Kapitel 10

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John saß mit seiner Frau auf dem Sofa, der Fernseher lief leise, draußen wurde es allmählich dunkel und die beiden starrten die hässlichen bunten Katzen an.
»Du meinst, es waren mehrere?« fragte Emily, der John zuvor umfänglich erklärt hatte, warum so etwas nicht von einer einzelnen Person hatte ausgehen können. »Du hättest es sehen sollen, der Plan; er war perfekt. Ich frage mich nur eines« sagte John und seine Frau schaute ihn an.
»Alle Medien berichten über Clarks Mord. Die meisten Menschen vermuten inzwischen, was passiert ist. Dass man versucht hatte, mich aus dem Weg zu räumen und dass Clark nie drogenabhängig war.«
»Ja, und? Das ist doch gut.« erwiderte Emily und machte nicht den Eindruck, als würde sie irgendetwas wundern. »Aber das bedeutet, dass der Plan nicht aufgeht. Jeder wird Sympathie zu dem neuen Kandidaten der Demokraten aufbauen; egal, wer es ist.« sagte John und wurde nun mit seiner Stimme lauter. »Man wollte die ganze Sache sicher vertuschen, bis die Vorwahlen stattfinden, damit man seinen Kandidaten schon gewählt hat. Die Vorwahlen enden aber erst in einem Monat und es gibt jede Menge Kandidaten, die realistische Chancen hätten, die sich jetzt zur Wahl stellen lassen werden. Wenn es also wirklich das Ziel war, dass der Präsident an der Macht bleibt, dann hätte Clark vorerst nicht gefunden werden dürfen.« fügte John an und war irritiert und ein wenig enttäuscht darüber, dass Emily nicht die Miene verzog.
»Aber man hat ihn gefunden, und dann frage ich mich; Was ist schiefgelaufen? Wo war der Fehler? Wenn wir das wissen, kommen wir vielleicht dahinter, wer das
ganze veranlasst hat!«
Auf einmal verstand John, warum seine Frau so verhalten war.
»Aber das wirst du sicherlich nicht herausfinden.« »Schatz, ich..« »..denkst du ich mach mir keine Sorgen?« Emily schrie fast. »Denkst du es ist mir egal, dass mein Ehemann fast getötet wurde, dass versucht wurde, deine Karriere zu zerstören? Denkst du, es ist mir egal, dass MEIN MANN..« sie wurde nun immer lauter »von irgendwelchen anonymen Nummern angerufen wird, die ihn verfolgen? Denkst du darüber überhaupt nach?«
Der letzte Satz klang kaum, wie eine Frage.
»Emily, verstehst du nicht, dass ich..« John wollte fragen, ob sie verstünde, dass er herausfinden müsste, wer dahintersteckte, doch seine Frau beendete den Satz für ihn: »..dich in unnötige Gefahr begeben willst? Natürlich verstehe ich das!«
Emily stand auf und ging durchs Zimmer. »Und dass du Sarah in die ganze Sache mit reinziehst, verstehe ich natürlich auch, ist ja nicht so, als hätte sie genug Probleme.« »Ja, die hat sie.« erwiderte Jonathan. »Wie meinst du das?« fragte Emily misstrauisch.
»Sie wurde gekündigt. Jemand hat in ihrem Namen eine Arbeitsunfähigkeitserklärung eingereicht.« sagte John neutral. »Und jetzt darfst du drei mal raten, wer das gewesen sein könnte..«
Emily schwieg. Das war noch unangenehmer für John, als wenn sie schrie.
Er wusste, dass er es herausfinden musste. Ob er wollte oder nicht, es war überhaupt nicht absehbar, was diese Leute noch alles vorhatten.
Immerhin haben sie einen Mann getötet, einen anderen gefoltert, sie hatten spioniert und eine Polizeieskorte mit
einem geklauten Truck angegriffen.
Er wollte sich gar nicht ausmalen, wozu sie als nächstes im Stande waren.
Als John gegen Mitternacht ins Bett ging – er hatte noch eine längere Diskussion mit seiner Frau, die darin mündete, dass er doch machen sollte, was er wollte – konnte er nicht einschlafen.
Er dachte nach, vor allem über den Fund der Leiche von Anthony Clark.
Es war nicht so gewollt sagte er sich immer wieder und suchte Gründe, warum man es nicht schaffte, die Entdeckung hinauszuzögern. Fehlte ihnen die Zeit? Schließlich wurde der Mann erschossen, das dürfte eine Menge Aufmerksamkeit erregt haben.
Kurz bevor er einschlief, schaute er nochmal auf sein Handy, um sich zu vergewissern, dass es Sarah gut ging. Wieder musste er an die Bürgermeisterwahl denken und wie weit entfernt diese Art der politischen Rivalität nun für ihn war.
