Yemalinh und Si

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Der Donnerstag kam schnell. Si öffnete mir die Tür des großen Hauses und führte mich nun rechtmäßig durch. Letztes Mal waren wir beide rasch verhindert, daher genoss ich seine Erzählungen über seine Familie. Wollte er, dass ich die Zusammenhänge verstand und nicht mehr wütend auf seine Mutter wäre? Ich hatte eine gute Erziehung, daher fragte ich ihn nicht und widersprach ihn auch in manchen Themen nicht. Viel zu groß war das Haus um alleine hier zu wohnen. Musste bestimmt sehr einsam gewesen sein und dann traf er auf meine kleine Schwester, wie süß. Seine Einsamkeit verflog und er fing mit dem ersten Schlag ihrerseits zu lieben an, doppelt süß. Die Umstände brachten sie wieder zueinander. Lei versicherte mir, dass das nur Freundschaft zwischen ihnen war. Shancai war sich ihren Gefühlen nicht sicher. Lei meinte auch, dass Si immer der Mann ihrer Träume bleiben würde, dreifach süß.
„Sag, was lief da wirklich zwischen Lei und dir?" fragte er mich im mittleren Teil des Hauses.
„Wie meinen?" verblüfft über diese Ansprache, neigte ich meinen Kopf zur Seite und starrte ihn verwirrt an.
„Ich hielt Lei nicht gerade für einen Jungen, der mit jemand ins Bett steigt und dann abwirft wie eine Seifenblase!"
„Für mich war er die Liebe auf dem ersten Blick!"
„Das gibt es nicht!" sagte er straff.
„Nicht, wieso wolltest du dann immer in Shancais Nähe verweilen?" fragte ich ihn unverblümt.
„Weil... Weil..."
„Siehst du, auch du hast keine Antwort darauf!" fühlte ich mich bestätigt und lächelte ihn zünftig an.
Auch der Dunkelhaarige sah mich verständlich an und führte mich zwei Stunden weiter, bis wir in der Küche ankamen und uns dort am Tisch zurecht machten. Si schien aufgeschlossener zu sein, daher übernahm ich das Reden.
„Du denkst, du hast die Liebe verloren. Ich habe Shancai am ersten Weihnachtsfeiertag gesehen und ich denke, sie würde dir gerne sagen, was zu sagen ist. Normalerweise sind Frauen schneller im Gefühle präsentieren, als Männer, daher würde es mich nicht überraschen, wenn sie es täte, wenn du den ersten Schritt machst."
„Meinst du wirklich? Ich denke, es liegt an Lei!"
„Shancai schaut Lei anders an als dich!" fügte ich hinzu, weil ich nicht sagen konnte, dass Lei und ich ein Paar werden würden.
Zu sagen, dass jemand ein anderen liebt, konnte nicht schlimm sein, wenn der Weg ins Glück ging.
„Außerdem ist es was anderes, weil du mit Lei schon ein Baby hast und ich werde dem nachkommen, um was Lei mich gebeten hat. Ich werde niemand von Baihu wissen lassen." stürmte es aus dem gutaussehenden Mann hervor.
„Ich weiß! Sie sagte, dass sie dir Schmerzen zufügte, die sie dir niemals hätte zufügen wollen. Beinahe hätte sie den Verstand verloren, weswegen sie wohl Lei küsste, oder andersherum."
Shancai sagte zwar, dass Si nicht ihr Typ sei. Die Wahrheit war, dass größere Schwestern immer ein besseres Feeling für derartige Dinge hegten. Sie liebte Si und das konnte sie nicht weiter vor sich herumschieben.
„Mit solch einer Liebe, sollte sie glücklich sein. Es liegt an ihr, dass ist fair. Stolz kann dich auch verletzen, entschuldigt hat sie sich bereits.
Si schien zu überlegen, während er sein Laptop hochfuhr und den Vertrag aufsuchte.
„Ich bin manchmal verunsichert. Sie gibt mir Kontra und dann lässt sie die Blicke auf Lei fallen. Sie kam zu dem Date und küsst schließlich Lei. Ich..."
„Si..."
„Ja?"
Ich neigte meinen Kopf zur Seite und schüttelte unwillkürlich den Kopf. Anschließend beugte ich mich über den Tisch, riss sein Laptop unter seinen Fingern weg und streifte seine Hand. Ich las mir seine roten Notizen durch und nickte verständlich. Eine Zeile entfernte ich und nannte sie um:

