5*

2.4K 172 2
                                    

Sie sah ihn zum Glück erst mal nicht wieder.
Gott sei Dank!
Die anderen Werwölfe behandelten sie nun außerdem alle sehr kühl und zurückhaltend. Es war offensichtlich, dass sie nichts von ihr hielten. Ein Rogue, eine Gebissene. Und dann noch nicht mal fähig sich jederzeit zu wandeln. Noch nicht mal auf Alpha-Befehl hin...
Die Blicke die sie immer wieder trafen waren bezeichnend.
Denn ein „Feind der Rudel" zu sein war wohl wirklich gleichbedeutend mit einer Art von Ächtung. So als wäre sie ein Schwerverbrecher. Es redete fast niemand mehr mit ihr, nur die menschlichen Schwestern lächelten sie an und sagten ihr wie sie ihre Medikamente einnehmen sollte.
Deshalb ging es ihr dann auch rasch besser und sie konnte schon am übernächsten Tag die Klinik verlassen.
Sie bekam sogar ihren Rucksack wieder und auch ihre Kleidung. Seltsam, dass sie ihr sogar ihren Laptop ließen, obwohl er wertvoll war und eine Regel der Werwölfe besagte, dass sie mit niemandem außerhalb Kontakt haben durfte, wenn sie nun zu einem Rudel gehörte. Doch vielleicht war das ja auch nur ein Test.

Seltsam war, wie leer und verloren sie sich fühlte, nach der irren Machtdemonstration dieses Alpha-Monsters. Warum hatte er sie eigentlich am Leben gelassen?
Warum nur?
Dann wäre es jetzt wenigstens aus und vorbei, oder? Sie wussten jetzt, dass sie nur durch einen Zufall überlebt hatte und verachteten sie nun alle. Und obwohl Ablehnung ja nun wirklich nichts Neues für sie war tat es ihr dennoch weh, wie man sie nun behandelte.
Trotzdem ... sie hatte keine Wahl. Also packte sie ihre Sachen ein und schloss auch den Rucksack.
Zeit zu gehen.
Auch wenn sie nicht wusste wohin es nun ging.
Vielleicht in ein Gefängnis der Werwölfe?
Oder in eine Höhle im Wald?!
Sie öffnete die Zimmertüre und wurde sofort von einem großen, grimmigen Werwolf in Empfang genommen. Doch auch er sah sie kaum an und griff sie nur hart am Arm um sie mit sich zu zerren.
Sie blieb passiv und stumm, auch wenn der Griff schmerzte. Achims Worte vielen ihr wieder ein, dass sie nicht auffallen durfte. Kopf unten halten, Blick gesenkt.
So würde sie dann überleben...  na ja... vielleicht noch für ein Weilchen. So langsam zweifelte Sie aber daran, ob es das alles überhaupt wert war. Um jeden Preis zu überleben und dabei so zu sein, wie sie eigentlich niemals sein wollte...
Ein Werwolf.
Eine Bestie.
Ein eiskaltes Monster!

Der große Typ brachte sie raus vor das Krankenhaus, wo schon weitere Wölfe bereit standen, hochgewachsene, grimmige Junge Typen, die sie ebenfalls kaum ansahen aber wohl zum Schutz der Menschen vor ihr, aufgepasst hatten, dass sie nicht abhauen würde.
Ihr Magen verkrampfte sich. Beinahe hätte sie wieder angefangen zu weinen. Ein paar der Blicke waren wieder so seltsam, doch schon stieß ihr Wächter sie an in den Wagen einzusteigen, was sie auch tat. Die Tür schloss sich hinter ihr.
Der hintere Teil des Wagens war mit einer Scheibe vom vorderen Teil getrennt. So war Keine Unterhaltungen möglich... sie konnten sie beobachten und sie auch die Wölfe, das war alles... na ja... auch gut!
Sie rang mehrmals hart nach Luft und presste ihren Rucksack fest an sich, um wenigstens noch einen kleinen Halt im Leben zu haben.
Schon fuhr der Wagen an und Julia sah zum Fenster hinaus.

Die Ortschaft war groß. Es gab auch eine Katholische Kirche... und viele Menschen die die Straßen entlang wuselten, lachten, einkauften, sich telefonierend durch die Menge drängten oder in einem Café die heute noch mal warme oktoberliche Herbstsonne genossen. Wie gerne sie nun auch da draußen gewesen wäre.
Statt dessen wurde sie von Werwölfen, die sie ohne jeden ersichtlichen Grund hassten und wohl am liebsten tot sehen wollten, durch die Gegend gefahren.

