Kapitel 18

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John saß auf seinem Bett, der Mond strahlte durch das offene Fenster und trotz allem; der Anschuldigungen, trotz des freien Mitarbeiters von DataBase und trotz der drohenden Gefahr durch Angelo Scott, fühlte er sich sicher.
Die letzten Journalisten hatten inzwischen aufgegeben und nun, mit seiner Frau an seiner Seite und seinem Sohn, der inzwischen erschöpft von all den Erlebnissen in seinem Bett lag, fühlte John sich zumindest etwas besänftigt.
Er brachte es sogar fertig, sich vorzustellen, dass der Unbekannte Flüchtige tatsächlich nur darauf bedacht war, nicht ins Gefängnis zu kommen und so überhaupt keine Gefahr darstellte und dennoch bekam er Bauchschmerzen, wenn er mal kurz ins Badezimmer musste oder sich etwas zu essen machte und dabei seine Frau kurz aus den Augen ließ.
Doch jedes Mal erlebte er einen Moment unbeschreiblichen Glücks, wenn er wieder zurückkam und die Existenz seiner heilen und gesunden Familie feststellte.
Und Sarah...dachte er. Sarah, die ihn unterstützt hatte, die ihm sehr geholfen hatte, sodass er selbst in den schweren Zeiten, die er in den letzten Tagen durchmachen musste, nie alleine war. Es war unmöglich zu beschreiben, wer Sarah für ihn war und über dieses Verhältnis hatte er auch noch nie nachgedacht, aber er war sich nicht sicher, ob er jemandem helfen würde, der ihn in solch ein schlechtes Licht gestellt hatte, wie John es im Wahlkampf bei Sarah getan hatte.
Seinetwegen hatte sie ihren Job verloren und seinetwegen musste Josch sterben, wenn auch mehr oder weniger freiwillig.
Und Sarah hatte sich kaum beklagt, sie war frustriert und definitiv unglücklich über ihr Schicksal aber dennoch war sie stets darauf bedacht, ein größeres Ziel zu verfolgen.
Er war in diese Situation hineingeraten und er wollte dem Tod von Anthony Clark auf den Grund gehen. Er hatte eine gesunde Familie und sollte dankbar dafür sein, und dennoch sah er sich gezwungen, einer Sache hinterherzurennen, die für ihn eigentlich kaum Bedeutung mehr hatte.
Er hätte sich zurückziehen können, es hätte ihm an nichts gefehlt, hätte er sich auf sich konzentriert und zumindest versucht, ehrlich zu leben.
Doch her hatte die Nominierung angenommen. Er hatte seine komplette Partei gefährdet, indem er das Risiko eingegangen war, trotz seiner Alkoholabhängigkeit für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.
Doch dann hätte er sich nicht mit seiner Frau vertragen schwirrte ihm durch den Kopf.
Er sah ein, dass das stimmen würde, jedoch wäre seine Frau auch nie gefangen genommen worden.
Außerdem hatte Jack ihm am Telefon erzählt, dass Emily ihn jederzeit geliebt hatte und womöglich ohnehin den Weg zurück zu ihm gefunden hätte.
Oder er hätte sich etwas einfallen lassen aber wieder einmal hatte er den bequemen Weg gewählt, der letztlich nur Nachteile und Risiken mit sich brachte. Diese Art der inneren Selbstkritik hatte John lange unterdrücken können, doch nun stieg sie wieder in ihm empor, als wollte sie ihm sagen, dass die Rettung seiner Familie die letzte Chance gewesen war.
Er hatte auch in den letzten Stunden tatsächlich nichts mehr getrunken und es hatte nicht einmal den Eindruck, dass er es vermisste, um zwei Uhr mittags auf dem Boden in seinem Flur aufzuwachen.
Er wollte sich gar nicht ausmalen, welche Lebenserwartung er hatte auch dies war ein Grund, jede Sekunde mit seiner Frau und seinem Sohn zu genießen. Gerade, als er daran dachte, kam Jack auf ihn zu. Emily stand derweilen unter der Dusche und John saß immer noch in Gedanken vertieft auf seinem Bett.
