43. Kapitel

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Leider kam ich in dieser Nacht zu keinerlei Erkenntnis und ich konnte sagen, dass ich noch verwirrter war als zuvor.

Und im Nachhinein wünschte ich mir, dass er doch bei mir geblieben wäre, denn dann hätte ich mit Sicherheit besser schlafen können.

Und so verbrachte ich einen weiteren Tag einfach nur in meinem Pulli sowie in meinen Joggers und lag dabei fast die ganze Zeit in meinem Bett. Reece nahm das mit dem Alleinlassen ziemlich ernst, denn er meldete sich auch an dem Sonntag nicht und erst als ich ihm schrieb, hörte ich das erste Mal wieder von ihm. Ich fragte ihn, ob er morgen früh zum Campus wollte, denn ab dann bestand keine Pflicht mehr, da es sich um die letzte Woche handelte.

Ich bin froh, wenn ich nicht mehr hin muss. Willst du denn morgen hin?

Ich wusste, dass er mir im Endeffekt einfach nur auswich und mir nur keine klare Antwort gab, denn er wollte wissen, ob ich hin ging und ob er mich fahren musste. Talia hatte mir jedoch schon geschrieben, dass ich sie noch anrufen sollte, damit wir einen Plan für morgen austüfteln konnten.

Dann kannst du ja endlich mal ausschlafen, was? ;) Ich weiß es tatsächlich noch nicht und schau morgen einfach spontan! :)

Ich bekam erst sehr spät eine Antwort darauf und ich war überrascht, dass er mir überhaupt antwortete, denn ich hatte ihn im Nachmittag beobachtet, wie er gegangen und am späten Abend noch nicht wieder gekommen war. Selbst als ich mich zum Schlafen zwang, hatte ich kein einziges Mal beobachten können, wie Licht im Haus gegenüber angegangen war. Und so schlief ich über meine Gedanken ein.

Als ich am nächsten Morgen aufstand und mich anzog, dachte ich die ganze Zeit darüber nach, ob Reece gestern noch wieder gekommen war. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihm nachspionierte und wusste im gleichen Moment, dass das nicht gut war, dass das genau das war, was ich nie wollte. Ich musste Reece trauen und hoffte, dass er genau wusste, was er tat und wenn er Probleme hatte, sich mir anvertrauen konnte.

Als ich unten in der Küche saß, war es eine der wenigen Male, in denen ich Mama und Papa begegnete. Talia wollte nämlich schon früh da sein, wenn die Streiche anfingen und ich hatte ihr versprochen, dass ich fuhr, da ich aufgrund meiner Medikamente sowieso nichts trinken durfte.

»Jetzt geht die letzte Woche los«, sah mich Mama traurig an, als sie den Raum betrat und sie mich bemerkte. Ich glaubte, sie wollte einfach nicht wahrhaben, dass ich allmählich erwachsen wurde und dass ich auch die nächste Hürde in meinem Leben gemeistert hatte. Mir wurde auch schwer ums Herz, als ich daran dachte, dass auch die nächsten vier Jahre wie im Flug vergangen waren, doch ich war froh, wenn das Ganze ein Ende fand und ich mal was anderes außer Lernen machen konnte. Die letzte Woche selber hielt ich mich wahrscheinlich noch tapfer, aber wenn wir in unseren Aufmachungen unsere Zeugnisse abholten und wir dem Abreisedatum von Talia immer näher kamen, wusste ich, dass ich dann auch um einiges sentimentaler wurde.

»Kaum vorstellbar, was?«, fragte ich sie mit einem müden Lächeln und trank einen weiteren Schluck meines Tees.

»Du bist schon so erwachsen«, murmelte sie wehmütig und wand sich schließlich dem Toaster zu.

»Wie spät sollst du bei Talia sein?«, lenkte sie schließlich nach einiger Zeit wieder meine Aufmerksamkeit auf sich.

»In einer Viertelstunde«, antwortete ich ihr, nachdem ich auf die Uhr geschaut hatte.

7 Uhr war zu früh - normalerweise lag ich noch im Bett.

»Dann musst du ja jetzt gleich schon los«, verkündete sie überrascht, doch ich saß noch müde auf meinem Stuhl und konnte mich kaum bewegen, weshalb ich einfach nickte. Doch irgendwann überwand ich mich und stand auf, damit ich mir meine Jeansjacke überziehen und mich von meinen Eltern verabschieden konnte.

»Viel Spaß!«, begannen beide und fanden die Tatsache, dass sie es zur gleichen Zeit gesagt hatten, sehr witzig. Ich verdrehte meine Augen und hielt Papa einfach meine Hand hin, damit er mir seinen Autoschlüssel geben konnte.

»Fahr vorsichtig und pass auf!«, rief Mama mir hinterher, als ich schon dabei war, den Raum zu verlassen. Ich nickte und verschwand schließlich durch unsere Haustür. Ich konnte mich jetzt nicht noch länger aufhalten, denn ich musste zu Talia noch einige Minuten fahren und ich war schon etwas spät dran. Als ich die Treppen zu unserer Auffahrt herunterging, beobachtete ich das Haus, in welchem seit gestern schon kein Licht mehr gebrannt hatte. Schweren Herzens und ohne weiter nachzudenken, schmiss ich meine Krücken auf die Rückbank und ließ mich auf den Fahrersitz fallen. Ich war froh, dass ich Papas Auto nicht schalten musste, denn so brauchte ich die Fahrt über nur Gas geben und nicht zusätzlich noch kuppeln.

Meine beste Freundin einzusammeln, ging schnell, denn sie wartete bereits draußen ungeduldig auf mich und war froh, als sie mich erkannte. 

guardian angel IWhere stories live. Discover now