»Ich werde Daoming Si als Partner akzeptieren.«

„Was hast du mit diesen Worten vor?" wollte Si kläglich wissen.
Er bekam nicht mit, dass ich diesen Vertrag seiner Mutter sandte. Diesen Satz fügte ich am Ende des Vertrages ein, sodass seine Mutter alles lesen musste um das Wichtigste festzustellen, dass ich sie niemals als Leitung akzeptieren werde.
„Wirst du schon sehen? Nun sollten wir uns um deine Belange kümmern." musterte ich ihn empathisch.
„Was genau meinst du?"
„Fahr mit nach Kanada! Sei, was sie von dir erwartet ohne dich ganz aufzugeben."
Der Dunkelhaarige schien verwirrt zu sein.
„Bist du dumm?" sagte ich ihm offen.
Bevor er gekränkt sein konnte, schnappte ich seine Hand und blinzelte ihm liebevoll zu.
„Ich spiele Shancai und du bist einfach du. Wir proben jetzt."
„Muss das sein? Das hatte ich schon mit Meizuo und Ximen ertragen müssen!" verlangte Si und stand widerwillig auf.
„Jungs, können das nicht so begrifflich erklären."
„Allerdings war auch Meizuo derjenige, der mir riet zehn Minuten eher zum Date zu erscheinen."
„Deswegen ist wohl auch Meizuo zu spät gekommen."
„Willst du sagen, wenn Meizuo pünktlich gewesen, hättest du dich für ihn entschieden?"
„Wäre ich jedenfalls Lei nie so begegnet. In der Oberschule ward ihr alle schon sehr belagert, daher kannte ich nur Meizuo. Schon am ersten Tag des letzten Schuljahres, setzte er sich zielgerecht zu mir in die letzte Reihe."
Ich gesellte mich zu ihm an die Garderobe. Er riss mir meine Jacke aus der Hand und schnappte sich vor mir den Schal. Seine Hand fand sich auf meine Schulter wieder, ehe er mich anzog. Mit erhobenen Augenbrauen sah ich ihn munter an.
„Du hast doch gesagt, ich soll ich selbst sein! Zu viel?" fragte er verunsichert.
„Nein, natürlich nicht. Ich habe nicht gedacht, dass du so sanft sein kannst!" bestätigte ich ihm sein Handeln.
Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und öffnete mir die Tür.
„Ich verstehe allmählich, was Lei und Meizuo mit ihren Worten meinten. Schon damals hatte ich innerlich das Gefühl, dass Beide von demselben Mädchen sprachen. Vor allem, als Beide fernab voneinander den Ausdruck ‚Frau Unabhängigkeit' ins Spiel brachten."
„Frau Unabhängigkeit?" wiederholte ich Si um zu verstehen, worauf er hinauswollte.
Ich konnte es nicht herausfinden, was ich je wollte und Besonderes war ich auch noch nie. Für Lei war damals Jing besonders. Und war es möglich das ich für Meizuo wie Leis Jing war? Meizuo strich mir einmal im Unterricht über die Fingerkuppen und lächelte mich vergnügt an. Noch bevor er sagen konnte, schrieb mir einen Zettel und legte dies in der Pause in mein Mäppchen. Hatte ich diesen Zettel nicht noch irgendwo? Ich wusste es nicht.

