Kapitel 29

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Am nächsten Morgen setzten wir unsere Reise fort und schon am Abend erreichten wir das Lager.

So weit das Auge reichte, waren weiße Zelte zu sehen, zwischen denen sich nur schmale Wege befanden, bis auf einige Ausnahmen. Auf größeren freien Flächen hatten schon viele Soldaten ein Lagerfeuer entfacht über dem ein Topf mit Suppe hing. Der Geruch wurde durch die Luft getragen und ich konnte nicht vermeiden, dass mir der Bauch grummelte. Doch in dem Moment in dem wir von den Pferden stiegen, wurden wir direkt von einem Diener und einer Dienerin abgefangen. Tyrus war anscheinend schon über unsere Ankunft informiert worden und hatte die Anweisung gegeben, uns zuerst zu den Waschzelten zu führen.

Nach circa zwei Stunden, von denen ich viel Zeit damit verbracht habe, die Dienerinnen davon zu überzeugen, dass ich mich allein waschen kann, saß ich nun angezogen vor dem Spiegel. Ich verstehe wirklich nicht, wie die Menschen früher so schamlos sein konnten. Aber vielleicht war ich auch einfach nur zu verklemmt? Zumindest hatte sich die Dienerin damit zufrieden gegeben, mir die Haare frisieren zu dürfen. Sie zauberte eine kunstvoll hochgesteckte Frisur, die überraschenderweise sehr gut hielt.

Nachdem ich neu eingekleidet, frisch frisiert und gebadet wieder aus dem Zelt herauskam, fühlte ich mich viel leichter. Es war angenehm gewesen, sich mal wieder zu waschen und einfach nur entspannt dazusitzen ohne sich über irgendetwas Gedanken machen zu müssen. Ich atmete tief die frische Luft ein, sodass mir natürlich sofort wieder der Geruch der Suppe in die Nase stieg. Mittlerweile machte mein Bauch sich schon schmerzhaft bemerkbar, um mich endlich zum essen zu zwingen.

So wie ich war hatte ich natürlich nichts dagegen und folgte dem Geruch, dem sich nach und nach auch Stimmen und lautes Geklapper anschloss. Als ich das Lagerfeuer erreichte und die lange Schlange sah, sank meine Laune jedoch in Richtung Erdkern. Schon in der Schule in der Caféteria war es immer schlimm anzustehen, aber das hier war nochmal ein ganz anderes Niveau. Die wartende Menge schien kein Ende zu nehmen.

"Kio! Na endlich! Was hast du denn so lange gemacht?", fragte Blake während er auf mich zukam. "Wir sind schon seit Ewigkeiten fertig."

"Tut mir Leid", entschuldigte ich mich. "Ich habe es einfach zu sehr genossen." Blake lachte und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Völlig überrumpelt hatte ich nicht die Zeit zu reagieren, ehe er sich meine Hand schnappte und mich mit sich zog. Es war selbst nach zwei Tagen ein komisches Gefühl mit Blake zusammen zu sein. Natürlich meine ich das nicht im negativem Sinn, es war einfach ungewohnt. Ohne mein Zutun lächelte ich und holte zu Blake auf, sodass wir nebeneinander liefen.

Er brachte mich zu einem etwas kleinerem Platz auf dem ebenfalls ein kleines Feuer brannte, um das herum schon Quinn, Winter und Tyrus saßen. Direkt nachdem ich mich auf einen der Holzstämme gesetzt hatte, schob Blake mir einen Teller Suppe und ein Brot zu. "Ich habe dir gleich etwas mit geholt, als ich dran war. Es könnte schon etwas kalt sein, aber ich hoffe das ist nicht schlimm."

"Nein...Alesch gut", nuschelte ich mit vollem Mund, woraufhin Blake grinsend den Kopf schüttelte.

