Kapitel 16

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"Ich mache Schluss mit dir."
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Für einen Moment war es still.
Ich hielt den Atem an, während ich Taehyungs Reaktion abwartete.
Ich wollte ihn nicht zurückweisen.
Das wollte ich wirklich nicht.
Aber ich wollte nicht, dass ich erneut jemandem etwas versaute.
Jemandem das Leben schwer machte.
"Yun", Taes Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Es schnürte mir die Kehle zu.
Meine Hand, die bis eben auf meinem Knie geruht hatte, legte sich auf das kühle Holz der Tür hinter mir.
Wie sehr wollte ich ihn umarmen, die ganze Situation einfach vergessen und so weitermachen wie zuvor.
Doch das funktionierte nicht.
Nicht für mich.
"Ist es das was du möchtest?", ertönte die Stimme des älteren erneut.
Nein.
Es war definitiv nicht das, was ich wollte.
Aber das, was ich tun musste.
"Ja."
Meine Stimme klang fester als gedacht und doch musste ich mich zusammenreißen, nicht erneut zu schluchzen.
"Dann werde ich das akzeptieren."
Mein Herz setzte kurz aus, bevor er entsetzlicher Schmerz durch meine Brust zog.
Ich wartete, bis ich hörte, dass Tae das Zimmer verlassen hatte, bevor ich erneut in Tränen ausbrach.

Eine gefühlte Ewigkeit später fühlte ich mich endlich in der Lage, das Badezimmer zu verlassen.
Überrascht stellte ich fest, dass Jungkook auf seinem Bett saß, Kopfhörer in den Ohren.
Die Röte breitete sich in meinem Wangen aus.
Der ältere schien mich erst zu bemerken, als ich die Tür hinter mir schloss und mich zu meinem Bett begab.
Im Augenwinkel sah ich, wie er die Kopfhörer aus den Ohren nahm und sein Handy vor sich auf das Bett legte.
"Yun", begann er leise, während er aufstand und zu meinem Bett ging, wo er sich schließlich neben mir niederließ, "wirst du mit mir reden, wenn ich dich frage?"
Ich wollte leugnen, dass es etwas zum Reden gab, aber wem sollte ich etwas vormachen.
Ich schwieg und lehnte meinen Kopf gegen Kooks Schulter.
Ich vertraute ihm.
Er war wie ein Bruder für mich.
"Das deute ich als Ja. Also... Was ist los? Ist es wegen dem Bild? Wir werden eine Lösung finden, keine Sorge. Wir können es leugnen, schließlich ist es keine allzu große Sache oder... wir sagen frei heraus was los ist. Egal wie die Reaktionen sein werden, wir sind bei dir. Bei euch. Ihr seid nicht alleine."
"Und was ist, wenn das Management es erfährt? Wer garantiert uns, dass weder ich noch Tae die Gruppe verlassen müssen?", flüsterte ich.
"Ich kenne die Leute vom Management schon einige Zeit. Sie werden uns helfen unser weiteres Vorgehen zu planen, aber sie werden dich oder Tae deswegen nicht aus der Gruppe schmeißen. Es ist schwierig, durchaus ... Aber nicht unmöglich. Wer sich mit euch anlegt, macht sich auch uns zum Feind. Du weißt, dass wir eine Gruppe... Eine Familie sind. Niemand wird alleine gelassen."
Jungkook legte einen Arm um mich.
"Was macht dir so große Angst?", wollte Kookie schließlich wissen.
Seine Stimme klang vorsichtig.
So, als würde sie mir versichern wollen, dass er, egal was ich sagen würde, auf meiner Seite wäre.
Ich zögerte, doch letztendlich verließen die ersten Worte meine Lippen.
"Ich... war noch in der Schule in Hwasun, als ich herausgefunden habe, dass ich mich für Jungs interessiere. Es gab da jemanden, der mir ähnlich zu sein schien und wir verbrachten ziemlich viel Zeit miteinander. Er hatte mir das Gefühl gegeben, dass es vollkommen okay war, so zu denken, wie ich es tat. Wir haben uns zwar nie als Paar bezeichnet, doch das waren wir. Andere auf der Schule haben das mitbekommen. Sie haben meinen Freund nicht in Ruhe gelassen, ihn dafür fertiggemacht, dass er mein Freund war. Mich haben sie meist in Ruhe gelassen. Aber zu sehen, dass er so litt... Und das nur wegen mir... .
Eines Nachmittags nach der Schule haben uns ein paar Mitschüler abgefangen. Sie warfen uns irgendwelche Beleidigungen an den Kopf, die mich nicht wirklich trafen, aber meinen Freund. Das war der Punkt an dem er es nicht mehr aushielt. Er hat mir, vor allen anderen gesagt, dass ich nicht normal war und dass er nur mit mir gespielt hatte. Dass er das alles nur getan hatte, damit die anderen sehen konnten, was für ein Freak ich war. Ich konnte ihm ansehen, dass er einfach nur verzweifelt gewesen war und trotzdem taten mir seine Worte unendlich weh. Seitdem wollte ich nicht mehr, dass jemand wegen mir leiden musste... Nur weil ich anders war", erklärte ich, gefasst und ruhig.
Es kam mir vor, als würde ich die Geschichte einer x-beliebigen Person erzählen, aber nicht meine.
Jungkook schwieg einen Moment, während er mir über den Arm strich.
"Du hast Angst, dass Taehyung auch verletzt wird? Dass er damit auch nicht klar kommt?", fragte Kookie und sah zu mir.
Ich nickte langsam.
Aus seinem Mund klangen die Worte...anders.
"Oh Yun", murmelte er und marmte mich von der Seite, "Tae wird sich wegen sowas nicht fertigmachen lassen. Ich hab ihn vorhin auf dem Flur getroffen... Er hat mir gesagt, dass du meintest, du würdest nicht mehr mit ihm zusammen sein wollen. Und weder er, noch ich haben geglaubt, dass du das wirklich möchtest. Taehyung ist älter als du. Er weiß, wie man mit Hass umgeht. Wir hatten schon einige solcher Phasen hinter uns. Er weiß, dass seine eigene Meinung am wichtigsten ist und dass wir ihn unterstützen, wenn er seinen Weg gefunden hat. Das gleiche gilt für dich. Wir werden dich nicht einfach hängen lassen. Weißt du, die Vergangenheit prägt uns... Aber sie sollte nicht unsere Zukunft leiten. Unsere Angst von damals, sollte nicht die von morgen sein. Verstehst du, was ich meine?"
Kooks so ernst zu erleben, so tiefsinnig, traf mich.
Er hatte Recht.
Und irgendwie kam mir meine Angst jetzt ziemlich dumm vor.
Ich nickte langsam.
"Gut. Also, was möchtest du wirklich? Was möchtest du, unabhängig von der Meinung anderer?"
Ich zögerte.
Wenn ich meine Angst beiseite schob, wusste ich genau was ich wollte.
"Ich möchte, dass Taehyung mein fester Freund ist."
Im Augenwinkel erkannte ich Kookies zufriedenes Lächeln.
"Perfekt. Dann musst du ihm das nur sagen. Um die anderen Sachen können wir uns kümmern. In Ordnung?", gab Jungkook zufrieden zurück.
Ein lächelte legte sich auf meine Lippen, während ich langsam nickte.
"Danke dir", sagte ich dann, drehte mich zu ihm und umarmte ihn.
Der ältere erwiderte die Umarmung mit einem zufriedenen Seufzen. 

Ich fand Taehyung im Flur.
Er saß auf einem der Stühle, den Kopf an die Wand gelehnt.
"Taehyung?", fragte ich vorsichtig, als ich auf ihn zuging.
Der ältere öffnete die Augen und sah mich einen Moment schweigend an.
"Es tut mir leid. Ich wollte... nicht Schluss machen", flüsterte ich und sah zu Boden, gab mein bestes nicht erneut zu weinen.
Ich hörte, wie Tae aufstand, doch wagte es nicht aufzusehen.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
"Sieh mich bitte an."
Taes tiefe Stimme bereitete mir eine Gänsehaut.
Zögernd folgte ich seiner Aufforderung und sah zu dem älteren auf.
Seine braunen Augen musterten mich.
"Für einen kurzen Moment, habe ich geglaubt, dass du deine Worte ernst meintest. Doch, die Art wie du sie ausgesprochen hast, so unfassbar ängstlich... Vielleicht war es auch nur mein tiefster Wunsch, doch ich habe bezweifelt, dass du mich wirklich nicht mehr wolltest. Denn... Ich brauche dich, Yun."
Seine andere Hand legte sich an meine Wange.
Ihn schien es nicht zu verunsichern, dass die Fans sich uns bereits als Paar vorstellten. 
Dass sie ihre Theorien über uns machten, ohne zu wissen, wie richtig sie lagen. 
Er hatte keine Angst.
"Ich brauche dich auch."
Die Worte verließen meine Lippen, ohne zu zögern.
Taehyung begann zu lächeln und zog mich sanft näher.
"Wovor auch immer du Angst hast, die brauchst du jetzt nicht mehr zu haben. Ich werde dafür sorgen, dass dir nichts passiert, wenn du bei mir bist. Verstanden?"
Seine Stimme hatte eine liebevolle Strenge angenommen, die mir das Gefühl von Sicherheit vermittelte.
"Verstanden."
"Darf ich?", fragte er, während er von meinen Augen zu meinen Lippen sah.
Mein Lächeln wuchs.
Ich brachte keine Antwort hervor, sondern nickte nur.
Mit einem zufriedenen Ausdruck legte Taehyung seine Lippen auf meine.
Und dieses Mal störte es mich nicht, dass wir mitten im Flur standen.
Dass man uns sehen konnte.
Doch uns wurde kein langer Augenblick gegönnt.
Das Klingeln von Taes Handy ließ uns unsere Lippen wieder trennen.
"Entschuldige", murmelte er und zog dann sein Handy aus der Tasche.
Sein Blick wanderte zum Handybildschirm, dann wieder zu mir.
Taes Gesicht änderte sich, doch ein schmales Lächeln blieb.
Er drehte den Bildschirm zu mir.
'Manager Sejin'.
Ich biss mir kurz auf die Lippe.
Jetzt würde sich herausstellen, ob Jungkook mit seiner Aussage richtig lag.
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Heyy,
Hier Mal ein kleines Update. Ich hoffe, dass es euch gefallen hat.
Feedback würde mich freuen 💜

A new love //Der neue Maknae 2// (beendet)Where stories live. Discover now