↠ G┆identität

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"Und woher kommst du?"

Es ist eine Frage nach der Herkunft und in gewisser Weise auch nach der Identität, schließlich lässt sich nicht vermeiden, dass die Kultur, mit der man aufgewachsen ist, wesentliche Auswirkungen auf das Verhalten, die Werte und Angewohnheiten eines jeden Einzelnen hat.

Vielleicht nicht zwingend, wenn man Länder wie Frankreich und Deutschland vergleicht, ein paar Unterschiede gibt es schon, aber im Großen und Ganzen ist die Kultur ähnlich. Anders sieht das dann beispielsweise in meinem Fall aus. Deutschland und Burkina haben sehr, sehr unterschiedliche Kulturen, wie man sich vielleicht denken kann und mir wird immer wieder diese eine Frage gestellt: Woher kommst du?

Einfache Frage, schwierige Antwort, zumindest für mich.

Das Ding ist, ich bin nicht ausschließlich deutsch oder burkinabé.

Ich bin beides und beides hatte seinen Einfluss auf mich.

Ich bin nicht wie die meisten meiner Freunde aufgewachsen, ich spreche seit ich drei bin zugegeben gebrochenes Französisch, aber es ist besser als das, was man in der Schule erlernt, konnte meine Haare in Kindergarten nie offen tragen, habe flechten gelernt, bevor ich meine Schuhe binden konnte, bin nie ein Fan von Kochbananen gewesen, obwohl meine Schwester sich davon wochenlang ernähren könnte, kenne Henna seit meiner Kindheit, Addis-Abeba-Stoff ist für mich etwas Altbekanntes, kein neuartiger Trend, und es ist normal, abends warm zu essen. 

Auf der anderen Seite steht in meinem Pass deutlich deutsch als Nationalität, ich habe meinen Fahrradführerschein gemacht, kann immer noch das Prunella the poltergeist Lied aus der fünften Klasse, habe Diddl-Blätter gesammelt und Lafee gehört, könnte in Burkina niemals Autofahren,  Sendung mit der Maus und das Sonntagsmärchen haben meine Kindheit geprägt, kann Dinge wie tschechisches Streichholzstächelchen aussprechen und bin jedes Jahr auf dem Weihnachtsmarkt.

Das ist der Punkt: Ich bin mit beiden aufgewachsen. Ich habe nicht nur eine Kultur, sondern zwei. Auch wenn ich sage, dass ich deutsch bin, weiß ich, dass ein Teil von mir auch eine andere Zugehörigkeit hat und das ich mich nicht auf ein Land festlegen kann und das sollte auch niemand müssen. Wir leben in der Zeit der Globalisation, wieso wird dann von vielen immer noch angenommen, dass man nur zu einem Land "gehören" kann und sich entscheiden muss?

Ich bin nicht für eine Schwarze weiß, oder für eine Weiße schwarz.

Ich bin beides, vielleicht nicht Hälfte Hälfte, aber immer noch so, dass ich keinen Teil meiner Identität aufgeben kann und will. Und egal, wie viele Schubladen es gibt, ich passe in keine, denn ich bin mehr als eine Sache. Ich bin mehr als ein vorgefertigtes Klischee.


100 Days of Burkina | german and englishWhere stories live. Discover now