11-Gelborange

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„MEHR HAST DU NICHT zu erzählen?", ruft Jonathan aus. „Also wirklich, es wird doch noch was Spannendes passiert sein. Und essen und dann Loriot gucken ist nicht spannend", versucht Pelle mir etwas aus der Nase zu ziehen. „Boah, es ist wirklich nicht mehr passiert. Wir haben uns zum Abschied umarmt und das wars", versuche ich, die Situation von eben herunterzuspielen. Ich bemerke Jaras nachdenklichen Blick auf mir. „Wenn Krissi uns nicht mehr erzählen will, unabhängig davon, ob mehr passiert ist, oder nicht, können wir doch jetzt mit dem Training anfangen, oder?", mischt sie sich nun ein. Verwundert blinzle ich sie an. Will sie das Telefonat wieder gut machen? Die Schwarzhaarige lächelt jedoch nur lieb. „Ja, klar, lasst uns loslegen!", findet auch Jonathan, welcher sich seine Trainingsjacke auszieht. Pelle hüpft zur Anlage, indessen ich zusammen mit den anderen die Stühle und den Tisch beiseite räume. Dann ziehe ich meine gelborangenen Socken, meine bunte Jacke und mein weißes Shirt aus und beginne, mich aufzuwärmen.

Mit einem Mal springt Jonathan vor mich und tut so, als würde er mir ins Gesicht schlagen wollen. Blitzschnell habe ich seinen Schlag abgewandt und greife ihm ins Gesicht. Sanft drücke ich seinen Kopf nach hinten, dabei kicke ich seine Füße weg, sodass er das Gleichgewicht verliert. Natürlich fange ich ihn auf, bevor er Bekanntschaft mit dem Boden macht. Mein bester Freund lacht, dann löst er sich von mir. „Gute Reaktion", lobt er mich, wobei er durch meine rotblonden Haare wuschelt. Ich verbeuge mich spielerisch. „Danke, danke. Vielen Dank, Sweetheart."

„Wenn ihr fertig geflirtet habt, will ich euch nen Song zeigen, zu dem ich tanzen will. Und ihr macht mit, ob ihr wollt, oder nicht!", bestimmt Pelle. Grinsend drehe ich mich zu meinem Cousin um, der bereits an der Anlage steht und auf seinem Handy herumtippt. Einen Augenblick später erklingen auch schon mitreißende Gitarren- und Schlagzeugklänge, weshalb meine Schultern sofort zu zucken beginnen. „Krissi mags schon mal", grinst mein Cousin, dann schielt er zu seiner Freundin und unserem Kumpel. Tatsächlich zappeln auch die beiden schon mehr oder weniger durch die Gegend, weshalb Pelle glücklich strahlt. „Wie heißt es?", erkundige ich mich. „Picasso von den Rikas", kommt es wie aus der Pistole geschossen zurück. „Ach, ist von denen nicht auch Dancing in my room?", fällt Jonathan auf. Pelle nickt. „Genau!"

„Alles klar, wir mögens offensichtlich alle, dann lasst mal anfangen, oder?", schlägt Jara ungeduldig vor. „Yes, Milady!" Pelle salutiert, weshalb Jara ihm einen Klapps auf den Hintern gibt, woraufhin der wiederum die Wange seiner Freundin ableckt. „Bah", macht diese halb belustigt, halb angeekelt, wobei sie sich mit dem Arm übers Gesicht wischt. „Wenn ihr dann fertig mit dem Flirten sein, Cupcakes, wollen wir dann mal anfangen?", ärgere ich unser Pärchen. „Du bist doch nur eifersüchtig, Krissi", gluckst mein Cousin, weshalb ich die Augen verdrehe. Wenn jetzt jemand die Gelegenheit nutzt, dann...

