Von Zeit zu Zeit

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"Nicht ein reines Herz, nicht die Macht der Magie, ein Wunsch eben nicht. Glaube nicht dem ersten Wort, vielmehr dem hellen blauen Kristalllicht. Sei gewarnt! Entweder trifft sich das Glück oder das Unglück am Ort. Kein Traum wird wahr, keine Sehnsucht wird erfüllt, führe sie hinfort. Der Wille ist dafür bereit, dann schlage die Seiten umgekehrt in Reihe auf. Sag den Zauberspruch auf, du musst opfern, dann nimmt es seinen Lauf", warf ich Krul die Worte fast wie einen Fluch entgegen. Ihre dunklen Augen hatten mich fixiert, mich gewarnt, dass ich keinen Ton mehr von mir geben sollte, dass mein Vorhaben närrisch war, ganz egal, was ich versuchte. Doch die Worte hatten wie von selbst ihren Weg über meine Lippen gefunden. Sie waren alles, was mir geblieben war, um die Vampirkönigin aufzuhalten. Wenn sie wirklich so mächtig war wie der Unsichtbare oder sogar noch mächtiger, blieb mir ohnehin keine Wahl, als alles zu versuchen, wenn ich darauf hoffen wollte, sie zu stoppen. Was aus Toussaint würde, wenn Krul zu alter Kraft käme und die Herrschaft an sich rissen, wollte ich mir nicht ausmalen. Wenn selbst der Unsichtbare, der höhere Vampire wie Regis mit nur einem Wort dazu bringen konnten, wie erstarrt stehen zu bleiben, machtlos gegen die Vampirkönigin war, gäbe es wohl niemanden in dieser Welt, der imstande wäre, sie aufzuhalten. Selbst jetzt war sie schon wahnsinnig gefährlich.

All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf und endeten abrupt im gleichen Moment, in dem auch jede Bewegung um mich herum anhielt. Geralt stand wie festgefroren neben mir, die Silberklinge erhoben. Vor mir stand Regis, halb transformiert und die Klauen ausgestreckt, um Kruls Angriff abzuwehren. Die Welt hielt den Atem an und nur ich allein konnte mich noch regen. Jede Bewegung fühlte sich etwas zäh an, als ich prüfend einen Schritt zurücktrat und schließlich das zerknüllte Papier in meiner Hand anstarrte. "Keinen Augenblick zu früh", bemerkte eine Stimme. Erschrocken zuckte ich zusammen und schnellte herum. "Theodor?", fragte ich ungläubig. Müsste er nicht auch in der Zeit erstarrt sein, wie alle anderen? Wie von selbst wanderte mein Blick suchend herum, als müsste sich Theodor eben doch dort befinden, wo ich ihn erwartete und nicht direkt neben mir. Mein Blick blieb an dem erstarrten Vampir hängen, an dessen Schulter eine tiefe Wunde klaffte. Theodor. Er regte sich nicht einen Millimeter. Und dann war da Theodor, der vor mir stand und so freundlich lächelte, als sei er nur auf einen Kaffee vorbeigekommen.

"Wieso...?", begann ich meine Frage, doch fand dann einfach keine Worte. Wieso gab es zwei Theodors? Das war ein Zeitparadoxon! Das durfte doch eigentlich nicht sein oder lag ich damit völlig falsch? Meine Gedanken rasten. Wenn noch ein Theodor hier war und dieser Kerl nicht ein geheimer Zwilling war, sondern einfach Theodor aus einer anderen Zeit, dann war nur noch die Frage aus welcher. Weiter aus der Zukunft als der mir bekannte Theodor? Oder war der neue Theodor der aus dieser Zeit? Welcher war nun überhaupt welcher und wieso konnte sich einer von ihnen bewegen, obwohl ich die Zeit angehalten hatte? Konnte ich ihm überhaupt noch vertrauen? War das vielleicht alles Teil von Kruls Plan und ich die ganze Zeit benutzt worden? "Was hat das zu bedeuten?", fand ich schließlich recht vage Worte für all die Fragen, die mir wirklich durch den Kopf gingen.

"Nun, wie du sicher ahnst, gibt es derzeit zwei von mir zu diesem Zeitpunkt infolge meines Zeitsprungs", erklärte der unverletzte Theodor gelassen. "Glücklicherweise gelang es mir, mein hiesiges Ich davon zu überzeugen, meine Pläne zu unterstützen und in Kontakt zu dir zu treten." Er lächelte. Meine Miene blieb ausdruckslos. Also hatte ich bisher vor allem den gegenwärtigen Theodor gekannt? Oder hatten sie sich abgewechselt? Unterscheiden könnte ich die beiden ganz bestimmt nicht. Sie sahen absolut gleich aus, trugen sogar die gleiche Kleidung. Wenn das mal keine Absicht war. "Aber wieso kannst du dich bewegen?", verlangte ich zu wissen und blinzelte zu Krul, die nicht einmal mit der Wimper zuckte. Ich sollte meine Zeit nicht mit Theodor verplempern, sondern mich lieber um die Vampirkönigin kümmern, solange die Zeit still stand. Eine zweite Chance würde ich wohl nicht bekommen. Wenn ich jetzt nicht etwas unternahm, dann wären auch Geralt, Regis und all die anderen Leute da draußen geliefert. Kein Gedanke, der mir irgendwie behagte. Zwar hatte ich die Zeit angehalten, in der Hoffnung, mir fiele dann schon etwas ein. Aber konnte ich Krul überhaupt töten? Einen höheren Vampir konnte nur ein anderer töten, das wusste ich.Regis hatte sich aus einer verdammten Glibberpfütze an einer Säule regeneriert!

Blood and Whine (Witcher III)Where stories live. Discover now