John fühlte sich so, als sei er erwachsen geworden. Während er also seine Nachrichten las, entdeckte er einen verpassten Anruf von vor zwanzig Minuten. Michael Sullivan stand auf dem Display und er stand auf, gab Acht darauf, seine Frau nicht zu wecken, ging vor die Haustür, atmete die kalte Luft ein und rief umgehend zurück.
»Sullivan?« meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Offenbar hatte er nicht geguckt, wer in da angerufen hatte. »Hey, Mike. Ich bins. Johnny.« Michael war spürbar froh, von ihm zu hören. »John!« rief er fröhlich.
»Wie geht' dir?«
»Das fragst du? Wer von uns beiden war tagelang an eine Heizung gefesselt?«
»Du hast mich gefunden, richtig?«
»Jap. Mit Sarah McConnor.«
Mike wirkte geschockt und irritiert gleichzeitig. »Mit Sarah McConnor?« wiederholte er ungläubgig.
»Ja, sie wurde gekündigt. Wahrscheinlich von den gleichen Leuten, die dir das angetan haben. Und die Anthony Clark getötet haben.«
»Anthony Clark ist tot?«
»Sorry, Mike« sagte John und es tat ihm augenblicklich leid, ihn dermaßen überfordert zu haben.
»Es waren zwei Männer. Sie trugen Anzüge, John.« John lauschte gebannt.
»Vor 6 Tagen. Sie kamen, um angeblich den letzten Kram über Anthony Clark zu besprechen, sie sagten, sie seien von seiner Agentur. Nun, ich hatte nichts mehr von Anthony gehört und dachte, dass sie mir vielleicht irgendwas sagen könnten, da haben sie was in mein Getränk getan – also glaube ich, weil ich bin müde geworden, und als ich aufgewacht bin – Naja, du weißt ja, was passiert ist.«
Michael sprach recht schnell und wirkte aufgeregt sowie schockiert über Clarks Tod.
John erzählte ihm, was ihm passiert war, der Unfall, die Krankenschwester, dass er dachte, dass er dahintersteckte und Michael wirkte beleidigt, dass ihm das zugetraut wurde.
Aber John freute es, dass er in einer Sache mit ihm einer Meinung war: »Aber wenn Clark gefunden worden ist, dann hat, was auch immer die vorhatten, ja nicht funktioniert.« »Eben« erwiderte John fröhlich. »Und deshalb muss ich herausfinden, wie die ganze Sache gescheitert ist und dann wissen wir auch, wer dahintersteckt.
»Bist du verrückt?« sagte Michael. John war enttäuscht. »Die hätten uns beide fast umgebracht. Und du willst denen in die Arme laufen?«
John war wütend, dass niemand ihn verstand, wobei er allen andern insgeheim recht geben musste. Ja, es war gefährlich und es war sicher auch nicht empfehlenswert, aber hatte er eine Wahl?
Vor drei Jahren, als John Senator von New York gewesen war, wurde er von einer Organisation in eine Sex-Skandal-Affäre verwickelt.
Er hatte sich damals an alle möglichen staatlichen Institutionen gewandt, doch jeder einzelne Polizist in dieser Ermittlung kassierte Unmengen an Geld dafür, so wenig wie möglich zu unternehmen. Und so würde es auch diesmal sein.
Jemand, der so vorgeht, der hätte sicher im Vorfeld alles daran gesetzt, dass ihm jegliche staatliche Unterstützung gehört.
Und wenn er nichts unternahm, so waren noch mehr Menschen gefährdet und die Partei kurz vor dem Aus. Als John Michael den Gedanken mitteilte, merkte er selbst, wie riskant sein Plan ausgesprochen klang. Trotzdem blieb er dabei.
»Wir müssen so viel wie möglich über Anthonys Tod erfahren.« sagte John »Dann wissen wir vielleicht, was passiert ist, dass sie nicht gewährleisten konnten, dass er nicht gefunden wird.«
»Du bist verrückt.« stellte Michael klar und John verstand dies nicht als Nein.
Er verweilte noch etwas vor seiner Tür.
Er blickte in die sternenklare Nacht und dachte über die vergangenen Tage nach. Darüber, dass ihm jeder davon abriet, versuchen, herauszufinden, welche Organisation unbedingt versuchte, den Präsidenten an der Macht zu halten und warum. Darüber, dass, wenn der Plan aufgegangen wäre, er tatsächlich von allen gehasst werden würde, für sein unmoralisches Verhalten, das er selbst die ganze Zeit an sich bemängelt hatte. Außerdem fragte er sich, wie es seinem Sohn ging.