»Du bist die Art von Frau, die ein Mann will aber nicht unbedingt braucht.«

„Ich kann mich ganz gut daran erinnern, wie Meizuo von dir schwärmte und wie Lei dich sah. Beide sagten nicht immer dasselbe über dich, aber im Großen und Ganzen waren sie immer in Gedanken bei dir. Bei jedem Spiel schienst du ihnen das Pokerface zu vermitteln, welches sie am Ende an dir verloren."
Si öffnete mir seine Wagentür und stieg schließlich auf die Fahrerseite ein.
„Meizuo erzählte, dass du wie ein Boss läufst, wie einer redest, dich bewegst und benimmst. Manikürte Nägel hast du den Krieg erklärt. Lei erzählte, dass du clever und mühelos warst. Du lässt ihn darüber nachdenken sich einzumischen, in Dinge, die er früher für unnötig hielt. Diese Art von Frau wollten Beide und verliebten sich schließlich in dieselbe."
Si erinnerte sich so tiefgründig an diese Gespräche, dass ich fast zu glauben begann, was er sagte.
Wenn es wirklich so wäre, wieso ist das Selbst- ein anderes als das Fremdbild, formulierte ich meinem innerlichen Monolog. Erinnerungsvoll ließ ich Rückblende in meinem Kopf geschehen und dachte an eine Nachrichtensituationen.