»Dad.« rief er freudig und auch er wirkte erleichtert und gelöst. John hatte wieder das Bild vor Augen, wie er ihn und seine Mutter vorgefunden hatte, im Quartier von DataBase, angebunden an einen Kamin..
»Kannst du nicht schlafen, Kumpel?« fragte John und versuchte entgegenkommend zu klingen.
Er hatte sich sehr gefreut, als er erfahren hatte, dass Emily und er ein Kind bekommen würden und es waren so viele Sachen, die er sich vorgenommen hatte.
Dann gab es da noch die andere Seite, die berufliche Seite und dort gab es nicht minder Sachen, die er sich vorgenommen hatte.
Letztendlich versuchte er, seinen Sohn nicht zu kurz kommen zu lassen, was nie wirklich gelang. Er hatte zumindest immer das Gefühl gehabt, alles irgendwie unter Kontrolle zu haben aber spätestens mit Beginn seiner Kampagne wurde ihm klar, das es für ihn einfach nicht möglich war, politisch erfolgreich und gleichzeitig ein guter Vater zu sein.
Und jetzt stand er vor ihm, der Junge, den er vor einigen Stunden zum ersten Mal seit langer Zeit ins Bett gebracht hatte.
»Doch..schon. Ich wollte nur sagen..Ich liebe dich, Dad.«
John wusste nicht, was er erwartet hatte, aber das war es ganz sicher nicht.« »Ich liebe dich auch, Jack..« antwortete er und sein Sohn fiel ihm in den Arm.
Er hatte in den letzten Jahren zunehmend das Gefühl bekommen, dass alles, was er sagte, rein funktionaler Natur war und dass derart bedeutsame Sätze wie ein einfaches Ich liebe dich keiner relevanten Information entsprachen.
Wie er sich geirrt hatte..
Er drückte seinen Sohn fester an sich und versuchte gar nicht erst, seine Tränen zurückzuhalten.
Nachdem er Jackson zum zweiten Mal ins Bett gebracht hatte und seine Frau aus dem Badezimmer kam, fühlte er sich erholt.
Sie unterhielten sich noch eine Weile und kamen auch auf Sarah zu sprechen.
»Und dieser Scott wird wirklich gewählt werden?« fragte Emily.
»Naja, unsere Partei ist quasi verloren, ich denke nicht, dass es einen ernstzunehmenden Gegenkandidaten geben wird.. Und dann wählen die Leute wahrscheinlich den, den sie zumindest kennen.« antwortete John.
»Die Frage ist doch..« erwiderte Emily »Wie die es überhaupt geschafft haben, Sarah McConnor aus dem Amt zu werfen. Soweit ich weiß muss man das doch irgendwie nachweisen können.. diese Arbeitsunfähigkeit.«
»Schon.« sagte John traurig. »Aber diese Erklärung wurde in ihrem Namen eingereicht. Mit originaler Unterschrift ihres Arztes und dem offiziellen Siegel der Praxis.«
»Hmm..« sagte Emily und auch John musste sich eingestehen, dass diese Art von Amtsenthebung ziemlich einfach war.
»Das Problem ist nicht, dass das eventuell stimmen könnte, sondern der Ruf der Stadt. Egal, ob diese Arbeitsunfähigkeitserklärung gerechtfertigt ist oder nicht, es wird auf jeden Fall darüber geredet. Und wenn weiter über Leute geredet wird, die in New York trotz irgendwelcher Einschränkungen hohe politische Ämter übernehmen, läuft hier nichts mehr.« sagte Jonathan und Emily gab ihm mit einem bedrückten Gesichtsausdruck Recht.
»Und wenn man beweisen würde, dass die Geschichte mit Sarah nicht stimmt?« fragte Emily.
John wollte ihr gerade erklären, dass das ein ziemlich naiver Vorschlag war und dieser Beweis nichts bringen würde, als er feststellte, dass dies durchaus eine Option war.
Vor einigen Jahren gab es eine ähnliche Situation in Cleveland, bei dem ein Politiker bei einer Nachwahl einfach erneut angetreten war und gewonnen hatte. Dies ist damit begründet, dass niemand, der nominiert oder in irgendeiner Weise gewillt war, das Amt zu übernehmen, ausgeschlossen werden durfte.