Ja, sie hatten wieder Kontakt und sie wohnten sogar wieder gemeinsam in einem Haus.
Doch die letzten Wochen mussten schlimm für ihn gewesen sein; das ganze Land kannte seinen Vater für seine Alkoholsucht, seine Eltern standen kurz vor einer Trennung und wirklich Zeit mit John zu beringen, war auch jetzt nicht möglich.
Das allerschlimmste für Jonathan war, dass er absolut nicht wusste, wo er gerade stand.
Am Anfang einer riesigen Verschwörung?
Würde gerade wieder alles normal werden? Oder wurde genau in diesem Moment bereits der nächste Angriff geplant?
Er dachte daran, dass man vermutlich wusste, wo er wohnte – der anonyme Anrufer hatte ja schließlich gesagt, dass John vor seiner Tür getrunken hatte. Also war die Person vermutlich im Café?
Er hatte die Stimme der falschen Krankenschwester erkannt – Aber vielleicht hatte er sich auch geirrt; im Café war niemand, der so aussah.
Aber wahrscheinlich bekam sie nur die Informationen. John wusste nicht, was er denken oder was er glauben sollte.
Alles war möglich und vieles war wahrscheinlich.
Er trabte die Verandastufen hoch und entdeckte eine Flasche Wein auf dem Esstisch stehen.
Entschieden sagte er Nein, um sich kurze Zeit später umzudrehen und einen Schluck zu nehmen. Und noch einen. John wusste nicht, was besser war: mehrere Tage lang nichts getrunken zu haben oder das Gefühl, zum ersten Mal nach mehreren Tagen wieder etwas zu trinken.
Als er an seinem Bett ankam, versuchte er leise zu sein, legte sich hin, deckte sich zu und blickte neben sich, doch der Platz neben ihm war leer.
John schaute sich um, machte das Licht an, es war nichts zu sehen. Er ging ins Bad; auch keine Spur von seiner Frau.
Er wurde panisch und blickte auf sein Handy, in der Hoffnung, irgendeine Nachricht von ihr erhalten zu haben.
Doch alles, was er fand, war ein verpasster Anruf von einer anonymen Nummer.
Als er zurückrief, meldete sich eine Männerstimme und ohne abzuwarten, dass John irgendetwas sagte, fing sie an, zu reden: »Deine Frau und dein Sohn sind bei mir. Sie sind sicher. Und wissen Sie was? Sie bleiben sogar sicher, wenn sie Ihre verdammten Privatermittlungen einstellen.« John schluckte, war jedoch noch unfähig, zu sprechen.
»Es wird kein Gegenkandidat mehr aufgestellt werden, wenn sie nichts öffentlich machen. Und hier kommt noch ein interessanter Fakt für sie: Machen Sie etwas öffentlich, so geht es ihrer lieben Familie bald nicht mehr ganz so gut.«
Die Stimme klang unangenehm nüchtern. »Wer sind Sie?« fragte John und versuchte, neugierig zu wirken.« »Jemand, der nicht alleine ist. Genau, wie ihr Jackson und die hübsche Emily.«
John schwirrten die Gedanken durch den Kopf. Er lügt. sagte er sich und raste nach oben.
Auch in Jacksons Etage keine Spur von seiner Familie.
Er riss den Schrank auf, rannte wieder herunter, lief panisch durch alle Gänge und bemerkte die offene Gartentür.
Ihre Namen zu hören, war herausfordernd für Jonathan. Sein Jackson sagte er sich.
Sein Sohn, mit dem er wochenlang nicht geredet hatte und jetzt, wo er wieder bei ihm sein konnte, war er in den Händen irgendwelcher Menschen, die ihre gesamten Fähigkeiten darauf konzentrierten, einen Präsidenten irgendwie durch eine Wahl zu boxen, zu welchem Preis auch immer.
Er konnte immer noch nicht glauben, dass seine Familie, die eben noch gemeinsam mit ihm in einem Haus war, ohne Gedanken an das Böse schlief und sich nun hellwach, irgendwo in New York City aufhielt.
Wie lange war John draußen gewesen? Wie lange hatte er mit Michael telefoniert?
Die Polizei könnte er zwar anrufen, aber was würden diese Leute bloß mit seiner Familie machen, wenn sie sahen, dass sich ihnen Blaulicht nähert?
Während er nachdachte, stellte er fest, dass er noch sein Handy ans Ohr hielt.
Die unbekannte Stimme redete nicht mehr mit ihm und bei einem Blick auf das Display sah er, dass sie aufgelegt hatte.