Huaze Lei
»Willst du nicht kommen und ein bisschen Zeit mit mir verbringen?«

Dong Yemalinh
»Keine Sorge, ich habe es geregelt. Ich komme vorbei.«

Frauen, die auf eigenen Beinen stehen können, haben etwas, meinte Lei damals. Er sah stolz in die Ferne und wusste, dass es für immer sein würde. Meizuo berichtete, dass er Frauen, die seine Hilfe nicht brauchen, mehr antun.
„Du arbeitest und spielst und lebst mit einem kleinen Auto und einer kleineren Wohnung als Standard. Du arbeitest um deine Rechnungen zu bezahlen. Auch ich finde, dass du einzig und allein ein geborener Chef bist. Du wartest ab, und rätst allen Unterlegegen zu verschwinden."
Si drückte auf das Gaspedal und lächelte verschmitzt. In meinen Augenwinkel erkannte ich, dass er sich in das Lenkrad krallte.
„Was verheimlichst du, dass du fast schon platzt?" versuchte ich es ihm zu entlocken.
„Ich weiß noch, dass ich diese Frau unbedingt kennen lernen wollte. Diese Frau, die das stumme Herz von Lei lieben konnte und den humorvollen Meizuo in die Knie zwingen konnte."
„Bist du enttäuscht?"
Sprunghaft bremste er an der Ampel und sah ernst zu mir hinüber. Er schüttelte den Kopf und lächelte erneut.
„Nein, du hast meinen Erwartungen übertroffen. An eine Frau, wie dich, habe ich gar nicht gedacht!" gab er offen zu.
Er schien das Band der Freundschaft wirklich ernst zu nehmen. Wir fuhren quer durch Shanghai, bevor er einige Wendungen absolvierte und bei einigen Ampeln stehen blieb, kehrte Stille zwischen uns ein. Ich hätte seine Erwartungen übertroffen? An welche Art von Frau dachte er wohl, wenn er unbewusst an mich vorstellte? Sollte ich das jemals wissen wollen? Ich glaube nicht. Si hatte klare Strukturen und doch schien sein Verhalten sehr ungeordnet zu sein.
Wenn ich an mein jüngeres Ich zurückdachte, fiel mir einige Momente ein, die ich hätte nie erlebt wollen und doch verhalf mir dies um eine Erwartung reicher zu werden. Ich wollte reifer werden und da sollten die Schmerzen ebenso eine Tragfläche hegen. Wer keinen Schmerz erlitt, sollte seinen Mund halten. Und niemand verurteilen, der durch die größte Scheiße ging um doch an derselben Stelle zu stehen. Ich war stolz auf mich und ohne Eigenlob stinken zu lassen.
Ich konnte mich noch immer sehen, wie aus dem schüchternen Mädchen eine Frau geworden ist, an der Stelle jedes Mädchen gerne stehen würde. Ich wollte wissen, was aus mir werden würde, wenn ich nicht aufgab und ich freute mich, dass ich mich so kennenlernen durfte.
Manche Männer glaubten, ich sei unter ihrer Würde und kamen angekrochen, als ich Karriere machte. Ein Gerücht kam auf und ich glaubte es selbst nicht, dass ich manche Männer unter meiner Würde empfand. In Seoul galt ich als eine Frau, die so noch nie existierte. Wie sollten sie mich beurteilen können, wenn sie nur Ausschnitte aus meinem Leben fotografierten und interpretierten?
„Yemalinh... hallo... hörst du mir zu?"
Erschrocken riss ich meine Augen auf und sah zu meinem Nebenmann.
„Entschuldige, ich war in Gedanken, was hast du gesagt?"
„Hat Lei wirklich so einen tollen Körper, dass du anfängst zu sabbern?" meinte er sicher.
Ich berührte meine Lippen und fühlte mich von Si verarscht. Daher nahm ich die Hand und legte diese auf seine, die sich auf dem Lenkrad ruhte. Ich kam mit meinem Gesicht nah an seines und sagte provokant:
„Wo befindet sich den Sabber, dann kannst du es auch gerne wegwischen? Denn, wer zuerst etwas sieht, muss es wegmachen."
„Das ist gemein, du wirst das nie sehen können; außer du siehst in den Spiegel!"
Und das würde ich hier und jetzt sicher nicht tun. Si nahm ein Taschentuch aus seinem Seitenfach und kicherte, als er mir die trockenen Mundwinkel abwusch.
„Außerdem ist Lei der schönste Mann, gleich nach Lee Jung-Shin."
„Wer ist Lee Jung-Shin?" fragte Si augenblicklich leicht irritiert nach.
„Ein südkoreanisches Mitglied der Band: CN Blue. Wo bist du denn aufgewachsen?" stöhnte ich wie ein Groupie auf und kicherte gespielt wie ein Schulmädchen.
„Warte, wenn ich das Lei erzähle..."
„Was willst du ihm erzählen, wenn er es bereits weiß?" errichtete ich meine Provokation weiter.
„Du spielst die Rolle als Shancai sehr gut." gab er zum Themawechsel zu und kicherte ebenso.
Wir stiegen in einer gutbesuchten Meile aus und liefen nebeneinander durch diese Strecke. Die Menschen kamen uns entgegen, verloren hatten wir uns demnach nicht. Si zog mich schließlich in eines dieser Einkaufszentren und schleppte mich erst durch das Untergeschoss hinauf zum Erdgeschoss. Keuchend vom schnellen Rennen versuchte ich die angehenden Schmerzen in meinen Seiten zu ignorieren. Wieso war das nur so groß?
„Si, du hast längere Beine..."
„Und du hast dafür die Schöneren!" mahnte er mich um Stille.
Zum ersten Mal tat ich das was man mir sagte und stiefelte im selben Tempo hinter ihm her. An jedem Laden sprinteten wir vorbei. Auch an dem, in dem meine Schwester derzeit Dienst hatte. Im Augenwinkel erkannte ich, dass sie mit dem Rücken zu uns stand. Mit größeren Augen hielt ich dem stand, was mir bot. Ximen, Meizuo und Lei standen vor dem Laden. Um sie herum eine Handvoll Mädchen. Sie schwärmten über die Drei, schossen Fotos und kauften sich einen Milchtee. Als ich Lei lächeln sah, schoss die Eifersucht auf. Worauf ich Si zurückhielt, weiter zu laufen.
„Was ist?"
Er folgte anscheinend meine Blicke und nickte neben mir. Das merkte ich, weil er dabei lächelte. Interessiert ging er auf die Meute zu und zog mich hinterher.
„Ich bin keine Marionette, man!" giftete ich ihn an und verzog meine Grimasse.
„Gibt es hier etwas umsonst?" fragte Si neugierig.
Die Handvoll Mädchen wandten sich zu dem Dunkelhaarigen. Ich wollte die Flucht nach innen ergreifen, als Si mein Handgelenk schnappte und mich durch die Menge chauffierte. Mein Handgelenk machte heute viel mit, dachte ich und stoppte vor Lei.
„Yemalinh!" hörte ich die Stimme von Lei; überrascht.
„Si!" ertönten die Stimmen von Meizuo und Ximen.
„Was macht ihr?" fragten wir Fünf wie im Chor.
Erschrocken über diese Erkenntnis fuhren wir leicht zurück. Ich wandte mich zu Si und meinte:
„Willst du auch einen?"
Si nickte und tippte auf einen mit Pfirsichen. Schnell verschwand ich in das Innere und bestellte zwei Milchtees. Während ich bei Shancai bezahlte, hörte ich auch schon die Frage:
„Du bist mit Si unterwegs?"
„Ja, wir teilen uns manchmal das Bett miteinander."

Hibiscus GardenWhere stories live. Discover now