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Nun war der Tag also gekommen. Es war ziemlich früh, als Maurice aus seinem Bett sprang und sich ins Bad begab. Die Sonne ging gerade erst auf, was hieß, dass es so kurz nach halb sieben sein musste. Fröhlich machte sich der Blonde im Bad fertig und ging erstmal auf die Terrasse. Dort setzte er sich auf einen Stuhl und atmete die frische Morgenluft ein. Bisher war es noch ein guter Tag, doch würde es sich schon bald ändern. Heute war der Tag, wo Maurice sein Geheimnis an Michael verraten wollte. Mit nur ein paar Worten konnte er den ganzen Abend komplett ruinieren. Er hätte sich wirklich einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, schoss es ihm durch den Kopf. Jetzt war es allerdings zu spät. Maurice wollte den Bogen nicht noch weiter spannen. Er hatte seine höchste Spannweite schon erreicht und wenn er jetzt noch weiter warten würde, dann würde der Bogen kaputt gehen. Der Bogen würde kaputt gehen, bevor er überhaupt den Pfeil geschossen hatte. Und der Pfeil war eigentlich das was töten sollte. Er konnte sich dann keinen weiteren Bogen craften, wie man es in Minecraft machen würde. So ging das Spiel Realität nicht. Er würde einfach für immer kaputt sein. Der Gesichtsausdruck des blonden Jungen wurde etwas trauriger, als er daran dachte. „Nichts wird wie vorher sein.", murmelte er leise und traurig zu sich selbst. Maurice war so in seiner Gedankenwelt gewesen, dass er gar nicht mitbekommen hatte, wie seine kleine Schwester zu ihm gekommen war. „Was wird nicht mehr wie vorher sein?", fragte sie neugierig aber besorgt nach. In ihren kleinen Ärmchen hielt sie das berühmte Schneckchenkissen, was sie so sehr liebte. Es stammte ja auch von ihrem Bruder. Maurice schreckte auf und sah seine Schwester an. Leicht lächelte er und hob sie hoch. Vorsichtig setzte er sie auf seinem Schoß ab. Das kleine Mädchen saß nun mit dem Gesicht zu ihm. „Weißt du Prinzessin, nichts läuft im Leben nach deinen Plänen ab. Das Schicksal ändert es so oft es möchte, wie stark es möchte und wann es möchte. Wir haben praktisch keine Ahnung, was als nächstes passieren wird, da das Schicksal sich noch kurz davor um entscheiden könnte, verstehst du?", sagte Maurice und schwelgte kurz wieder in Gedanken. Sie handelten wie schon so oft um Micha. Das Mädchen vor ihm nickte kräftig, doch eigentlich verstand sie es nicht. Allerdings wusste sie, dass es ihrem Bruder nicht gut ging und man ihm einfach nur zuhören musste. Die eben genannte Prinzessin war zu jung um diese Wort zu verstehen. Irgendwann in ein paar Jahren würde sie es aber. Maurice sah in den Himmel und lächelte ein wenig. Dieser war leicht rötlich, da die Sonne noch nicht komplett aufgegangen war. Die Wolken sahen durch das morgendliche Licht rosa aus und hatten verschiedene Formen. Der Blonde zeigt auf eine Wolke und sah kurz seine Schwester an. „Schau mal die Wolke sieht wie ein Teddybär aus, findest du nicht?", fragte er lächelnd. Das Mädchen drehte sich neugierig um und sah wie ihr Bruder in den Himmel. Aufgeregt nickte sie. „Ja ein großer und flauschiger Teddybär!", rief sie entzückt. „Der könnte aber auch mal wieder zum Friseur gehen.", stellte seine Schwester mit schiefgelegtem Kopf fest und kicherte danach. Lächelnd strich Maurice ihr über den Rücken. „Auf jeden Fall, du solltest ihm einen guten Friseur empfehlen.", spielte er mit und sah sie mit einem zustimmendem Blick an. Die Angesprochene nickte kräftig und überlegte dann. Maurice konnte nicht anders und musste wieder lächeln. Sie war wirklich der reinste Sonnenschein. Nichts konnte ihre Laune herunterspielen und das bestaunte der Blonde so an ihr. Naja, sie war auch noch ein Kind, da hatte man weniger Sorgen. „Hey Teddy!", rief sie plötzlich laut und winkte mit dem Schneckchenkissen in der Hand der Wolke zu. „Du solltest mal zu Maria gehen, die kann dir das Fell schneiden.", meinte sie laut in den Himmel und kicherte dann. Maurice lachte herzhaft darüber. Es war schon öfter vorgekommen, dass seine Schwester das gemacht hatte, deswegen war es nichts Verwunderliches für ihn. Beide starrten schweigend in den Himmel und hingen jeweils ihren eigenen Gedanken nach. Sie beobachteten beide, wie die leicht rosafarbenen Wolken ihren Weg zogen. Ihr Weg wurde durch den Wind vorgegeben. Es fühlte sich für Maurice plötzlich so an, als wäre er eine Wolke. Sorglos schwebte sie über die Erde. Immer im Strom mit den anderen und vorgegeben durch den Wind. Doch so sorglos sie aussah, das war sie nicht. Schneller als man glauben würde, konnte sich diese sorglose Wolke in eine traurige Wolke umändern. Sie würde all ihre Tränen auf die Erde fallen lassen und wenn sie fertig war, dann war sie wieder normal und konnte weiterziehen. Maurice fühlte sich wie diese eben beschriebene Wolke. Der heutige Tag würde eine langjährige Freundschaft zerstören und es würde seine Schuld sein. „Dado? Egal was ist, ich werde immer bei dir sein.", sagte plötzlich seine kleine Schwester, die noch immer auf seinem Schoß saß und sie sah noch immer in den Himmel. Matt lächelte Maurice und sah auf das Schneckchenkissen, was seine Schwester fest an sich gedrückt hatte. „Dafür werde ich dir immer dankbar sein.", antwortete er leise und langsam bahnte sich eine kleine Träne ihren Weg über die Wange nach unten. In diesem einfachen Satz, den seine Schwester gerade gesagt hatte, hatte so viel Liebe und Zuneigung gesteckt. Langsam löste sie den Blick vom Himmel, der jetzt langsam blau wurde. Sie hüpfte von seinem Schoß und musterte ihn von oben bis unten. Mit ernstem Blick hielt das Mädchen Maurice, das Kissen hin. „Du brauchst das Schneckchen mehr als ich gerade.", stellte sie fest und ihr Blick sagte, dass der Blonde keine Chance für eine Ablehnung hatte. Erstaunt nahm dieser das hellblaue Kissen entgegen und drückte es ein wenig zögerlich an sich. Zufrieden nickte seine Schwester und lief dann zur Terrassentür. Davor blieb sie stehen und drehte sich noch einmal um. „Es wird nichts mehr wie vorher sein, doch muss es heißen, dass es schlecht sein muss? Es kann sich auch zu etwas Gutem entwickeln, hat Mama mir mal gesagt.", sagte sie und verschwand dann durch die Tür. Somit hinterließ das Mädchen einen Maurice, der über die Worte seiner kleinen Schwester nachdachte und dabei das Schneckchenkissen in der Hand hielt.

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