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Youngjae

"Kleiner", murmelte ich und kickte den Stein über den Boden, "Kleiner..." War ich wirklich so klein? Jaebum war größer als ich, aber vielleicht lag es daran, dass er älter war - wie alt war er bloß?

Ich schreckte auf als die Schulklingel ertönte - fuck, schon wieder zu spät! Meine Füße trugen mich plötzlich blitzschnell über den hellen Asphalt, ehe ich durch den Spalt der Tür huschte und mir einen Weg zu den Treppen bahnte.

Wegen diesem dummen Jungen hab ich die Zeit vergessen - was soll das, warum ist er mir nicht egal?

Ich lief die Treppen hoch zum Klassensaal, seufzte leise als ich die geöffnete Tür sah - wenigstens war ich nicht zu spät. Doch selbst das wäre mir egal gewesen, denn momentan drehte sich alles in meinem Kopf um Jaebum und wie er lächelte und wie er mich am Vortag angesehen hatte und-

Nein Youngjae, er ist nichts besonderes - jedenfalls bist du nichts besonderes für ihn. Bilde dir nichts darauf ein. Zeig kein Interesse, bloß weil er dir ein bisschen Aufmerksamkeit gibt. Das ist albern. Du bist albern.

Ich führte diesen kleinen inneren Monolog noch weiter, den ganzen Tag hinweg um ehrlich zu sein. Am liebsten wollte ich Jaebum nie wieder sehen, andererseits wollte ich, dass er jemand sein könnte, dem ich vertrauen kann, jemand der mich mag. Jemand eben, aber nicht irgendjemand, sondern jemand besonderes.

Und so stand ich an die Reeling der Brücke gelehnt, wartend auf das rötliche Licht der Sonne, wenn sie im Meer ertrinken würde. Ich fragte mich, warum ich nicht einfach gleich der Sonne zwischen den Wellen verschwinden könnte? Wem würde es schon auffallen? Wen würde es schon interessieren?

Meine Augen leicht gerötet, als ich meinen Fuß zwischen die Stäbe des Geländers presste um mich auf meinen Lieblingsplatz zu setzen. Sie taten weh, als ich die Tränen zurückhielt, ähnlich wie meine Finger die beinahe an dem eiskalten Metall festgefroren schienen.

Doch grade als ich meine Beine durchdrückte und meinem Ende entgegensehen wollte, spürte ich den selben warmen Stoff wie am Vortag, welcher sich um meine dürren Schultern legte. Sein Geruch stieg mir in die Nase, nahm mich vollends ein. Jaebum.

Ich drehte mich zu ihm um und sah in das lächelnde Gesicht des anderen. "Ich wusste, du würdest hier sein."

Unweigerlich zuckten meine Mundwinkel nach oben, während ich murmelte: "Verfolgst du mich?" Noch bevor mein Lächeln erlischen konnte, entgegnete er mir: "Bis ans Ende der Welt, Kleiner."

Ich erwiderte nichts, spürte nur, wie er meine Hand in seine nahm. "Lass uns irgendwohin gehen, damit du dich aufwärmen kannst." Und ich ließ es einfach zu. Ich wehrte mich nicht gegen die angenehm warme Hand des Jungen, erwiderte den Druck seiner Finger eher noch.

Unser Ausflug endete im nahegelegenen Supermarkt, in welchen ich ihm hinterherdackelte und bei seinem Einkauf behilflich war. Doch nicht nur das - mehr als einmal, riss er einen Witz über das Essen und seine Inhaltsstoffe oder machte sich über einen Gegenstand lustig, woraufhin ich gegen seinen Arm schlug und ihm unter meinem Lachen sagte, er solle damit aufhören. Und doch hoffte ich er würde genau das nicht tun.

Ich hatte lang nicht so viel Spaß beim Einkaufen. Es war lustig, als er mir von seinen Lieblingssüßigkeiten erzählte, als er mir erzählte, dass er bei den Gummibärchen immer erst die orangenen isst, um sich seine Lieblingsfarbe für den Schluss aufzuheben, dass er gerne Chips mit Schokolade isst, all diese kleinen Details, die zwar banal waren, mir jedoch mehr bedeuteten als alles andere.

"Sind deine Hände okay?", fragte er, als wir an der Kasse standen und drückte meine Finger leicht, was mich dazu brachte zu ihm aufzusehen. Für einen langen Moment sagte ich gar nichts, verlor mich nur in seinen Augen - ich könnte schwören, dass er mir näher kam. "Entschuldigung?" Er drehte sich zu der Kassiererin. "Das macht dann 35000₩."

Jaebum ließ meine Hand los und kramte in seinem Geldbeutel. In dem Einkaufswagen lagen zu viele Sachen, die er nicht kaufen wollte, es aber trotzdem tat - er wollte mir eine Freude machen.

Als er bezahlt hatte, nahm er meine Hand und in der anderen hielt er die Tüte, die für einen allein eigentlich zu schwer war. Des älteren Jacke hielt ich in den Händen, doch forderten seine Augen mich auf, sie wieder anzuziehen.

Eher unfreiwillig ließ ich also von seiner Hand ab und zog mir seine Jacke über, bevor wir wieder Hand in Hand, leise kichernd den Laden verließen.

Doch warum sollte ein Tag ruhig verlaufen? Kaum hatten wir den Laden verlassen riss uns eine Stimme auseinander. "Youngjae?!"

Wissend wer es war, drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung.

"Mama?"

𝗣𝗿𝗼𝘁𝗲𝗰𝘁𝗼𝗿 ✧ 2JAEWhere stories live. Discover now