Sag bloss du weisst nicht wer er ist... ( Überarbeitet)

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Mila schlief wenige Stunden, in dem Wissen, in der folgenden Nacht die junge Pflegekraft Melanie zu unterstützen. Sie hatte mehr Erfahrung als das junge Ding, obwohl sie nur acht Jahre älter war, aber sie verstand nicht das man sie allein ließ. Sie fand es für beide Seiten unfair.
Telefonisch teilte sie der Leitung des Intensivpflegedienst mit, was geschehen war und das sie in der Nacht erneut einige Stunden aushelfen würde. Diese zeterte zwar herum, aber das war Mila egal.

Gegen elf am Abend fuhr sie dann tatsächlich zum Haus der Eheleute. Helene war noch auf und saß in der Küche.
„Warum schlafen Sie denn nicht?", wollte Mila, die Leggins und Sweatshirt trug, wissen. „Wie kann ich ruhig schlafen?", erhielt sie als Antwort. Sie legte der älteren Dame eine Hand auf die Schulter.
„Gehen sie schlafen, ich bin jetzt einige Stunden da. Wir bekommen das hin! Und Melanie wird an Sicherheit gewinnen!", erklärte sie mitfühlend. Sie hielt ihre Hand, drückte sie. Erst danach ging sie in den Bereich des Patienten.
Ruhig ging sie mit der jungen Frau das Atemgerät durch. Melanie wirkte nervös, aber sehr interessiert. Sie erklärte ihr jeden Knopf, jeden Schlauch und jeden Alarm. Sie wiederholte alles langsam, denn die frische Pflegekraft notierte sich alles. Auch zeigte sie ihr die Fehlerquellen des Gerätes.
Gegen halb eins nahm sie eine Bewegung an der Fensterfront wahr und bat die Pflegekraft die Tür zu öffnen. Diese kam der Bitte nach und begrüßte den Enkel des Hauses stotternd.
Dieser trat ohne Melanie wirklich zu beachten direkt zu Mila. Aus der Tasche seiner Collegejacke zerrte er eine eiskalte Dose Cola und reicht sie weiter. „Hey Knackarsch!", begrüsste er sie.
Mila schaute zu ihm, hob eine Augenbraue. „Hey Sportprolet!", entgegnete sie und sah wie sich sein Mundwinkel zu einem Grinsen verzog. Sie reichte die Dose noch einmal zurück und grüßte dann auch Melanie.
Melanie im Hintergrund glaubte kaum, was sie dort zu sehen bekam.
Mila zeigte der jungen Pflegekraft einige weitere Kniffe und Tricks, die hilfreich waren. Auch teilte sie einige Dinge mit, die sie bei dem gerade schlafenden Patienten machte, wie das massierende Eincremen der Extremitäten am Abend. Sie bat sie auch darum, so viel wie möglich vom Tag zu erzählen, ihm immer zu sagen was man tat. Dies insbesondere wenn er wach war so, daß man ihn dabei ansah. Marcel wollte wissen, wieso sie das so handhabte. "Warum mit ihm sprechen?" Mila sah ihn überrascht an. "Du erzählst ihm doch auch vieles, wenn Du hier bist!", entgegnete sie. "Ja, das mache ich, weil es mir ein Bedürfnis ist. So viele haben gesagt, das es keine Hoffnung für ihn gibt.", sagte er traurig. Mila griff nach seiner Hand und drückte diese leicht. "Und genau das glaube ich nicht. Ich glaube, das er viel mehr mitbekommt und auch versteht, als alle denken!", erklärt sie ihm völlig unverblümt.

Zu vorgerückter Stunde ging Marcel draußen rauchen. Melanie ging unauffällig zu Mila.
„Was geht bei euch?", wollte sie neugierig wissen.
Sie blickte nicht auf zu ihr und entgegnete: „Nichts geht da, aber was war denn das für ein Gestammel als er vorhin rein kam!", wollte sie wissen.
Die Angesprochene deutete zur Terrassentür. „Willst Du mir etwa sagen, du hast keine Ahnung wer er ist? Du weißt nicht, das er ein Star in Buxtehude ist?", klang sie regelrecht entsetzt. „Er ist berühmt. Er ist eine YouTube Legende! Ein Twitch Star.", setzte sie aufgeregt nach.
„Woher sollte ich das wissen? Und viel wichtiger ist, muss ich das wissen?", fragte Mila weiter. Sie hatte anderes im Kopf gehabt als YouTube zu durchforsten, meistens wäre es aufgrund fehlenden Internets auch garnicht möglich gewesen.
Sie konnte keine Antwort dazu bekommen, denn Marcel kam wieder rein. Mila musterte ihn, wie er sich neben sie auf die Couch plumpsen ließ. Jogginghose, Hoodie und sie konnte etliche Tattoos sehen. Eher sah er aus wie ein Bad Boy, aber nicht wie ein Star.

Beide blieben noch bis vier, ehe sie Melanie allein ließen. Beide fuhren ihres Weges und beide fielen in ihren Räumlichkeiten sofort ins Bett.
Am späten Vormittag stand Mila wieder auf. Nach einer Dusche stieg sie in Jeans und enges Langarmshirt. Ihre Locken trockneten an der Luft, nur aus dem Gesicht geklippt. Sie entschied sich für Sneakers und Daunenweste, ehe sie zum einkaufen fuhr. Von einem dortigen Imbiss nahm sie sich einen Döner mit.

Im Anschluss daran fuhr sie an die Aussichtsplattform Nottensdorf. Sie wohnte zwar noch nicht lange da, aber die Plattform hatte sie bereits mehrfach besucht, nachdem sie diese eher zufällig entdeckt hatte.
Hier war die Aussicht sensationell und es kam nicht oft jemand her.
Mila begann ihren Döner zu essen als näherkommendes Hundegebell die Ruhe zerstörte.
Trappelnde Pfoten ließen sie aufschrecken. Plötzlich stand ein pechschwarzer Mops neben ihr auf der Bank und versuchte an den Döner zu kommen. Mila lachte ausgelassen, obwohl ihre Weste bald von Pfotenabdrücken übersät war, aber sie lachte immer weiter.
Über den Holzsteg kam dann ein Mann auf die Plattform. „Kylo Du Köter!", erklang eine bekannte Stimme. Sie sah auf und erblickte Marcel.
„Sportprolet!", feixte sie, während sie den Hund kraulte.
„Knackarsch!", hielt er dagegen.
Dann deutete er auf den Döner. „Ist der Döner aus dem ranzigen Wagen am Rewe?", fragte er. Mila nickte und sah wie er sich setzte. Marcel griff an ihr Handgelenk, zog es zu sich und biss von dem Döner ab. Sie wollte sich gerade aufregen, als er erneut abbiss. „Das ist die ranzige Bude von Mehmet, das riecht Kylo schon von weitem. Ich besorge Dir nachher nen neuen!", redete Marcel. Sie gab sich geschlagen und überließ ihm den Großteil ihres Döners.
Mila dachte an die Worte von Melanie und musterte ihn. Wieder trug er Jogginghose und Hoodie, sowie eine Kappe.

Er sollte ein YouTube Star sein?
Er sollte berühmt sein?
Sie konnte sich das nicht vorstellen, aber wie sollte sie das auch erkennen können. Sie kannte niemanden der berühmt war.
Für sie war er Marcel, außer ihren Kolleginnen der erste Kontakt mit dem sie mehr als fünf Worte gewechselt hatte.
Schweigend saßen sie nebeneinander und sahen Kylo zu, wie er auf seinen kurzen Mopsbeinen über die Plattform tapste. Auch hielt er Wort und lud sie auf einen Döner an der ranzigen Bude ein.
Sie waren nicht unbeobachtet, redeten belanglos.

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