Montag, 5. Februar 1945

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Montag, 5. Februar 1945

Ilse hat sich über den Mantel gefreut, aber ich konnte doch erkennen, dass die Sorge um ihren Vater noch immer schwer auf ihr lastet - etwas, was ich nur allzu gut verstehen kann. Sie sagte, es ginge ihm immer schlechter. Er hat hohes Fieber. Ilses Mutter befürchtet eine Lungenentzündung. Wenn sie nicht schnell Antibiotika bekamen, würde er es vielleicht nicht schaffen.

Ich bin vielleicht die Einzige, die ihm noch helfen kann Schließlich arbeite ich in einem Lazarett. Aber vor dem Gedanken, Medikamente zu stehlen, bin ich bisher zurückgeschreckt. Es wäre noch viel gefährlicher, als einen alten ausrangierten Mantel mitgehen zu lassen. Und wenn ich erwischt werde, könnte das schlimme Folgen haben.

Auf dem Heimweg von Ilse war ich wie immer auf der Hut, ob mich auch niemand beobachtete oder verfolgte. Ich achtete zwar darauf, immer zu unterschiedlichen Zeiten zu Matuzeks zu gehen, doch die unterschwellige Angst bleibt.

Als ich an der Straßenbahnhaltestelle vorbeikam, fuhr gerade eine Bahn unter lautem Bimmeln ein und aus dem hinteren Wagen stiegen zwei dunkle Gestalten aus, die von Größe und Statur her vermutlich junge Männer waren. Ich beachtete sie erst nicht weiter und beeilte mich, nach Hause zu kommen.

Doch dann fiel mir auf, dass die beiden mir zu folgen schienen. Ich redete mir ein, dass ich mir das nur einbildete. Wahrscheinlich mussten sie einfach nur in die gleiche Richtung wie ich.
Ich bog nach links ab, um die Abkürzung durch den Park zu nehmen, obwohl ich normalerweise bei Einbruch der Dunkelheit nicht gern allein dort entlanglaufe. Dort gibt es keine hellen, leuchtenden Markierungen am Straßenrand.

Der Wind fegte mir ins Gesicht und ich musste mich dagegen stemmen. Durch das Rauschen in meinen Ohren hörte ich nichts anderes mehr. Ich warf einen flüchtigen Blick über meine Schulter. Sie waren immer noch hinter mir! Jetzt war ich mich sicher, dass sie mich verfolgten.

Trotz der Kälte begann ich zu schwitzen. Ich beschleunigte meine Schritte. In meiner Hast und im Dämmerlicht achtete ich kaum noch auf den Weg. Meine Fußspitze traf auf etwas Hartes und ich verlor das Gleichgewicht. Ich ruderte mit den Armen, der leere Korb flog mir davon und im nächsten Moment schlug ich mit Händen und Knien auf der Erde auf. Der Schmerz ließ mich aufkeuchen und ich schloss kurz die Augen.

„Ist alles in Ordnung?", hörte ich eine Stimme über dem Pfeifen des Windes. Sie klang irgendwie vertraut ... oder zumindest Vertrauen erweckend.

Ich schaute auf. Als Erstes sah ich eine Hand, die mir entgegengestreckt wurde. Lange, schlanke Finger, die trotzdem stark wirkten. Musikerhände. Ich erkannte diese Hand sofort. Ganz automatisch griff ich danach und ließ mich von ihr hochziehen. Und dann blickte ich in seine Augen, diese ausdrucksstarken dunklen Augen.

„Anton?" brachte ich hervor, als ich endlich meine Stimme wiederfand.

Er war es wirklich! Und er hatte seinen Freund Gerhard dabei.

Ich kann es noch immer kaum glauben!

Wir alle dachten, er säße immer noch in Breslau fest, das jetzt von den Russen umringt ist. Aber Gott sei Dank hat er es irgendwie da raus geschafft!

Ich begleitete die beiden zu unseren Nachbarn, wo Antons Tante die Tür öffnete. Zu sehen, wie seine Geschwister jubelten und sich alle vor Freude und Erleichterung umarmten, machte mich ein wenig traurig. Wenn doch nur Vati bald wiederkommen würde und wir uns auch so in den Armen liegen könnten! Aber ich bin froh, dass es Anton gut geht. Vielleicht sehe ich ihn jetzt öfter.

Luises Tagebuch - Meine Welt in TrümmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt