Teil2

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Ich hatte heute noch einiges vor: einkaufen und meine Wohnung müsste auch mal wieder gesaugt werden. Aber Mist, ich hatte meinen alten Staubsauger ja wegwerfen müssen, da das Kabel gerissen ist. Vlt. könnte ich mal bei meinem älteren Nachbarn Hans nebenan klingeln und ihn fragen. Er war eigentlich immer daheim seit seine Frau vor 2 Jahren verstorben ist. Ich glaube, er trauert jeden Tag immer noch um sie. Das muss auch schlimm sein: da verbringt man sein ganzes Leben mit dieser Person, teilt allle Gedanken, alle Erinnerungen, alle Sorgen und Ängste und natürlich auch alle Erfolge und schöne Zeiten miteinander und von einen Tag auf den anderen ist man plötzlich ganz alleine. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, wenn einen diese Stille so erdrückt.
Aus diesem Grund besuche ich ihn manchmal und wir spielen ein bisschen Scrabble oder Mühle. Darin ist er noch richtig gut. Manchmal sitzen wir auch einfach nur so da und er erzählt mir von früher. Davon, wie er seine Frau Irene kennengelernt hat, wie sie ihre 2 Kinder bekommen haben und 5 Enkelkinder. Davon, wie sie öfter umgezogen sind, als er zählen kann, weil sie beide das Reisen so sehr liebten und von den ganzen Orten, die er schon besucht hat.

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Eine Stunde später kam ich mit vollgepackten Taschen wieder von meinem Shopping-Trip zurück und verstaute meine Einkäufe in den Schränken und Regalen. Dann machte ich mich gleich auf den Weg zu Hans. Unsere Wohnungen waren nur durch einen kleinen Flur im Treppenhaus voneinander getrennt, sodass ich nach wenigen Schritten auch schon vor seiner Wohnungstüre stand. Ich hob meinen Zeigefinger und drückte auf die Klingel. Ich konnte hören, wie es im inneren der Wohnung widerhallte. Ich lauschte, ob ich seine schlürfenden Schritte hören konnte, doch alles blieb still. Also klingelte ich nochmal, doch auch diesmal machte mir keiner auf. Mist! Außer Hans fiel mir keiner ein, den ich nach einem Staubsauger fragen könnte... okay doch, Louis fiel mir noch ein, aber dorthin würden mich keine 10 Pferde bekommen. Wenn ich etwas von ihm will, dann will er im Gegenzug ebenfalls immer etwas. Und darauf hatte ich heute wirklich keine Lust.

Zurück in meiner Wohnung sah ich mich nochmal genauer um: von einem kleinen Flur ausgehend gelangte man im mein Schlafzimmer, mein Bad und meine Küche. Und ich konnte deutlich sehen, wie der Staub auf dem Parkett tanzte. Auch von gestern lag noch einiges an Blumenerde unter dem Küchentisch, auf dem ich die Kakteen umgetopft hatte.
Es nützte ja alles nichts: früher oder später würde ich zu Louis gehen und ihn um den Staubsauger bitten müssen. Einen neuen zu kaufen war preislich bei mir zur Zeit eher auch nicht drin. Also konnte ich auch direkt rüber gehen und ihn jetzt fragen.

"Na sieh mal einer an. Ich dachte, du bist sooo genervt von mir?" Das waren die Worte mit denen er mich begrüßte. Ich war schon drauf und dran, mich einfach umzudrehen und wieder zu gehen. "Ach komm schon, sei nicht gleich eingeschnappt, nur weil ich dich nicht mit dem freudestrahlendsten Gesicht begrüße" fügte er hinzu, als er bemerkte, dass ich bereits jetzt schon keine Lust mehr auf ihn hatte.
"Alles klar, ich wollte eigentlich auch nur fragen, ob ich mir mal deinen Staubsauger ausleihen darf? Ich bring ihn dir in 20 Minuten wieder."
"Ja klar kein Problem, komm kurz rein", er öffnete die Türe ein Stück weiter und bedeutete mir mit einer Handbewegung, einzutreten. "Ich muss ihn nur schnell holen."
Huch, das ging ja einfach. Ich hatte erwartet, dass ich mit ihm diskutieren müsste oder das er sich zumindest etwas bitteln und betteln lassen würde bevor er ihn rausrücken würde.

Während er großen Schrittes eine Holztreppe in die obere Etage ging, schaute ich mich um. Ich hatte vorher noch nie die Gelegenheit dazu gehabt, weshalb ich jetzt versuchte, so schnell es ging, alles aufzunehmen: Ein kleiner Flur öffnete sich in sein riesiges Wohnzimmer, das wie in einem Loft durch eine hübsche Treppe mit der oberen Etage verbunden war. Durch hohe Fenster blickte ich hinaus in den Park, der sich an unser Haus anschloss. Zu meiner rechten war eine offene weiße Küche mit einer Kücheninsel, an der vier Barhocker standen. Einen Esstisch konnte ich nicht entdecken, aber stattdessen stand in der Mitte des Raumes eine L-förmige Couch. Alles in allem war es sehr modern eingerichtet, aber dennoch hatte es nichts von dem Charme des Altbaus verloren. Im Gegenteil: kleine Details wie die hübsche stuckverzierte Decke oder ein langer Kronleuchter unterstrichen alles perfekt. Die Wohnung entsprach genau meinem Stil. Genau das hatte ich mir immer für mein eigenes Haus später einmal vorgestellt.

"Sooo, hier bitte", Louis kam die Treppe runter und überreichte mir seinen kabellosen Luxusstaubsauger von Dyson. "Bring ihn mir einfach später wieder. Ach und: du schuldest mir jetzt was", fügte er Augenzwinkernd hinzu.
Ok, da war es. Ich wusste, dass er mich nicht einfach so ziehen lassen würde. Das wäre auch zu leicht gewesen. "Und was willst du?", genervt unterdrückte ich ein Augenrollen.
"Das weis ich noch nicht, aber es schadet ja nie, noch einen Gefallen von jemandem einfordern zu können."
Hätte ich zu diesem Zeitpunkt schon gewusste, welchen Gefallen er später einfordern würde, ich hätte diesen Staubsauger nicht einmal mit meinem Hintern angeschaut. Doch davon wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht und ich war mir sicher, dass er bestimmt so etwas fordern würde, wie, dass ich seinen Müll runterbringen muss oder ähnliches. Also stimmte ich zu: "Wenns sein muss. Also dann bis später", ich drehte mich um und ging zurück zu meiner Wohnung.


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