsichtshalber schonmal was mitgebracht" sprach er weiter und zog ein Pflaster aus seiner Jackentasche hervor.
„Halt die Klappe. So schlimm ist es gar nicht. Siehst du, es ist gar nicht der Rede wert" Mit einer schnellen Bewegung zog ich den Stachel heraus und bereute es sofort. Ein fieser Schmerz fuhr in meine Hand und nur mit Mühe konnte ich einen schmerzerfüllten Gesichtsausdruck verhindern. Diesen Triumph würde ich ihm nicht gönnen. Louis: mein Nachbar und immer zur Stelle, wenn ich wieder einmal Mist gebaut hatte, was super nervig war.

„Kannst du behalten. Es tut schon gar nicht mehr weh." Mit diesen Worten ließ ich seinen ausgestreckten Arm mit dem Pflaster in der Hand in der Luft verweilen und machte mich weiter ans Werk. Langsam verebbte der Blutfluss an meinem Finger und auch der Schmerz ging zurück. Zu meiner Linken hatte ich bereits den neuen Blumentopf mit etwas Erde gefüllt und setzte nun in einem weiteren vorsichtigen Versuch den Kaktus hinein und bedeckte ihn vorsichtig mit etwas Erde. Er war so schnell gewachsen, dass ich ihn nun schon zum zweiten Mal in ein größeres Gefäß pflanzen musste.
„Alles klar, sag Bescheid, wenn ich dir mal wieder helfen kann" Das verschmitzte Grinsen auf seinem Gesicht lies erkennen, dass er überhaupt nicht sauer war.

So war er eben. Er war einem nie lange böse und das war wohl seine beste Eigenschaft. Und wahrscheinlich auch seine einzig gute.
Es tut mir wirklich leid das zu sagen, aber mir fällt wirklich nichts mehr ein, was ich positiv über ihn erwähnen könnte. Alles was mir einfällt ist, dass er eingebildet, nervig, ein Aufreißer, Kotzbrocken und Sohn der wahrscheinlich reichsten Familie unserer Stadt ist. Letzteres war ihm ordentlich zu Kopf gestiegen: fast alle 6 Monate hatte er ein neues Auto, das neuste Handy und eine wunderschöne Altbauwohnung direkt neben meiner. Meine war jedoch nichtmal halb so groß wie seine.

"Jaha, das werde ich sicherlich machen", erwiderte ich ironsich und machte mich daran, den Kaktus zu gießen. Dann drehte ich mich wieder Louis zu und fügte in einem genervten Tonfall hinzu: "Gibts sonst noch was oder bist du wieder nur gekommen um mich zu nerven?"
"Auch wenn mir das wie immer einen riesen Spaß macht, bin ich eigentlich gekommen, um dich daran zu erinnern, dass nächste Woche das gemeinsame Grillen aller Mieter aus unserem Haus stattfindet und du dich noch nicht eingetragen hast, was du mitbringst. Also Lisa bringt Nudelsalat mit, Sara macht Pattys für Burger und ich kümmere mich um das Fleisch. Schau einfach auf der Liste, da haben sich alle anderen auch eingetragen." Mit diesen Worten überreichte er mir einen Zettel, den er aus seiner Hosentasche zog.
" Ich hab doch schon gesagt, dass ich nicht kommen will. Ich habe einfach keine Lust mir anzuschauen, wie du Lisa und Sara wieder anbaggerst. Da hab ich echt besseres zu tun. Und du weißt, dass ich außer dir keinen kenne", langsam war ich mehr als genervt. Ich hatte ihm letzte Woche bereits mitgeteilt, dass ich nicht kommen würde, aber er lies einfach nicht locker. Da ich bereits wusste, was er als nächstes sagen würde, fügte ich noch hinzu: "Und nein, ich will auch keinen kennenlernen."
"Das ist mal wieder so typisch für dich: Bloß nicht unter Leute kommen und ja keinen Spaß haben. Das könnte ja lustig sein. Also was bringst du jetzt mit? Kartoffelsalat ist glaube ich noch frei." Er war einfach unglaublich. Wieso lies er mich nicht einfach in Ruhe?!
"Du willst es gar nicht verstehen oder? Dir macht es Spaß, mich hier so zu nerven. Aber ich komme trotzdem nicht. Und jetzt geh einfach, ein paar Kakteen warten noch darauf, dass ich mich um sie kümmere. Also tschühüss!" Ich packte ihn am Arm und er lies sich von mir vor die Türe ziehen. Bevor ich ihm die Türe vor der Nase zuknallte, hörte ich ihn noch sagen: "Dann sperr nächstes Mal vielleicht lieber die Türe ab, wenn du nicht willst, das dich ungebetener Gast bei deiner ach so wichtigen Beschäftigung stört. Wir sehen uns dann nächste Woche beim Grillen. Bis dann."

Fuck you, dachte ich mir. Ich würde ganz sicher nicht auf dieses bescheuerte Grillfest gehen. Dort gingen neben Lisa, Sara und Louis nur noch die ganzen Rentner hin, die bei uns im Haus wohnten und auf keinen davon hatte ich große Lust. Schon gar nicht auf Lisa und Sara, die  in einer WG eine Etage unter mir wohnten. Sie waren exakt die Sorte Mädchen, die sich gerne von Typen wie Louis anbaggern liesen. Lange falsche Fingernägel, blondierte Haare , dicker Eyeliner und tiefes Dekolleté. Außer einem "Hallo" habe ich noch nichts mit ihnen geredet und das konnte gerne so bleiben. Solche Tussis waren ja eh nur an Nagellack und den neusten Schminktipps interessiert.
Aber stopp, ich wollte mich jetzt wirklich nicht mit diesen Leuten beschäftigen, der Besuch von Louis hatte mir schon genug die Laune vermiest. Daher ging ich auf Spotify und machte eine Playlist mit Liedern zum Mitsingen an und trällerte direkt mit Adame Levine los.

KakteenliebeWhere stories live. Discover now