Der Ort blieb schließlich weit hinter ihnen zurück, die Straße hier führte durch einen Wald dessen Blätter rot-golden leuchteten... die Sonne brachte sie richtig zum Strahlen und eine Windböe fegte durch die Baumkronen, so dass gleich darauf ein Blätterschauer auf die Straße herabregnete.
Unwillkürlich lächelte Julia nun doch wieder und atmete tief durch. Die Natur hatte immer noch so wunderschöne und faszinierende Seiten. Natürlich musste es da auch Monster geben um die Schönheit, Ruhe und Stille auszugleichen. Für jeden Engel gab es einen Dämonen denn Gottes Gegenspieler war der Teufel selbst.
Warum also war sie dann nun so traurig?
Sie wusste seit einem Jahr, dass sie ein Monster war. Auch wenn es nur bei Vollmond geschah. Diese bestienhaften Instinkte überwältigten sie dann einfach und sie wurde zum Wolf...
Plötzlich bog das Auto in eine Auffahrt ab die zu einem großen Tor führte. Ein Schloss? Ein Park?
Eine Tafel zur rechten zeigte den Namen des Ortes an:
Grossenlinde
Es stand auch noch etwas darunter, doch leider konnte sie es nicht mehr lesen, weil sie zu schnell daran vorbei waren. Das Tor öffnete sich und schloss sich gleich wieder hinter dem Wagen. Also doch ein Gefängnis... wie toll!
Für Rogue-Wölfe, wie sie, die nicht unter Menschen gehen durften?
Julia wurde langsam immer ängstlicher.
Wenn es nur ein Gefängnis war, wäre sie hier noch halbwegs sicher. Auch die Menschen. So wie bisher. Doch was, wenn die Wölfe sie hier gefangen halten und quälen wollten, um sich für das zu rächen, was ihr Großvater getan oder gelassen hatte? Ja... Was, wenn das hier so eine Art Folteranstalt für Rogues war...?
In dem Buch über Werwölfe hatte gestanden, dass alle Rudel einen Ort hatten an dem sie wilde Rogues einsperren und sogar töten würden.
Aber waren dass dann nicht eher Bunker oder Kellerlöcher?
Oh... oh nein! Was wenn ... oh! War es vielleicht sogar noch schlimmer... und dass hier war der Sitz des Alpha?
Wollte er nun weitermachen mit dem Rumschubsen und anbrüllen und ausfragen?
Ihr stiegen schon wieder die Tränen in die Augen auf, als der Wagen auch schon direkt vor dem Gebäude hielt. Mehrere Werwölfe kamen heraus oder hinter dem riesigen Bau hervor gerannt und verwandelten sich dann in ... Teenager?!
- Mit Schuluniformen?
Hä?
Hier in Deutschland gab es also echt Uniformen an Rogue-Werwolf-Haftanstalten für Teenagerwölfe?
Ihr Herz schlug immer schneller, vor allem als nun die Tür aufging und ihr Wächter sie mit einem strengen Nicken aufforderte auszusteigen.
Sofort begannen die Teenager zu tuscheln und zu raunen.
„Ist die das!?"
   „Sieht ja nicht besonders ... BESONDERS ...
     aus..."
„Die ist ein wilder Rogue von Außerhalb, also vorsicht!"
    „Sieht aber gar nicht so gefährlich aus..."
„Sieh mal wie die zittert! Sie hat Angst„
    „Hättest du doch auch, wenn deine Eltern
     und Bruder als Werwolfmörder hingerichtet
     wurden und nur du irgendwie überlebt
     hast!"
„Ob sie überhaupt noch klar denken kann?!"
   „Sicher, sie soll hier schließlich schon einen
    Mate haben, der lange nach ihr gesucht hat.
    Nur deshalb hat der Alpha sie leben lassen.
    Ich glaub es ist Jens oder Feith, die älteren
    Leader!"
„Das wird sicher lustig, wenn sie hier bei uns in
den Unterricht geht. Madame French macht sie glatt fertig!"
    „Ja, so schlau ist sie sicher nicht, dass sie
     hier mithalten kann."

Seelenverwandt - Julia, Die Rogue Mate. Where stories live. Discover now