Während ich aß, berichteten die anderen Tyrus, was passiert war. Er verhielt sich auffällig ruhig, was ich gut nachvollziehen konnte. Ich wüsste nicht, was ich getan hätte, wenn ich meine Todesumstände kennen würde. Vermutlich hätte ich versucht, mich von jedem Schlachtfeld so weit wie möglich zu entfernen. Aber Tyrus war dennoch hier und da wir nun zurückgekehrt waren ohne eine Lösung, rückte die Zeit seines Todes näher. Ich konnte nicht mal ansatzweise nachvollziehen, wie er sich fühlen musste. Vor allem, da er seiner Schwester vermutlich noch nichts erzählt hatte.

Nach dem Bericht herrschte sehr lange Schweigen und jeder starrte in die Flammen. Mittlerweile war die Sonne hinter dem Hügel verschwunden und die Dunkelheit breitete sich aus. Der Mond, ebenso wie ein paar Sterne standen schon nach kurzer Zeit am Himmel. Trotz des Feuers wurde mir kalt, weshalb ich die Jacke schloss, meine Beine anzog und meinen Kopf auf meinen Knien ablegte.

"Was ist los mit dir?", fragte Blake mich plötzlich leise.

"Was meinst du?" Meinte er das mir kalt war? Oder etwas anderes? 

"Du bist so Still."

"Oh...", murmelte ich und blickte wieder in die Flammen. Was sollte ich darauf auch antworten? Das ich still war, war tatsächlich ziemlich ungewöhnlich, aber in letzter Zeit erwischte ich mich öfter beim in-die-Gegend-Starren und nachdenken. Dass es Blake überhaupt aufgefallen war, wunderte mich, aber er fragte nicht weiter nach.

Plötzlich spürte ich, wie mir etwas auf die Schultern gelegt wurde und wandte mich wieder von den Flammen ab. Blake hatte mir seine Jacke gegeben. "Du sahst aus, als wäre dir kalt", lächelte er. Schon allein dieses Lächeln reichte und mir wurde etwas wärmer. Die tanzenden Flammen spiegelten sich in seinen Augen wieder und gaben ein faszinierendes Bild ab. 

"Danke", erwiderte ich, während ich die Jacke enger um mich zog.

Nachdem Blake sich wieder nach vorn gewandt hatte, konnte ich nicht anders als immer wieder zu ihm zu schielen. Ob ich mich an ihn anlehnen durfte? Eigentlich sprach ja nichts dagegen... Also ließ ich mich wie ein Stein zur Seite fallen und hoffte, dass es Blake nicht störte. Dieser sah mich jedoch bloß überrascht an, bevor er einen Arm um meine Schultern legte und mich sogar noch enger an sich zog.

"Kio, du musst mir etwas versprechen", sagte er plötzlich. "Egal was passiert, du solltest dich niemals in Todesgefahr begeben und falls es nicht anders geht, dann such dir einen zweiten Mann, der dich beschützt. Ich weiß, dass das so klingt, als würde ich mich nur darum sorgen, dass deine Blutlinie nicht ausstirbt, aber ich mache mir wirklich Sorgen um dich. Du bist viel zu unvorsichtig und würdest dein Leben viel zu einfach für andere hergeben."

Ich wusste, dass ich ihm das eigentlich versprechen konnte und er wusste es auch. Dafür kannten wir mich zu gut. Ich handelte öfters voreilig ohne meinen Kopf einzuschalten, aber ich würde es versuchen wenigstens immer einen zweiten Mann bei mir zu haben. "In Ordnung.", stimmte ich zu, "Ich weiß, dass du dir Sorgen machst, aber du solltest auch auf dich achten, falls es tatsächlich zu einem Kampf kommt."

"Werde ich", versicherte er mir und gab mir einen Kuss auf den Scheitel.

Irgendwann im Laufe des Abends war ich wohl eingeschlafen, denn am nächsten Morgen wachte ich in einem der Zelte auf ohne zu wissen wie ich dorthin gekommen war. Ich war mir aber sicher, dass ich nicht allein geschlafen hatte, denn neben mir lag ein zweites Kissen, das nach Blake roch.

Die Tochter der SterneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt