29-Olivegrün

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ALS ICH AUS DEM HÖRSAAL trete, sehe ich an der gegenüberliegenden Wand meinen Freund lässig lehnen. Er scheint mich schon eher erblickt zu haben, denn er grinst mich bereits an. Mit einem überraschtem Lächeln trete ich neben ihn. „Was machst du hier?", erkundige ich mich. Er greift nach meiner Hand und läuft zum Ausgang. „Meinen Freund abholen?" „Ja, aber... hattest du nicht auch noch Vorlesung?", antworte ich ihm verwirrt, drücke dabei aber seine Hand, damit er nicht denkt, ich würde mich nicht freuen. „Ich bin halt früher gegangen", lacht er leise. Kopfschüttelnd ziehe ich ihn hinter mir durch ins Freie. „Du bist süß, aber ich will nicht, dass du meinetwegen dein Studium vernachlässigst", seufze ich. „Mach ich nicht, versprochen. Und selbst wenn, dann studier ich halt Kunst", antwortet er lächelnd. „Und deine Eltern?" Mein Freund zuckt mit den Schultern. „Seit ich einen Freund habe, bin ich eh kein Wunschkind mehr, also kann ich jetzt auch auf ganzer Linie verkacken", findet er, sieht aber nicht so aus, als würde ihn das großartig stören.

„Hast du ihnen von uns erzählt?", harke ich trotzdem besorgt nach. Mio nickt nachdenklich. „Sie haben sogar gar nicht mal so schlecht reagiert. Ich dachte, sie würden den Kontakt komplett abbrechen und mich enterben. Tatsächlich haben sie nur gesagt, dass das ihre Geschäftspartner und die High Society meiner Heimatstadt nicht mitbekommen soll, aber da konnte ich sie beruhigen, da ich da eh nicht mehr hinkommen werde", erklärt er. „Hä, und sonst?", wundere ich mich. Für mich ist es absolut unvorstellbar, dass meine Mutter nicht alles kommentiert, was ich ihr erzähle. „Sonst ist es ihnen halt egal. Wie gesagt, wenn nach außen alles stimmt, interessieren sie sich nicht weiter für mich, deshalb war es ihnen wahrscheinlich einfach wumpe. Aber ich bin das ja gewohnt, also brauchst du dir keine Gedanken machen", antwortet er und klingt dabei wirklich unbekümmert. Ich drücke erneut seine Hand. „Jetzt hast du ja meine Familie."

Nebeneinander schlendern wir in Richtung Mensa, wo wir die anderen treffen wollen. „Vorhin", beginnt Mio dann mit einem Mal. „Ja?", mache ich. „Vorhin, da fand ich dich so unfassbar heiß", führt er seinen Satz fort. „Nur vorhin?", gebe ich gespielt entrüstet zurück. Mein Freund lacht und legt seinen Arm um meine Schulter, ohne meine Hand loszulassen, sodass unsere Hände vor meiner Brust verschränkt sind. „Natürlich nicht. Du bist immer heiß, aber als du diesen Typen so angeknurrt hast, nachdem du ihn überwältigt und mich verteidigt hast, da habe ich fast angefangen zu sabbern." Nun bin ich derjenige, der zu lachen beginnt. „Aha, du stehst also auf starke Beschützer", necke ich ihn. „Sei leise", zickt er, grinst dabei jedoch.

„Ey, ihr Schmetterlinge!", erklingt in diesem Moment eine bekannte Stimme hinter uns. Kaum, dass wir uns umdrehen, stehen Pelle und seine Freundin vor uns. „Ach, ihr würdet Paar des Jahrgangs werden, wenn es sowas an unserer Uni gäbe", seufzt Jara verzückt. „Übertreib", nuschelt Mio, doch als ich ihn anblicke, strahlt sein Gesicht glücklich. Aus diesem Grund nehme ich meine freie Hand, um sein Kinn zu mir zu drehen und ihn zu küssen. „Zunge! Zunge! Zunge!", feuert uns unsere bekloppte schwarzhaarige Freundin an. „What the fuck", ertönt Jonathans Stimme nun leiser, weshalb ich mich widerwillig von den Lippen meines Freundes löse. „Hey Jonathi!", begrüße ich ihn trotzdem freudig. „Dann können wir ja rein!", jubelt sich Pelle, der sich wahrscheinlich riesig freut, gleich zu essen, weshalb wir loslaufen. Jonathan lächelt mich glücklich von der Seite an. „Ich freu mich so für euch", seufzt er warm. „Danke", gebe ich gerührt zurück.

Heute sitzen wir an einem Tisch mit olivegrünen Stühlen. Einen Augenblick später gesellt sich auch Clemens zu uns und beginnt, sich mit Pelle zu unterhalten. Zufrieden beobachte ich die zwei, indessen ich das Essen in mich reinschaufel.

Mio sitzt mir gegenüber, weshalb wir unsere Beine unterm Tisch verhakt haben. Nachdem wir aufgegessen haben, starren wir uns fast pausenlos an, statt uns am Tischgespräch zu beteiligen. Dabei kann ich nichts anderes denken, als wie gut mein Freund aussieht und wie stark meine Gefühle für ihn sind.

„Himmel, entweder ihr hört auf mit dem eye fucking oder ihr verzieht euch zu Mio oder so", lacht Jara schließlich. „Was?", mache ich verwirrt und blicke kurz zu der Freundin meines Cousins. „Ihr zieht euch die ganze Zeit mit euren Blick aus, das ist unfassbar", nickt nun auch Clemens. Meine Augen huschen kurz zu meinen Freund, dessen Wangen einen leichten Rotschimmer zieren. „Und das vor Jonathan", fügt Pelle hinzu, welcher sich nur schwer ein Lachen verkneifen kann. Grinsend schüttel ich den Kopf. „Wollt ihr uns unbedingt loswerden?", ärgere ich unsere Freunde zurück. „Wir wollen nur nicht, dass einer von euch gleich über den Tisch springt", grinst Jara. „Tse", macht Mio, wobei er aufsteht. „Komm, die haben so ein schönes Paar wie uns nicht verdient", blödelt er in meine Richtung, sodass ich mache, dass ich hinterher komme. „Verhüten nicht vergessen!", ruft die Schwarzhaarige uns laut hinterher, damit es auch bloß die ganze Mensa hört. Ich schnappe mir Mios Handgelenk und schleife ihn nach draußen.

Kaum fällt die Tür hinter uns zu, bleibe ich stehen, um meinen Freund gebührend zu küssen. Er drückt sich näher an mich und legt seine Hände behutsam auf meinen Hintern. „Mhm", mache ich genüßlich, wobei ich meine Zunge in seinen Mund schiebe. Ich spüre an meinen Lippen, dass Mio lächelt. Einen Augenblick später löst er sich jedoch auch schon von mir. „Lass zu mir", nuschelt er mit roten Ohren. „Liebend gern, mein Schöner."

Natürlich schlafen wir nicht miteinander, aber das ist gar kein Problem, da Mio mir einen Blowjob erlaubt. Obwohl er sich nicht rasiert hat, schient er sehr entspannt und ungezwungen, was mich wirklich glücklich macht. Aus diesem Grund und natürlich auch, weil ich es schön fand, krabbel ich mit einem riesigen Lächeln wieder zu ihm hoch. Mein Freund lächelt mich etwas verlegen, aber ziemlich verliebt an. Sanft zieht er mich an sich, sodass ich meinen Kopf auf seiner Schulter ablegen kann. Mit einer Hand fährt er liebevoll durch meine Haare, die andere streicht leicht über meine Seite.

„Falls du irgendwann mal Selbstzweifel wegen deinem Schwanz gehabt hast, war das unnötig", breche ich die Stille. Augenblicklich beginnt Mio zu lachen. „Warum war es klar, dass du sowas raushaust?", stellt er die rhetorische Frage. Kichernd drücke ich meine Nase in seine Haut, ehe ich ein paar Küsse auf seinen Hals pflanze. „Hm, Mister Ungefiltert?", murmelt er in meine Haare. „Ich finds blöd, über Themen zu schweigen, nur weil sie angeblich peinlich sind", erkläre ich. Mio schlingt beide Arme um mich und drückt mich an sich. „Du hast recht. Es wäre cool, wenn jeder so unkompliziert wäre", gibt er zurück. „Versprich, mir nichts zu verschweigen, nur weil du denkst, es ist komisch, darüber zu reden, ja?", hauche ich. „Ja, versprochen. Andersrum aber auch", bittet er mich, weshalb ich in seine Halsbeuge nicke. „Gut. Ehrlichkeit ist glaub ich die beste Basis für ne Beziehung", überlegt mein Freund. Ich kann nichts dagegen machen, zu lächeln. Für mich ist es einfach nach wie vor verrückt, mit Mio zusammen sein zu dürfen. 

KunterbuntWhere stories live. Discover now