Samstag, 10. Februar 1945

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Samstag, 10. Februar 1945

Direkt heute Morgen habe ich Ilse die Medizin vorbeigebracht. Nun müssen wir noch hoffen, dass sie anschlägt.

Leider kam ich dadurch ein wenig zu spät zum Dienst. Ganz außer Atem stürmte ich ins Schwesternzimmer und stellte erleichtert fest, dass niemand da war. Doch gerade als ich meine Jacke ausgezogen hatte, ging die Tür auf.

Gertrud kam auf mich zu. „Luise, wo warst du denn? Ist etwas passiert?"

„Nichts ist passiert, habe nur ein wenig die Zeit vergessen", schnaufte ich.

Sie verschränkte die Arme und sah gleichzeitig genervt und ein wenig amüsiert aus. „Wieder mal zu lange gelesen? Oder Klavier gespielt? Weißt du, das Leben besteht nicht nur aus Vergnügungen."

Ich schluckte meinen Ärger über diese Unterstellung herunter und ließ sie einfach weiterreden.

„Du weißt doch, wir Deutschen müssen jetzt vor allen Dingen unsere Pflicht tun und unsere Heimat auf jede erdenkliche Weise unterstützen, damit wir den Sieg erringen können. So wie die Soldaten auf dem Schlachtfeld bis zum letzten Mann tapfer kämpfen, so müssen auch wir hier aufrecht stehen. Wir dürfen den Führer nicht enttäuschen."

Ich hörte mir den Vortrag geduldig an und nickte mit möglichst schuldbewusster Miene. Dabei schüttelte es mich innerlich bei ihren Worten. Ich konnte es ihr nicht übelnehmen, dass sie so dachte. Schließlich war ich auch einmal so verblendet. Aber es machte mich traurig.

„Tut mir leid. Es wird nicht wieder vorkommen", sagte ich.

Gertrud schüttelte den Kopf. „Es ist doch nicht das erste Mal. In letzter Zeit bist du immer häufiger zu spät dran oder musst früher gehen, weil du noch etwas zu erledigen hast. Was ist denn so wichtig?"

Ich bückte mich und durchwühlte meine Tasche, um mein Erröten zu verbergen. Es fiel mir immer noch schwer zu lügen, aber natürlich konnte ich ihr nichts von meinen geheimen Gängen zu Ilse und meinen Treffen mit Martin erzählen.

Gertrud seufzte. „Ich glaube, ich weiß, was los ist, Luise. Du brauchst es nicht vor mir zu verheimlichen."

Abrupt richtete ich mich auf und starrte sie an.

„Nun sei nicht so überrascht. Ich habe doch Augen im Kopf."

Meine Gedanken überschlugen sich? Hatte Gertrud mich gesehen, wie ich zu Ilse ging? Oder meinte sie am Ende die Sache mit den Medikamenten? Hatte jemand herausgefunden, dass etwas fehlte?

Ich beschloss, erst einmal nichts zu sagen.

„Es ist doch offensichtlich. Es ist wegen dieses Jungen, nicht wahr? Der dich am Nachmittag oft abholt. Ist das dein Freund?"

Ich atmete auf und musste vor Erleichterung sogar kurz schmunzeln. Sie dachte, Anton wäre ... Ich wurde wieder rot. „Ja, da ... da ist dieser Junge", stammelte ich und es war nicht einmal gelogen. „Und es tut mir leid, dass ich darüber meine Pflichten vernachlässigt habe."

Sofort wurde Gertruds Miene weicher. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter. „Versprichst du mir, dass es nicht wieder vorkommt?"

„In Ordnung." Ich war bereit, alles zu versprechen, um dieses unangenehme Gespräch zu beenden.


Auf dem Weg zur Besenkammer überlegte ich, dass Gertrud mir da eigentlich gar keine schlechte Ausrede geliefert hatte. Von selbst wäre ich nicht darauf gekommen. Fast wünschte ich, sie wäre wahr.

Luises Tagebuch - Meine Welt in TrümmernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt