Kapitel 2 - Straßenlärm

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Eigentlich bin ich schon unnötig lange in der Bibliothek. Der Mehrwert für meine Prüfungsleistung hält sich wirklich in Grenzen wenn ich, statt in die Bücher zu schauen nur abwechselnd die Menschen auf dem Gang beobachte und auf mein Handy blicke.
Ich weiß, dass es dumm ist und doch verharre ich nun schon bestimmt eine Stunde so an meinem hart erkämpften Platz auf einem der unbequemen Holzstühle. Und ich weiß, auch wenn ich es mir nicht eingestehen will, genau wieso ich das mache.

Instagram zeigt mir das Profil einer jungen Frau, das ich mit Verachtung betrachte. Nur ein einziges Bild hat sie hochgeladen und von diesem kenne ich mittlerweile jedes einzelne Pixel auswendig. Es zeigt sie im Winter, mit dem Hauch eines Lächelns auf ihren Lippen und einer dicken Mütze in einem verschneiten Park stehend. Und obwohl ich nur dieses eine Bild von Emily kenne, geht mir ihr selbstgefälliges Gesicht nicht mehr aus dem Kopf. Sie trifft sich mit Dominik. Das weiß ich nicht nur, weil die Beiden es in ihren Stories geteilt haben, sondern auch weil er mir damals schon von ihr erzählt hat. Und er hat immer beschwichtigt ich müsse mir keine Sorgen machen, nicht ihretwegen. So ein Schwachsinn. Momentan fallen mir für beide nur abfällige Wörter ein.

Ab und zu, in kurzen Abständen, blicke ich auf, beobachte die Menschen, die vorbei laufen, nur in der Hoffnung, dass er dabei sein würde. Ich weiß, dass Dominik hier lernt und ich weiß von anderen Leuten seines Semesters, dass sie in ein paar Tagen Neuro-Prüfung schreiben. Nur deswegen bin ich hier, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin. Keine Ahnung, ob ich diese Absicht überhaupt vor mir verstecken kann, ist es möglich, sich selbst über die eigenen Wünsche anzulügen? Eigentlich weiß ich es ja. Andererseits ist mir nicht mal klar, warum ich Dominik sehen will. In der Vergangenheit, wenn wir uns begegnet sind hat er mich meistens abfällig angesehen, oder gar nicht beachtet. Ich weiß nicht was davon schlimmer ist. Wenn ein Mensch, der dich mal geliebt hat, oder so ähnlich, dich plötzlich ansieht, als wärst du das letzte Stück Dreck, oder so tut, als würde er dich gar nicht kennen, dann kann einem das nur das Herz brechen. Und dennoch sitze ich wieder hier und warte darauf, dass er den Gang entlang läuft.
Es vergeht immer weiter Zeit, in der sich Studierende, beladen mit dicken Büchern oder Laptops einen Platz in der Bibliothek suchen, während andere sie wieder verlassen, weil sie für heute genug getan haben. Auch ich sollte lernen, theoretisch. Stattdessen sitze ich hier und warte.
Plötzlich setzt mein Herz für einen Moment aus. Noch von weitem erblicke ich ein Gesicht, das ich dennoch niemals übersehen würde. Sein Gesicht.

Selbstsicher grinsend, wie immer, eine Hand in der Hosentasche und einen Rucksack auf dem Rücken kommt Dominik auf mich zu. So habe ich ihn schon oft gesehen, aber heute ist er allein, keine Kommilitonen, mit denen er sich unterhält. Er scheint auf dem Weg nach Draußen zu sein, denn noch bevor er mich bemerken kann, biegt er zu Ausgang ab. Ohne weiter darüber nachzudenken, packe ich so schnell es geht meine Sachen zusammen, stopfe alles in meinen Rucksack und gehe ihm hinterher. Heute bin ich dankbar über den Teppichboden in der Bibliothek, er dämpft meine Schritte. Ich will nicht, dass Dominik mich bemerkt, zumindest jetzt noch nicht. Eigentlich weiß ich nicht mal was ich vorhabe. Wir haben nicht mehr wirklich miteinander geredet seit der Trennung. Ich habe zwar versucht ihm zu schreiben, aber von seiner Seite kam nur ekelhafte Zurückweisung. Warum sollte er also jetzt mit mir reden? Andererseits bin ich auch nur eine Studentin, die in der Bibliothek gelernt hat, ich habe dazu das gleiche Recht wie er. Und wenn ich ihn direkt anspreche, dann kann er nicht so tun als kenne er mich nicht. 

Der Straßenlärm schlägt mir wie eine Wand entgegen, als ich die stille Bibliothek verlasse.  Sofort halte ich Ausschau nach Dominik und entdecke ihn, wie er bereits an der Bus Haltestelle steht. Das könnte vielleicht meine Chance sein, dass er mit mir reden muss. Also versuche ich, entgegen dem Schlachtfeld in meinem Inneren, ein zufriedenes Lächeln aufzusetzen und setze mich in Bewegung. Dominik blickt auf sein Handy, noch hat er mich nicht bemerkt, also tu ich auch so, als würde ich einfach nur nichtsahnend zum Bus laufen. Doch mit jedem Schritt, den ich näher auf ihn zu komme, schlägt mein Herz schneller, ein unruhiges Pochen, das den hektischen Rhythmus der Stadt untermalt. Meter für Meter schrumpft die Distanz. Habe ich mir das wirklich gut überlegt? Was erwarte ich mir denn, verdammt?

beste ExfreundinnenWhere stories live. Discover now