Rückblende 2

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Die letzten zwei Wochen in Freiheit waren viel zu schnell vergangen. Ich hatte immer gehört, dass der Sommer direkt nach dem Abitur der schönste und längste des ganzen Lebens sein soll und nun war er einfach schon vorbei. Es war mittlerweile Mitte September, Donnerstagnachmittag um halb drei und ich hatte grade meine Schicht im Krankenhaus beendet. Das Pflegepraktikum, das jeder Medizinstudent bis zum Physikum drei Monate lang absolviert haben muss, war zwar genauso anstrengend wie lehrreich und doch lächelte ich momentan so viel wie noch nie. Irgendwie lief grade alles in eine gute Richtung.

Nach einer knappen Verabschiedung im Schwesternzimmer holte ich auch schon meinen Rucksack aus dem Spind im Aufenthaltsraum und warf mir als erstes meine Strickjacke über. An den kühlen Temperaturen wurde mir noch deutlicher, dass sich dieser Sommer langsam dem Ende zu neigte. Mein zweiter Griff ging zu meinem Handy:

Nik: Na, wie läufts bei meiner fleißigen Praktikantin?

Sofort hatte ich ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Niks tägliche Nachrichten waren der Grund, warum ich seit fast einem Monat durchgängig gut gelaunt war. Nicht nur, dass ich bald mit Lore in meine erste eigene Wohnung ziehen würde, ich hatte auch zum ersten Mal das Gefühl, dass einem Typ wirklich etwas an mir lag.

Nati: Haha, anstrengend aber habs geschafft :3 und bei meinem fleißigen Praktikanten? Irgendwelche News heute?

Auch Dominik brachte grade noch den letzten Monat seines Pflegepraktikums in seiner Heimat zu Ende und so schrieben wir uns jeden Tag, was wir so erlebt hatten. Und wenn wir nichts erlebt hatten schrieben wir uns trotzdem, eigentlich hatten wir seit dem Tag nach Oskars Abschiedsfeier nicht mehr damit aufgehört. Und auch nach der ganzen Zeit, wurde es nie langweilig mit Nik zu reden. Im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, wir kamen uns jeden Tag näher.

Während meiner Fahrstuhlfahrt in den Keller des Krankenhauses, wo die Umkleiden waren, konnte ich meinen Blick nicht vom Bildschirm abwenden. Auch Nik müsste eigentlich bald Schluss haben. Eine etwas grimmig schauende Schwester stieg in den Aufzug ein und ich bemühte mich ein Gähnen zu unterdrücken. Das frühe Aufstehen und der Schichtbeginn machten mir auch nach fast zwei Wochen Eingewöhnungszeit noch zu schaffen.

Ich beeilte mich beim Umziehen, warf den hässlichen blauen Kasack in den Wäschesack und nahm diesmal die Treppe nach oben. Nach acht Stunden konnte ich nun das erste mal wieder frische Luft einatmen, herrlich. Sogar die Sonne lachte mir ins Gesicht, als ich auf die Straße vor der Klinik trat. Immer wieder schielte ich erwartungsvoll auf mein Handy. Ich war schon fast an der Bushaltestelle angekommen, als endlich eine neue Nachricht aufblinkte.

Nik: ob ich heute wirklich fleißig war, man weiß es nicht... :D Nein Spaß, natürlich voll dabei wie immer. Bis auf meine Gedanken, die sind manchmal zu dir rüber gedriftet :3

Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer. Dominik hatte so eine witzige Art zu schreiben, dass er mich damit jedes Mal zum Grinsen brachte.

Nati: Vllt. haben die sich mal in der Mitte getroffen?

Nik: Wer hat sich getroffen O.o

Nati: Na die Gedanken!

Nik: Du meinst auf so nen Kaffee? In Hof oder so?

Nati: Genau, während ich der Frau Meier die Inkontinenzhose gewechselt hab xD

Nik: Ah, das war bestimmt als ich dem deliranten Herr Müller über den Flur nachgejagt bin. Der wollte seine Familie besuchen gehen. In Unterhose.

Das Grinsen auf meinem Gesicht ging gar nicht mehr weg. Es war mir auch völlig egal, dass der Bus viel zu überfüllt war und ich meine müden Füße nicht ausruhen konnte, sondern mich neben ein Fahrrad an die Wand quetschen musste. Dominik verzauberte mich mit seiner Art, das hatte er von Anfang an. Loretta musste sich dann jeden Abend die neusten Stories und mein Geschwärme anhören. Sie war der Meinung, es würde nicht mehr lange dauern, bis Nik und ich zusammenkommen würden, doch ich konnte mir das momentan noch überhaupt nicht vorstellen. Vielleicht wollte ich es mir auch einfach nicht vorstellen, weil ich nicht mit einer falschen Erwartungshaltung an die Sache herangehen wollte. Ich wusste zwar, dass ich Dominik Kuzmin sehr, sehr mochte, aber ich wusste nicht, ob ich auch etwas besonderes für ihn war. Vielleicht schrieb er ja mit jedem Mädchen so? Er hätte schließlich auch jedes Mädchen haben können mit seiner Art, seiner Offenheit und seinem verdammt guten Aussehen. Stattdessen hatte er mir erzählt, dass auch er noch nie eine richtige Beziehung hatte, es hätte sich einfach noch nicht ergeben.

Manchmal hatte ich das Gefühl, Dominik wusste gar nicht, wie gut er eigentlich aussah. Aber ich wusste es.

Nati: Hast du ihn wieder eingefangen? :D

Nik: Ja, da musste ich aber nen ordentlichen Sprint hinlegen um gegen den 80 jährigen anzukommen xD

Nati: Mensch, das war bestimmt anstrengend!

Nik: sicher, gibt gleich erst mal ne Runde Erdbeeren zur Stärkung, richtig nais! *-*

Die Leute, die mit mir im Bus saßen, schauten mich schon komisch an, weil ich so sehr über das ganze Gesicht grinsen musste. Es fühlte sich einfach so unbeschwert an mit Dominik, als wäre ganz intuitiv alles richtig. Egal was ich ihm schrieb, ich hatte nie das Gefühl, ihm auf die Nerven zu gehen, oder dass er mir mehr bedeutete, als ich ihm. Und um ehrlich zu sein, war es zum ersten Mal in meinem Leben so.

Nati: Erdbärchen?O.o gibst du mir was ab?*-*

Nik: Bärchen :3 wenn du mich so knuffig fragst würd ich dir immer was übrig lassen aber du bist zu weit weg :(

Nati: Nein, eigentlich bist du zu weit weg da unten auf deinem Maisfeld xD

Nik: ey hier sind nur Getreidefelder in der Nähe!

Ich wusste kurz nicht, was ich schreiben sollte. Zum tausendsten Mal sah ich mir sein Profilbild an und der einzigartige Ausdruck in seinen schönen warmen Augen ließ mein Herz wie immer ein bisschen hüpfen. Eventuell schaltete sich mein Hirn in diesem Moment aus.

Nati: ich glaube ich vermisse dich...

Nik: echt? :3 ich glaube, ich dich auch.

Erst jetzt, als ich grinsen musste, bemerkte ich, wie ich mir schmerzhaft auf die Lippe gebissen hatte. Der Bus hielt quietschend an und ich trat raus auf den Gehweg, wo mir ein angenehmer Luftzug entgegenwehte. Ich musste mich konzentrieren, beim Tippen nicht zu stolpern oder irgendwo gegen zu laufen.

Nati: seltsam, dass wir uns erst ein Mal getroffen haben :D

Nick: September/30?

Kurz starrte ich verwirrt auf den Bildschirm.

Nati: Gesundheit?

Was bitte wollte er mir sagen? Ich mochte seine Art zu schreiben echt gern, nur manchmal verwirrte sie mich.

Nik: hast du da Zeit? Für mich?

Fast hätte ich verpasst in meine Bahn einzusteigen, so sehr war ich mit grinsen beschäftigt. ‚Dieser Typ ist irre!', ging es mit durch den Kopf. Er machte irgendetwas mit mir. Ich konnte nicht sagen was, aber ich fühlte mich so glücklich in diesem Moment, dass ich mir sicher war, es musste das richtige sein.

Nati: für dich halte ich mir gern einen Tag frei! ;)

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⏰ Last updated: May 04, 2020 ⏰

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