Lektion 1: Während der Apokalypse findet man keine passenden Klamotten!

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"Also irgendwie passt der nicht...", murmelte Liena leise vor sich hin. Sie stand in der Umkleidekabine eines kleinen verlassenen Klamottenladens und beäugte sich kritisch im Spiegel. Kurz hielt sie in ihrer Betrachtung inne und lauschte, konnte jedoch keine beunruhigenden Geräusche ausmachen. Deshalb wandte sie sich wieder ihrem Spiegelbild zu. Der BH stand ihr nicht. Er war zu klein. Seufzend riss sie mit Schwung den Vorhang der Umkleide zur Seite und lief nur mit dem BH und Jeans bekleidet quer durch den Laden. Sehen würde sie sowieso niemand. Sie griff sich einen neuen BH von der Stange und lief wieder zurück. Aufmerksam sah sie sich im Laden um und warf auch einen Blick aus dem Schaufenster nach draußen. Nichts Auffälliges zu sehen.

"Argh!" Wütend stampfte Liena mit dem Fuß auf. Warum gab es hier nirgends passende Kleider? Entweder waren sie zu groß oder so klein, dass sie kaum darin atmen konnte. Scheiß Apokalypse.

Wieder ging sie zu einem erneuten Streifzug durch den Laden. Die Pistole zu ihrer Sicherheit in ihrem Hosenbund.
Letzten Endes fand sie dann doch etwas, dass sie nicht aussehen ließ wie ein Sack oder eine Presswurst. Eine neue Jeans, in der sie sich gut bewegen konnte, einen Pullover sowie eine grüne Jeansjacke mit Fellkragen, zu der sie einfach nicht nein sagen konnte. Ein passender BH jedoch war einfach nicht auffindbar.

Zur Kasse brauchte sie nicht zu gehen, da stand niemand dahinter. Auch musste sie sich keine Sorgen machen, dass die Sicherheitsmelder angehen würden. Der Strom war weg, genau wie die meisten Menschen. Wenn sie nicht schon Zombs oder tot waren, hatten sich alle verkrochen und versuchten irgendwie zu überleben. So auch Liena. Gerade war sie außerhalb ihres sicheren Unterschlupfs unterwegs und befand sich somit eigentlich in größter Gefahr.

Denn Zombs schienen es riechen zu können, wenn irgendetwas Menschliches in ihrer Nähe war. Aber Liena wusste sich zu wehren. Nicht umsonst trug sie die Pistole in der Hose, das kleine Messer in ihrem linken Stiefel und eine Holzkeule.

Sie hatte keine Angst, es mit einer Horde Zombs aufnehmen. Nicht mehr. Anfangs konnte sie sich vor Angst kaum bewegen, wenn sie einem Zomb gegenüberstand, aber das hatte sie mittlerweile abgelegt. Das Kämpfen hatte sie von Josh gelernt, die Furchtlosigkeit musste sie sich allein erarbeiten.

In Zeiten wie diesen konnte man keine Angst gebrauchen. Angst lähmte und im Angesicht einer Gruppe Zombs bedeutete sie den Tod. Beziehungsweise ein kurzes Leben als Zomb das nicht lebenswerter war.

Die Viecher waren einfach eklig. Seit Liena von zu Hause ausgerissen war, hatte sie schon viele verschiedene Zombs gesehen. Im Grunde waren sie allemal Menschen, aber Liena hatte ziemlich schnell festgestellt, dass ein Zomb verschiedene Stadien durchlebte. Bis sie kam und ihnen den Kopf wegschoss. Genauso wie die Angst war auch das Gewissen etwas, dass sie nicht gebrauchen konnte.

Wenn sie die Zombs ansah, sah sie eklige, verwesende Körper, aber keine Menschen mehr. Es fiel ihr dann leichter, ihnen den Kopf wegzupusten. Schließlich versuchte sie sich nur selbst zu schützen. Außerdem waren die Zombs tot besser dran als lebendig. Zumindest versuchte Liena, sich das immer einzureden. Doch nachts, wenn sie allein war, konnte sie ihr Gewissen nicht verdrängen. Niemand war da, um sie zu trösten und so weinte sie sich in den Schlaf.

Auch Schwäche war so eine Sache, die sie nicht zeigen durfte. Zu niemandem. Auch wenn sie allein war, versuchte sie doch, so oft es ging, stark zu sein, anders hätte sie sonst schon längst aufgegeben.

Es war ein elendes Leben, das sie im Moment führte. Die ganze Zeit auf der Flucht und Hut vor den Zombs, die von Tag zu Tag mehr wurden. Essen war schwer zu bekommen, da die Überlebenden alles, was sie kriegen konnten, horteten. Es war der Kampf um das pure Überleben. In einer kleinen muffeligen, leerstehenden Kellerwohnung.

Und zu der war Liena jetzt wieder unterwegs. Sie fühlte sich gut in ihren neuen Klamotten. Sauberer. Auch Wasser war in Zeiten wie diesen zu einem Luxus geworden.

Signs of CainWhere stories live. Discover now