Kapitel 21

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Manager Moon

Wie jeden Abend durchsuchte ich das Netz nach unliebsamen Überraschungen. Leider gab es diese in letzter Zeit zur Genüge. Mein Blick fiel auf einen gerade erst veröffentlichten Post und meine Augenbrauen schossen in die Höhe. Ein Bild von Si und Keen auf einem Strand. Ich runzelte die Stirn. Wir waren noch nie auf einem Strand mit ihnen gewesen. Ich beugte mich näher. Die beiden Arm in Arm zu sehen würde im Netz für Chaos sorgen. Selbst ich hatte mich an diesen Anblick noch nicht völlig gewöhnt. Dieser Post würde die fiesen Behauptungen und Spekulationen wirkungsvoll stoppen in denen behauptet wurde, dass Si und Keen sich hassten.

Keen King

Ich wurde von meinem neuen Handy geweckt, welches penetrant zu klingeln begonnen hatte. In der Nacht war ich auf Sinners Seite des Bettes gerutscht und hatte meinen gesamten Körper um ihn geschlungen. Peinlich berührt rutschte ich von ihm weg und tastete verschlafen nach meinem Telefon. Ohne auf den Bildschirm zu schauen hob ich ab und wusste im nächsten Augenblick, dass das ein großer Fehler gewesen war. Die aufgeregte Stimme meiner Mutter schallte laut aus dem Handy und ich entfernte es mehrere Zentimeter von meinem Ohr.

„Ist deine Krankheit endlich verschwunden? Warum hast du nicht angerufen?"

Erschrocken weiteten sich meine Augen. Ich hatte vergessen, dass meine Familie sich die Videos unserer Band ebenfalls anschaute. Neben mir setzte sich Sinner auf. Er hatte das Gespräch ebenfalls mitbekommen und schaute mich warnend an. Ich deckte den Lautsprecher an.

„Was soll ich sagen? Meine Familie glaubt nicht jeden Scheiß, den ich erzähle. Ich brauche etwas Glaubhaftes."

Einen Augenblick schwieg Sinner, dann war ich plötzlich in der STILLE. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf mein eingefrorenes ich neben mir. Ich hatte nicht damit gerechnet in die STILLE gezogen zu werden und mich selbst im Bett sitzen zu sehen während ich neben dem Bett stand, verursachte in mir ein mulmiges Gefühl. Ich drehte den Kopf und konnte auch Sinner doppelt sehen. Er stand, genau wie ich, neben seinem eingefrorenen ich neben dem Bett. Er warf mir einen Blick zu und bedeutete mir, ihm aus dem Zimmer zu folgen.

„Unterhalten wir uns im Wohnzimmer. Ich habe mich noch immer nicht ganz daran gewöhnt, mich selbst in der STILLE zu sehen."

Ich war dankbar, den Raum verlassen zu können und folgte ihm.

Er setzte sich auf die Couch und wandte sich mir zu.

„Weist du warum ich, als Si noch am Leben war, nicht gekommen bin, um mich für den Körperdiebstahl an ihm zu rächen?"

Ich schüttelte den Kopf und beugte mich nach vorne. Wenn ich ehrlich war, hatte mich diese Frage schon länger beschäftigt.

„Ich habe beschlossen mich nicht in die Leben anderer einzumischen. Vor allem aber habe ich immer einen großen Bogen um die Vampirgesellschaft gemacht."

Fragend schaute ich ihn an. Er verzog das Gesicht.

„Ich bin nicht sonderlich scharf darauf, dass andere von meinen Fähigkeiten erfahren."

Plötzlich verstand ich ihn. Die Vampirgesellschaft war in den letzten Jahren immer weiter geschrumpft. Die Infizierten hatten sich teilweise zu Gruppen zusammengeschlossen und waren jetzt auch auf der Jagd. Auf der Jagd nach Vampiren, nach uns. Wenn es so weiter ging, würden wir in ein paar Jahren ausgestorben sein. Jeder Vampir mit einer Gabe wurde zwar auf Händen getragen, verlor aber gleichzeitig auch jegliche Freiheit sein Leben selbst zu bestimmen. Ich verstand immer noch nicht, wie es Sinner geschafft hatte, sich vor der Vampirgesellschaft zu verstecken. Seine Gründe leuchteten mir jetzt jedoch deutlich mehr ein.

„Und wenn wir meinen Eltern nur von deiner Gabe andere zu heilen erzählen?"

Sinner schnaubte.

„Und wie willst du ihnen erklären, dass ich plötzlich kein „Mensch" mehr bin?"

Daran hatte ich nicht gedacht. Ich vergrub meinen Kopf ratlos in den Händen. Plötzlich kam mir ein Gedanke.

„Wir können doch einfach Teile der Wahrheit sagen, oder? Dass du nichts mit der Vampirgesellschaft zutun haben willst und wir dir deshalb versprochen haben, niemandem zu erzählen, dass du auch ein Vampir bist."

Sinner runzelte die Stirn und seufzte.

„Ich hätte mich nie auf die ganze Sache einlassen sollen. Ich weiß jetzt schon, dass dieses Problem nicht das Letzte bleiben wird."

Missmutig verzog sich sein Gesicht, doch er nickte.

„Etwas anderes als das wird uns kaum übrigbleiben."

Das Gefühl nach vorne zu fallen überkam mich, dann war ich wieder in meinem Körper in der realen Welt. Kurz war ich desorientiert, da sich mein Gehirn weigerte den plötzlichen Umgebungswechsel zu verarbeiten. Ich hob mein Telefon zurück an mein Ohr und unterbrach den Redefluss meiner Mutter, welche die Herrscherin der Vampire war.

„Ich bin nicht geheilt."
Augenblicklich herrschte Stille auf der anderen Seite der Leitung.


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