05

48 6 0
                                    

Jaebum

Eine Weile verbrachten wir still, schauten dem Wasser beim Vorbeiziehen zu. Noch immer schimmerte der Mond wundervoll in dem dunklen Blau. Mein Blick entwich dem Wasser jedoch immer wieder und legte sein Augenmerk auf den Jungen neben mir, der wie hypnotisiert dieses Wasserschauspiel beobachtete. Auf seinen Lippen hatte sich ein sanftes Lächeln gelegt, jedoch begann sein Körper ab einer unbestimmten Zeit zu erzittern, deutend darauf, dass ihm kalt wurde, je länger wir hier standen und uns nicht sonderlich bewegten. Es fiel mir schon davor auf, dass seine Hände kalt waren, als ich meine Hand in seine legte. Am späten Abend war es natürlich kälter; kein Wunder, dass ihm zum Zittern kalt wurde, während seine Jacke aus dünnem Stoff bestand, der einem nicht mal bei 10 Grad warm hielt. - Man selbst konnte bei diesem einfachen Anblick des zierlichen Jungen nur erschaudern und erfrieren.

Ohne zu zögern, streifte ich meine Jacke ab, legte diese ihm auf seine Schultern, wodurch er erschrak und zusammenzuckte. Mit großen, glasigen Augen musterte er mich genau, schüttelte seinen Kopf. "Ich denke, du brauchst sie gerade mehr als ich.", meinte ich nur nebenbei und lächelte ihn dabei wie bescheuert an.

Er musste bestimmt sonst etwas von mir denken, dass ich mich an ihn heranmachen wollte oder ich irgendwelche bösen Pläne schmiedete. Allerdings hatte ich überhaupt keine Absichten, außer einen freundlichen, netten Eindruck ihm gegenüber zu hinterlassen.

"Jaebum.. D-das" Er griff sich in dem Stoff der Jacke fest, hielt inne. Seine Atmung wurde unruhiger. "Wieso bist du so nett zu mir?" Die Worte waren zittrig und zeigten, dass er versuchte seine Tränen zu unterdrücken. Ich hätte ihn am Liebsten in den Arm genommen, um zu zeigen, dass es keinerlei Grund gab überhaupt nur eine Träne vergießen.

"Wieso sollte ich nicht nett zu dir sein? Ich schätze, du tust nicht einmal einer Fliege etwas zu leide. Und außerdem ist mir ziemlich warm, sodass mir das gar nichts ausmacht, wenn du meine Jacke hast."
"Nett, wie du lügst, um mich zufrieden zu stellen.", hauchte er, seinen Blick auf den Boden richtend.

Keineswegs überrascht über seine Aussage, fing ich an mit Lächeln. Es überraschte mich keineswegs, ganz und gar nicht. Ich hatte mit so einer Reaktion seinerseits gerechnet. Wir waren Fremde; da konnte man so eine Reaktion erwarten. Oder?

"Was grinst du so blöd?"

Ich schüttelte den Kopf, antwortete nur mit einem Belustigten "nichts nichts". Etwas Anderes brachte ich nicht über meine Lippen. Auf gewisse Art und Weise verletzte es mich, dass er so abweisend plötzlich wurde.

"Ich sollte wohl besser gehen..", murmelte er, eher an sich selbst gerichtet. Vorsichtig schälte er sich aus meiner Jacke, hielt sie mir entgegen. Doch ich versuchte Blickkontakt zu ihm zu halten, den er auch beibehielt. Ohne es zu merken, versank ich in meinen Gedanken. Er räusperte sich, als nach einigen Sekunden noch immer keine Reaktion meinerseits erfolgte. Ich zuckte zusammen, bemerkt nach Kurzem, wie meine Wangen wärmer wurden. Viel zu oft driftete ich ab und blendete alles somit um mich herum aus. Umso peinlicher ist es, wenn es ein anderer bemerkte; wie jetzt.

"Sicher? Soll ich dich nicht noch begleiten?", stellte ich sicher, nahm meine Jacke entgegen.

Youngjae schüttelte mit seinem Kopf, lächelte mich an. Es war mehr aufgezwungen und gequält, als dass es vom Herzen kam und mir geschenkt war. Dass er da blieb, konnte ich jedoch nicht erzwingen; wollte und konnte es auch nicht. Und dass er mein Angebot ebenso wenig entgegen nahm, ihn zurückzubegleiten, war auch seine Angelegenheit gewesen. Ich wollte ihn weder nerven, noch verschrecken oder etwas aufzwingen. Doch das hatte ich bis dato sowieso geschafft gehabt, schätzte ich.

Irgendwie schaffte es Youngjae nicht sich aus seinem Stand zu befreien und zu gehen. Weiter hielt er den Blickkontakt bei und dabei machte es mich glücklich, wie seine Mundwinkel erneut nach oben glitten und sein echtes Lächeln zum Vorschein kam. Jedenfalls nahm ich dies an. Es wirkte ernst gemeint und nicht gestellt, so wie eben.

"Dann möchte ich dich nicht weiter aufhalten.", brach ich die Stille, wuschelte mit meiner Hand durch seine Haare, "Bestimmt sieht man sich wieder." Er nickte, versteckte seine Augen hinter seinen Haaren.
"Bestimmt", wiederholte er das eine Wort leise vor sich hinmurmelnd. Sachte lief er an mir vorbei, ich sah ihm hinterher.
"Tschüss Kleiner"

Auf meine Verabschiedung ging er nicht weiter ein, sondern lief weiter. Ich war mir nicht sicher, ob er es nicht hörte oder nicht hören wollte. Ein Seufzen entwich meiner Kehle, ehe ich selbst den Heimweg ansteuerte.

𝗣𝗿𝗼𝘁𝗲𝗰𝘁𝗼𝗿 ✧ 2JAEWhere stories live. Discover now