„Gibst du deinem Loverboy eigentlich auch so wundervolle Spitznamen?", schießt Jara in meine Richtung. Ich wusste es. Ich wusste, dass diese Situation nicht ungenutzt bleibt. „Er heißt Mio und so nenne ich ihn auch", gebe ich ruhig zurück. Diese Verrückten müssen ja nicht wissen, was ich getan habe, als ich seinen Namen noch nicht kannte. „Hm, ich glaub auch. Wann lernen wir ihn kennen?", erkundigt sich Jonathan unschuldig. Etwas perplex runzel ich die Stirn. „Wollt ihr das?", erkundige ich mich verwundert. „Na klar. Selbst, wenn er nur ein Kumpel von dir bleibt", lächelt Pelle. Misstrauisch blicke ich von einem zum anderen. Warum genau sind meine Schätzchen grad so nett? Jara lacht leise. „Ich stimme den Jungs zu. Wenn du gern mit ihm Zeit verbringst, wird er ja nicht so ein Arschloch sein, wie er sich gibt", fügt sie an. „Ähm... nein, ist er nicht", antworte ich, noch immer skeptisch. „Also, lasst uns anfangen, oder? Also hier am Anfang habe ich einen Vibe wie dieser Move...", beginnt Pelle.

Zwei Stunden später blicke ich auf meine Uhr. „Heilige Makrele, schon kurz vor zwölf! Eure Nachbarn müssen ja einiges gewohnt sein, wenn sie sich noch nicht über die Anlage beschwert haben", wundere ich mich. „Das ist halt nicht son Spießbürgertum", grinst Jonathan. „Cool. Also, ich bin auch müde, lass noch einmal durchtanzen und dann aufhören", findet Pelle. Wir anderen nicken zustimmend.

„Pennt ihr hier?" Jonathan wirft mir einen Blick durch den Spiegel zu, während wir unsere Zähne putzen. „Hab kein Bock mehr, nach Hause zu fahren. BLEIBEN WIR, PELLE?", brülle ich dann los. „JAHA!", kommt es aus einer anderen Ecke der Wohnung zurück. „Es wäre so viel einfacher, wenn wir uns zu viert ne Wohnung suchen würden", seufzt Jonathan. „Du weißt, dass Pelle und ich uns nur leisten können, zu studieren, weil wir noch zu Hause wohnen", gebe ich leise zurück. Jonathan streicht einmal über meine nackte Schulter. „Klar, so war das auch nicht gedacht. Ich meinte das so allgemein", nuschelt er, dann spuckt er seine Zahnpasta ins Waschbecken. „Ja, stimmt, wäre schön", gebe ich leise zurück. Aber an manchen Dingen kann man halt nichts ändern. „Morgen müssen wir uns aber mal wieder zu Hause blicken lassen", rede ich mehr mit mir selbst als mit jemand anderem. Von Jonathan fange ich noch ein Lächeln und ein „Schlaf gut" auf. Ich nicke ihm zu, dann verlasse ich das Bad. „Ich wünsch euch guten Sex und ne gute Nacht!", rufe ich durch die Tür zu Jaras Zimmer, dann begebe ich mich ins Wohnzimmer.

Etwas erledigt lasse ich mich auf die Couch plumpsen. Abgesehen davon, dass hier viel zu wenig Platz für vier Personen ist, habe ich natürlich auch die Arschkarte, auf dem Sofa pennen zu dürfen. Wenn die nur so schön wäre, wie Mios Arsch... Falsche Richtung, Gedanken. Ganz falsche Richtung. Ich kenn Mio seit zwei Tagen. Ich wollte keinen Sex ohne Gefühle mehr. Deshalb muss ich mich wirklich gedulden, vorausgesetzt, das mit Mio sollte je etwas werden... Vielleicht ist er ja auch viel zu sehr in seiner Rolle gefangen. Aber er ist schon heiß. Ein laverheißer Cutie. Allein diese Augen und diese Haare, aber dann der Oberkörper und das, was ich in seiner engen Boxer unschwer erahnen konnte... Ich verdrehe die Augen, weil ich merke, dass ich hart werde. Super. Genervt stehe ich auf. Wie armselig ist es eigentlich, sich allein im Bad seiner Freunde einen auf nen quasi Fremden runterzuholen? Ziemlich armselig, Krissi, verspottet mich mein Gehirn. Ja, danke. Das weiß ich selbst. Ich muss meine Gedanken dringend wieder auf die wichtigen Dinge des Lebens richten. Untervögelt zu sein, zählt nicht dazu. 

KunterbuntWhere stories live. Discover now