Dies bezieht auch den Kandidaten mit ein, wegen dem überhaupt eine Nachwahl stattfinden musste.
Jonathan dachte über diese Umstände nach und nahm sich vor, zumindest mit Sarah darüber zu reden, wenn er am nächsten Tag aufwachte.
Die Türen verriegelten sie doppelt und auch die Glastüre zum Garten wurde mit einer Gardinenstange gesichert.
Trotz der vielen Gedanken, die John in den letzten Minuten durch den Kopf gegangen waren, schlief er schnell ein. Er spürte noch die Hand seiner Frau an der seinen, bevor er begann, von einem wild gewordenen Thomas Vanglath in seiner Garage zu träumen.
Als John am nächsten Morgen aufwachte und sich vergewisserte, dass sich seine Frau noch dort befand, wo sie eingeschlafen war, kam ihm als erstes all das in den Kopf, worüber er am vergangenen Abend nachgedacht hatte.
Er dachte daran, dass er sich vorgenommen hatte, mit Sarah zu sprechen und vielleicht könnte er ja einen kleinen Neustart in seinem alten Beruf wagen, wenn sich die Situation wieder mehr oder weniger normalisiert hatte.
Er blickte auf sein Handy und fand in seiner Nachrichtenapp weitere haarsträubende Einzelheiten über die Razzia auf der Achten Straße, die nun ganz offiziell als Datagate bezeichnet wurde, da laut Auffassung der Öffentlichkeit das Wirken von DataBase längst hätte unterbunden werden müssen.
Er las über den Tod des unbekannten Mannes, der die Informationen ins Netz gestellt hatte und las einen Bericht über Demonstrationen von aufgebrachten Bürgern, die dem Präsidenten vorwarf, die Organisation unterstützt zu haben.
Jonathan war klar, dass sie damit nicht Unrecht hatten, doch nicht viele Leute hatten die Informationen über die Justizeingriffe, die er hatte, weshalb der wirkliche Zusammenhang zwischen dem Präsidenten und DataBase seiner Meinung nach nicht zur Geltung kam. Er tat etwas, was er sich eigentlich längst abgewöhnen wollte und suchte im Internet nach seinen Namen.
Ohne auf die Überschriften zu achten tippte er auf den ersten Artikel, den er sah.
Gleich im oberen Teil der Seite strahlte ihm sein eigenes Gesicht entgegen, zu seiner Freude ohne seine Frau und sein Kind, was bedeuten müsste, dass tatsächlich keine
privaten Informationen durchgesickert waren.
Entlastung für Jonathan Brown?
Der Verlierer der New Yorker Bürgermeisterwahl sieht sich aufgrund der Amtsenthebung seiner ehemaligen Kontrahentin Sarah McConnor mit dem Vorwurf eines gezielten Manövers konfrontiert, mit dem Ziel, doch noch die größte US-Amerikanische Stadt regieren zu können.
Nach neuesten Berichten bestand jedoch eine Kooperation der beiden Politiker in der DataBase- Affäre, was diese Möglichkeit vermutlich ausschließt. Des Weiteren geriet der neununddreißigjährige immer wieder aufgrund eines vermeintlichen Alkoholproblems unter Druck.
Aktuelle Hinweise und Auswertungen von Daten deuten jedoch darauf hin, dass diese Informationen von der Geheimorganisation selbst ausgegangen waren – auch sein ehemaliger Wahlkampfleiter Michael Sullivan sagt aus: »Ich kenne Dr. Brown und ich hatte auch in letzter Zeit Kontakt mit ihm und kann ihnen versichern, dass er kein akutes Alkoholproblem hat.«, so der Politikwissenschaftler in einem Interview mit FoxNews. Ob und inwieweit eine Kooperation zwischen der ehemaligen Bürgermeisterin New York Citys und dem Ex-Präsidentschaftskandidaten besteht, ist nicht hinreichend geklärt.
Klar ist jedoch, dass wohl der Wahrheitsgehalt vieler neuester Behauptungen über ihn überdacht werden sollte.
John schaute fassungslos vor Freude auf die Titelseite und stellte fest, dass der Beitrag von NBC stammte, die grundsätzlich eher auf der Seite der Demokraten standen.
Doch auch bei der Untersuchung weiterer Seiten fand John kein schlechtes Wort über sich, in einem Artikel der New York Times wurde sogar behauptet, er hätte das Potential zum Missverstandensten Mann des Jahres. Das war nicht die kritische Presse, die er kannte, das war auch nicht die Öffentlichkeit, die er kannte und letztendlich war es für diese positiven Zeilen nicht einmal nötig gewesen, zu lügen. Im Gegenteil, er war nicht einmal darauf bedacht gewesen, positiv hervorgehoben zu werden.
Dass er aktuell kein Alkoholproblem hatte, stimmte auch und offenbar hatte die Razzia von DataBase den gesamten Bundesstaat derart polarisiert, dass aktuell der Druck bei jemand ganz anderem war; dem Präsidenten. Der Mann, der von DataBase profitiert hatte und der Mann, dem nun sogar unterstellt wurde, sie gefördert zu haben.
Doch auch Sarahs Amtsenthebung war lange kein Geheimnis mehr und gerade, als John immer noch aufgeregt über die positive Resonanz im Internet seine Frau wecken wollte, öffnete diese ihre Augen.
»Guten Morgen, Schatz.« sagte sie und es war ein liebevolles Schatz, das Schatz, dass er schmerzlich vermissen würde, wenn es nicht mehr da wäre.
»Guten Morgen.« antwortete Jonathan lächelnd und reichte ihr sein Handy.
Er beobachtete ihren angestrengten Gesichtsausdruck beim Lesen des Beitrags und stellte vergnügt fest, wie sie immer erfreuter zu werden schien.
»Wow..Das ist..Großartig!« brachte sie lachend hervor und warf sich an ihn.
John war es in den letzten Tagen nahezu egal gewesen, was die Öffentlichkeit von ihm dachte und dennoch fühlte er sich, als fiele ihm ein Stein vom Herzen. Erst jetzt stellte Jonathan fest, dass die lauten Geräusche, die er wahrnahm kein Nebenprodukt der laufenden Spülmaschine war, sondern von außerhalb seines Hauses kamen.
Er zog die Rollläden hoch und sah eine Menschenmenge vor seiner Einfahrt herumstehen. Doch es war ein ungewohntes Bild für ihn, da sie kaum aufgebracht aussahen.
Viel mehr wirkten sie zustimmend und erstmalig nahmen sogar einige Rücksicht auf seinen Rasen.
Er sah ein Plakat mit seinem Gesicht und dem von Sarah und fragte sich, ob in ihre Zusammenarbeit etwas zu viel hineininterpretiert wurde.
Gleichzeitig freute er sich, diesen Moment mit seiner Frau und seinem Sohn, der nun auch fröhlich angerannt kam, teilen zu können.
Gerade wollte er sein Fenster öffnen und bemerkte gerade noch rechtzeitig, dass er sich vielleicht zuvor umkleiden sollte, da bemerkte er, dass sein Handy aufblinkte.
Er öffnete sie in freudiger Erwartung, vielleicht eine Nachricht von Sarah oder von Michael erhalten zu haben und las:
Sie denken doch nicht, dass das alles war.
Der Nachricht war ein blinzelnder Smiley angefügt und er schaute auf den Absender: Anonym.
Emily, die immer noch lachend neben ihm stand, hatte sich eine Jacke übergezogen und fragte John, ob alles okay sei, da er mit steinerner Miene auf sein Handy starrte.
Immerhin hatten einige Leute seine Nummer und er war immer noch bei einigen Leuten unbeliebt, gerade jetzt, wo die meisten von den jüngsten Ereignissen wussten, würde er sich wohl auf Drohungen dieser Art einstellen müssen.
»Alles gut.« antwortete John knapp und legte sein Handy zur Seite, um sich der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Die Angst Die Niemals SchläftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt