🎃 II. 🎃

119 18 93
                                    

Es ist Freitagnachmittag und das Herbstwetter meint es endlich gut mit uns, denn es zeigt sich von seiner schönsten Seite – genau so, wie ich es liebe.

Zusammen mit meinen Großeltern und ein paar anderen Helfern, befinde ich mich auf dem Erntedankfest-Markt und unterstütze tatkräftig dabei, die Stände aufzubauen. Am liebsten hätte ich meine Oma dazu verdonnert daheim zu bleiben und sich zu schonen. Aber Nona wäre nicht Nona, wenn sie sich von so einer Kleinigkeit, wie einer Fraktur, aufhalten ließe.

Lieber nutzt sie die Möglichkeit uns herumzukommandieren und mit den männlichen Helfern zu schäkern, was mein Opa nur mit einem belustigten Schnauben quittiert. Die Liebe zwischen meinen Großeltern ist eine, wie ich sie mir selbst wünsche. Innig, liebevoll, scherzend, streitend und versöhnend.

Aber die Liebe und ich sind wie eine Parallele – zwei Geraden, die sich niemals treffen.

Keuchend hebe ich einen von diesen mörderisch großen orangefarbenen Kürbissen hoch, um ihn, für die morgige Kürbis-Show, mit den anderen aufeinanderzustapeln. Als mehrstimmig lautes Fluchen und ein röhrender Motor mich innehalten und mich nach dem ungewohnten Krach umsehen lassen.

»Aus dem Weg!«, ist alles, was ich noch mitbekomme. Dann wird es schwarz um mich herum.

Stöhnend tasten meine Finger nach etwas, um wieder Halt in der Realität zu finden. Eklig schleimige Pampe zwischen bruchstückhaften festen Oberflächen ist alles, was ich zu fassen bekomme. Langsam klärt sich der Blick, als mehrere starke Hände nach mir greifen, um mich in eine aufrechte Position zu bringen.

»Gretchen, geht es dir gut?«, vernehme ich die besorgte Stimme meines Opas, dessen Finger tastend meinen Kopf absuchen. Noch immer verwirrt, blicke ich um mich und mit jedem neuen Eindruck weiten sich meine Augen ein Stück mehr und mir klappt der Mund auf, als ich den entstandenen Schaden realisiere.

Die Substanz, die ich gespürt habe und noch überall an mir klebt, gehört zu großen Teilen zu den Kürbissen, die wir ausstellen wollten und mit deren Arrangement ich fast fertig gewesen wäre. Und nicht nur das. Das Gewicht des Kürbisses, den ich zuvor in den Händen hielt, zusammen mit den anderen, hatten die gesamten Kuchen, Plätzchen, Marmeladen, gerösteten Kürbiskernen und Dips, die zum Verkauf stehen sollen, zu ein unansehnliches Chaos zusammenfließen lassen.

Monatelange Arbeit binnen Sekunden zerstört.

»Scheiße! Ist bei dir alles okay?«, erkenne ich die Stimme, die ich am wenigsten hören will und die mir gleichzeitig zeigt, wer für die ganze Misere verantwortlich ist.

Mattheo!

Wütend blicke ich mich um und entdecke IHN, wie er seinen Helm fallen lässt und auf mich zu sprintet.

Sein Bike liegt quer vor einen der Nachbarstände, die zum Glück nichts abbekommen haben. Meine Augen bleiben an dem Nummernschild hängen, was mir seltsam bekannt vorkommt, bis ich begreife, woher ich es kenne.

»Gretchen, bist du okay? Scheiße, dass...«

»Du!« Ich rappel mich auf und renne fast in ihn hinein. Stoße beide Arme nach vorne und schubse ihn vor mich her. »Du Scheißkerl!«

Ich bin so verdammt wütend, dass ich kaum in der Lage bin, zusammenhängende Worte zu bilden. Die Wucht meines Stoßes lässt ihn zurücktaumeln, was ich selbst kaum für möglich gehalten hätte, sodass er stolpernd ein paar Schritte nach hinten ausweichen muss.

Tränen sammeln sich, die ich verzweifelt versuche herunterzuschlucken, nur um doch über meine Wangen entlang zufließen. Wieder und wieder schlage ich auf ihn ein. Verdammt, so abartig wütend war ich noch nie in meinem Leben gewesen. Selbst mit dem ganzen Spott, bezogen auf meinen Namen, hatte ich mich nie so gefühlt, wie in diesem Moment.

Frustriert.

Verzweifelt.

Hilflos.

Und das alles nur wegen IHM!


Ich weiß nicht, wie lange ich auf seinen harten Brustkorb einschlage, der sich bis auf den Anfangsschock keinen Millimeter bewegt. Bis es ihm reicht und er meine Fäuste eisern umklammert, um mich abzuhalten, ein Loch durch ihn hindurch zu prügeln.

»Gretchen, beruhige dich bitte.« Seine Stimme ist rau und sanft, was das Gegenteil von dem bewirkt, worum Mattheo mich bittet.

»Einen Scheiß werde ich!«, fauche ich und versuche mich von ihm loszureißen. »Lass mich los, Mattheo! Du mieser Arschkrapfen!«

Ein belustigtes Glucksen lässt mich innehalten und mit offenem Mund nach oben sehend – direkt in seine verflucht wunderschönen grünen Augen, mit den kleinen goldenen Sprenkeln, die regelrecht glühen, wenn das Sonnenlicht sie berühren.

Seine unbeschreiblich faszinierende Augenfarbe war das Erste, was mich in den Bann zog, damals, als wir noch Kinder waren. Ich gestehe es nur ungern ein, aber noch immer bin ich von ihr überwältigt, wenn sich unsere Blicke begegnen. Das war es schon. Mehr ist von meiner einstmals ersten großen Liebe nicht übrig geblieben. Schließlich war es Mattheo der andere dazu gebracht hatte, sich über mich lustig zu machen. Und es ist kein schönes Gefühl, gemobbt zu werden.

Der Arsch lacht mich aus!

Ich weiß nicht, ob Mattheo lebensmüde oder dümmer als ich annahm ist. Mir liegt Gewalt fern, verabscheue sie, aber gerade stehe ich kurz davor, einen Mord zu begehen.

Tief einatmen, Gretchen. Beruhige dich. Lass dir von diesem Hohlpfosten nicht dein Zen ruinieren.

Wütend, aber innerlich um einiges ruhiger, starre ich ihn an.

»Ich sagte. Lass. Mich. Los«, knurre ich mit aufeinander gepressten Zähnen und versuche weiterhin meine Handgelenke aus seinem Griff zu befreien.

»Und ich sagte. Beruhige. Dich. Bitte.« Völlig unbeeindruckt begegnet er meinem Blick, noch immer mit einem Grinsen auf den Lippen.

»Ich weiß wirklich nicht, wie viele aktive Gehirnzellen, durch den Alkoholkonsum von den ganzen Partys, verschont wurden, aber so wie ich das sehe, nicht besonders viele. Es gibt nämlich keinen plausiblen Grund, um das hier amüsant zu finden«, versuche ich ihn aus der Reserve zu locken und das belustigte Zucken seiner Mundwinkel auszulöschen.

»Du siehst mich schockiert, Gretchen. Solch böswillige Worte aus deinem unschuldigen Mund?« Mit jedem Wort kommt er mir ein Stückchen näher, bis wir uns an der Stirn fast berühren. So nah kam mir Mattheo noch nie und es lässt mein kleines verräterisches Herz ungewöhnlich schneller schlagen. »Ich wusste gar nicht, dass du überhaupt fluchen kannst. Hast es ja faustdick hinter den Ohren.«

Ohne scheiß, ich bringe ihn um! Gretchen... FAUSTdick... ernsthaft? Er kann es einfach nicht lassen, zu versuchen, mich zu demütigen.

»Ich störe nur ungern eure Zuneigungsbekundung«, höre ich Nonas Stimme, die uns, wie vom Blitz getroffen, auseinander fahren lässt. »Gretchen, lass den armen Jungen am Leben, wir haben einiges zu tun, wenn wir für morgen noch etwas retten wollen. Und du junger Mann, siehst stark genug aus, um tatkräftig anzupacken. Also mach dich nützlich.«

»Aber Nona! Er hat...«
»Jawohl, verstanden!«, beginnen Mattheo und ich gleichzeitig. Wir sehen uns an – er belustigt, ich mordlustig.

🎃🎃🎃

✔ | HerbstLiebeNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