Da stand John also nun; mitten in seinem Schlafzimmer, in ihrem Schlafzimmer, seine Frau und sein Sohn entführt, vermutlich durch den Garten geschleust, mit Waffen an ihren Köpfen – John konnte gar nicht darüber nachdenken – während er nur zehn Minuten weg war, um zu telefonieren.
Er rief Sarah an, aber konnte sie nicht erreichen. Wie auch, um zwei Uhr morgens?
Wobei sie vermutlich auch wach lag, ohne Job, aber zumindest mit einer Familie.
Oder? Sarah wusste genau das gleiche, wie John.
Sie könnte jederzeit all ihre Informationen an die Öffentlichkeit tragen.
Er schickte ihr eine Nachricht: Bring deine Familie in Sicherheit.
Noch wenige Stunden zuvor war Jonathan überzeugt davon gewesen, etwas herausfinden zu müssen; herausfinden zu müssen, woran der Plan, dass Anthony Clark nicht gefunden wird, gescheitert war oder zumindest herauszufinden, warum es im Interesse dieser Leute war, den Präsidenten im Amt zu lassen.
Doch das war ihm in diesem Moment egal. Er wollte seine Familie wiedersehen oder zumindest wissen, wo sie sich aufhielt.
Er ging in den Garten, wo Emily und Jack sicherlich durch mussten, an der Haustür stand John schließlich die ganze Zeit während seines Telefonats mit Michael. Michael dachte er. Er könnte ihm vielleicht nicht weiterhelfen, aber er war zumindest wach.
Als John seine Nummer wählte, tat es ihm zugleich leid, ihn wieder einmal mit zu vielen Informationen zu überfordern, was bereits im Wahlkampf ein ums andere Mal vorgekommen war.
John hatte stets versucht, selbst mit Situationen zurechtzukommen. Erst, wenn er nicht mehr weiterkam und sich schon eine Menge neuer Probleme angehäuft hatten, konfrontierte er seinen Wahlkampfleiter damit und sah zu, wie er sein Team wieder aus diesem Meer von Affären und Skandalen herausmanövrierte.
Als er Michaels Nummer gewählt hatte, sich fragte, was er wohl tat und einsah, dass seine Beschäftigungsvielfalt in einem Krankenhaus wohl eher eingeschränkt stattfand, hörte er seine Stimme am anderen Ende der Leitung und war erleichtert, jemand Vertrautes zu hören. »Ja?« erschallte es und Michael klang fast glücklich, mit jemandem sprechen zu können. Ein weiterer Grund, aus dem es John leidtat, ihn nun wieder mit unangenehmen Informationen zu konfrontieren.
»Hey, Michael. Meine Fam... Wie geht es dir?«
Er konnte sich gerade noch beherrschen, sich zumindest nach seinem Zustand zu erkundigen.
»Mir geht's besser, danke. Mein rechtes Handgelenk ist gebrochen – wahrscheinlich von den Fesseln, aber das wird.« Er klang ausgesprochen fröhlich und überrascht, von John zu hören. »Aber deshalb rufst du jetzt an?« »Hör zu, meine Familie ist verschwunden, während wir vorhin telefoniert haben, hat sie irgendjemand aus dem Haus gebracht, wir..« »Aus dem Haus gebracht?« unterbrach Michael ihn schockiert. »Ja, ich wurde wieder anonym angerufen und meiner Familie passiert was, wenn wir irgendetwas offiziell machen. Die Sache mit dem Präsidenten – Mike, was wollen die?« Michael hielt hörbar die Luft an und sprach mit gebrochener Stimme weiter: »John, ich habe etwas recherchiert. Und bin auf eine Seite gestoßen, auf der behauptet wird, dass alle sozialen Messengerdienste in unserem Land eine Woche nach dem Amtsantritt von Blaker neue Nutzervereinbarungen veröffentlicht haben, die unter Anderem beinhalten, dass sämtliche private Informationen an Dritte weitergegeben werden dürfen. Und das ist der einzige mir bisher bekannte Grund, warum jemand von seiner Präsidentschaft profitieren sollte.« sagte Michael und klang dabei besorgt, hatte er doch immer noch nicht so recht das Verschwinden von Johns Familie verarbeitet.
»Das heißt Blakers Präsidentschaft nutzt allen – die Informationen über Privatpersonen besitzen, veröffentlichen oder..« »...weiterverkaufen.« beendete Michael den Satz.
»Aber ich weiß nicht, ob das ein Grund ist – Immerhin ist diese Art von Handel für viele eher ein nettes Nebengeschäft.« fügte Michael an.
»Für viele, aber.. Nicht für alle.« antwortete Jonathan und wusste augenblicklich, was zu tun war.

Die Angst Die Niemals SchläftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt