Teil 3

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Am gestrigen Tag hatte ich meine Wohnung dann noch gesaugt und anschließend den Staubsauger wieder zurückgebracht. Louis war irgendwie total seltsam drauf. Ich erinnerte mich nochmal zurück:
Ich war zu ihm rüber gegangen, hatte geklingelt und er hatte aufgemacht. Er war chic gekleidet: er trug ein Hemd und eine Anzughose. So etwas hatte ich vorher noch nie an ihm gesehen. Sonst war er immer cool gekleidet: mit lässiger Jeans und einem T-Shirt und einer Cap. Er sah auch nicht sonderlich glücklich mit seinem neuen Aufzug aus. Ja, er sah irgendwie sehr aufgewühlt aus.... ich konnte spüren, dass etwas anders war. Er grinste nicht wie sonst und er machte auch keinen dummen Spruch über mich. Er nahm den Staubsauger fast wortlos und wartete, dass ich wieder gehen würde. Den Gefallen tat ich ihm natürlich gerne.

Aber jetzt so rückblickend hätte ich vlt. mal nachfragen sollte, ob alles bei ihm okay ist. Andererseits geht mich das ja alles gar nichts an. Ich setzte mein Frühstück fort, das ich zum Nachdenken unterbrochen hatte und machte mich an meine morgendliche Lieblingsbeschäftigung: Zeitung lesen. Das mag vielleicht oldschool klingen, aber ich liebte es. Wenn die Tinte noch druckfrisch war und der Duft des Zeitungspapieres den Raum erfüllte. Am liebsten las ich den regionalen Teil. Es interessierte mich natürlich auch, was gerade in Amerika oder China los war, aber mit den regionalen Nachrichten war ich mehr verbunden.
"Unternehmensführer Mark Tomson verstorben - wer übernimmt die Leitung der Firma?" Das war die Titelheadiline, die mir ins Auge stach. Irgendwas daran lies mich stuzen: Tomson, den Namen kannte ich doch irgendwoher. Ich grübelte eine Weil darüber nach, ob einer meiner alten Klassenkameraden so hieß, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Louis Tomson, mein Nachbar. Mark Tomson musste sein Vater sein. Das erklärte auch sein gestriges Verhalten und seine Klamotten. Oh nein, und ich hatte ihn mit meinem Staubsauger genervt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es war, seinen Vater zu verlieren. Louis muss sich schrecklich fühlen. Ich überlegte, ob ich zu ihm rübergehen und ihm mein Beileid aussprechen sollte.

Eine Stunde später war ich zu dem Entschluss gekommen, dass das mehr als angebracht war. Also zog ich mir fix Schuhe an und machte mich auf den Weg zu seiner Wohnung. Mit zitternden Händen klingelte ich. In solchen Situtaionen war ich immer sehr unbehaglich, da ich nicht weis, wie man mit dem Tod am besten umgeht, was man am besten sagt oder ob man überhaupt etwas sagen sollte. Meine Gedanken wurden unterbrochen, als sich die Türe vor mir öffnete.
Da stand Louis, aber ganz anders als ich es erwartet hätte: Er hatte wieder seine normalen Klamotten an, ein Grinsen umspielte seine Lippen und er sah definitv nicht wie jemand aus, der gerade seinen Vater verloren hatte.
"Hey, ich wollte dir mein herzliches Beileid zu dem Verlust von deinem Vater aussprechen", fing ich an, doch sein Gesicht verfinsterte sich und er unterbrach mich: "Ja danke, aber das ist jetzt wirklich kein großer Verlust für mich, er war sowieso nie da. Die Firma hatte ihn immer so beschlagnahmt, dass er nie Zeit mit mir und meiner Schwester verbracht hat. Und jetzt tun alle so, als wäre er der beste Familienvater gewesen, den man sich hätte vorstellen können. Das kotzt mich so an."
Ähm okay, was erwiedert man denn jetzt auf so etwas? Vielleicht: 'Ach, na dann ist ja alles super gelaufen für dich, so hast du ihn wenigstens nicht mehr am Hals'oder eher: 'Ich bin mir sicher, er hat dich sehr geliebt und wäre traurig, dass du so über ihn redest'? Aber das alles erschien mir nicht angebracht, wir kannten uns ja kaum. Also sagte ich nur: "Oh, das tut mir leid zu hören. Also dann, werde ich wohl wieder gehen."
"Weist du, was mich am meisten ankotzt? Das ich jetzt diese bescheuerte Firma übernehmen soll. Ich verstehe ja, dass meine Mutter aus dem Rollstuhl heraus nichts machen kann, aber nur weil meine Schwester Medizin studiert und zu höherem geboren ist, muss doch nicht alles an mir hängen bleiben. Ich hab es so satt." Während er sprach, gestikulierte er aufgebracht mit seinen Händen. Wow, so wütend hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich wusste auch gar nicht, dass seine Mutter im Rollstuhl saß.. so alt war sie doch sicher noch nicht. Ich würde ihn gerne danach fragen, aber jetzt schien mir nicht der richtige Zeitpunkt dafür zu sein. Stattdessen versuchte ich ihn etwas aufzumuntern und sagte ironisch und mit einem Lachen in der Stimme: "Ja, das muss wirklich schlimm sein, wenn man plötzlich etwas arbeiten muss und nicht mehr nur den ganzen Tag daheim chillen kann." Das hätte ich mal besser nicht gesagt, denn was danach folgte war wirklich nicht lustig: "Du hast doch keine Ahnung was bei uns abgeht! Meine Mutter hält sich aus allem raus, weil sie nicht dazwischen geraten will. Mein Vater hat mir immer nur vorgeworfen, ich würde nichts aus meinem Leben machen und den Ruf der Firma in den Dreck ziehen, wenn ich dauernd mit einer neuen Freundin in der Zeitung erschien. Er meinte, ich wäre zu nichts zu gebrauchen außer zum Saufen und Geld ausgeben. Meine Schwester war immer die Heilige. Carlotta machte immer alles richtig: sie studiert das richtige, hat den richtigen Mann geheiratet - den Sohn einer anderen Firmenchefs -, hat die perfekte Tochter und das kotzt mich alles einfach nur an. Dauernd wurde ich mit ihr verglichen und konnte nie gut genug sein. Weißt du, wie es ist, das schwarze Schaf der Familie zu sein? Und jetzt wo mein Vater weg ist, bin ich plötzlich gut genug um seine Arbeit fortzusetzen? Also halt einfach die Klappe, du weißt gar nichts über mich." Mit diesen Worten knallte er mir die Türe vor der Nase zu. Es erinnerte mich daran, wie ich ihn vor 2 Tagen aus meiner Wohnung geschmissen hatte und es tat mir leid. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie es in seiner Familie wohl zugeht und niemals hätte ich mit so einer Geschichte gerechnet. Ich wollte mich entschuldigen, weswegen ich erneut klingelte.

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⏰ Last updated: Feb 14, 2020 ⏰

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KakteenliebeWhere stories live. Discover now