Ich werde euch nicht enttäuschen

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Ohnezahns POV

Ich folgte Mondschein zu den Wolken hinauf. Als wir im Mondlicht aufeinandertrafen, sah ich sie bewundernd an. Ihre weißen Schuppen strahlten und ihre blauen Augen leuchteten wie Sterne. Sie war  wunderschön. Mein Herz pochte schneller, als ich realisierte, dass Hicks und Astrid recht hatten. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber nun bestand auch für mich kein Zweifel mehr. Ich war verliebt. Bis über beide Ohren.

Ich versank in Mondscheins Himmelaugen. Sie lächelte das Lächeln, das ich so an ihr vermisst hatte und bevor ich wusste, was geschah, küsste ich sie. Als mir bewusst wurde, was ich getan hatte, riss ich erschrocken die Augen auf. Was dachte ich mir denn? Mondschein war meine Kindheitsfreundin! Aber zu meiner Überraschung lächelte sie weiterhin und ließ sich nach hinten fallen. Verdutzt machte ich es ihr gleich. Wir drehten uns umeinander, bis wir schließlich Seite an Seite über das Meer schwebten. Meine beste Freundin berührte mit ihrem Flügel meinen und so flogen wir nebeneinander her. Bis in der Ferne das Rauschen eines Wasserfalls ertönte.

Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Ich wusste sofort, dass wir uns der geheimen Welt näherten. Mein Herz fing an zu rasen, je näher wir meinem Geburtsort kamen. Wie würden meine Eltern wohl auf mich reagieren? Und die anderen Drachen? Würden sie mich überhaupt wiedererkennen?

Mondschein bemerkte meine Nervosität. "Hey, es wird alles gut. Jeder wird sich freuen, dich wiederzusehen." meinte sie beruhigend und ich lächelte sie dankbar an. Schließlich segelten wir über den Eingang der geheimen Drachenwelt. Ich sah eindrucksvoll in die Tiefe. So lange war ich nicht mehr hier gewesen. "Na los, komm schon!" rief Mondschein lachend, packte mich an den Beinen und gemeinsam verschwanden wir in der Tiefe.

Schlagartig umhüllte uns Dunkelheit, aber gleich darauf strahlten uns die leuchtendsten Farben der Kristalle entgegen. Ich sah mich überwältigt um und konnte nicht glauben, dass ich diesen atemberaubenden Ort einmal verlassen hatte. Schließlich flatterten wir in den Hauptbereich der geheimen Welt und mir stockte der Atem. Alles hier sah genauso aus wie früher, riesige Korallen und bunte Farben, so weit das Auge reichte. So oft hatte ich mir gewünscht, hierher zurückzukehren.

Aber eine Sache war anders. Ich blickte mich um, bis es mir auffiel. Das sonst so lebreiche Königreich wirkte wie ausgestorben, nirgends war ein Drache zu sehen.

Auch Mondschein schien irritiert davon. "Wo sind denn alle?" fragte sie verwirrt. Da erblickte ich in der Ferne einen riesigen Kristalltunnel, der von der Decke hing und sich genau über dem Alphafelsen befand. Dort war die Hölle los. Drachen drängten sich um eine Höhle. Ich riss erschrocken die Augen auf. Das war die Höhle meiner Eltern! Was war hier los? Ich flog schnell zu der Höhle. Mondschein war dicht hinter mir. Ich quetschte mich durch die anderen Drachen, die, als sie mich sahen, überrascht aufkeuchten. Ich beachtete sie nicht länger und stürmte in die Höhle. Was ich sah, ließ mein Blut in den Adern gefrieren.

In der Höhle lagen meine Eltern. Sie hatten die Augen geschlossen und bewegten sich nicht. Ihre Körper waren mit Kratzern und Schnitten überzogen. Langsam ging ich auf sie zu und hörte hinter mir Mondschein jemanden fragen, was hier passiert ist. "Es kam alles so plötzlich. Vor zwei Tagen sind fremde Rumpelhörner gekommen und haben die beiden angegriffen. Wir konnten die Eindringlinge gerade noch rechtzeitig von ihnen wegziehen und verjagen. Sie hätten sie sonst umgebracht. Den beiden Alphas geht es immer schlechter. Die Heiler haben alles getan, was sie konnten, aber sie fürchten, dass sie nicht mehr lange überleben werden." antwortete ein Drache. Tränen stiegen mir in die Augen. Es durfte nicht wahr sein. Ich stupste meine Eltern an, erst zaghaft, dann immer verzweifelter. Keine Regung.

In dem Moment zerbrach etwas in meinem Inneren. Ich schluchzte auf und ließ meinem Schmerz nun freien Lauf. Es war zu spät. Meine Eltern waren tot.

Ich weinte und weinte, bis ich eine Bewegung wahrnahm. Ich schoss zu ihnen und sah zitternd zu, wie sie die Augen langsam öffneten und zu mir aufsahen. Ich konnte nichts sagen und stand einfach nur da, als sie mich betrachteten. Mama war die erste, die mich wiedererkannte. "Nachthimmel?" krächzte sie ungläubig und Papa neben ihr riss die Augen auf. Ich nickte nur und beugte mich zu ihnen. Sie schmiegten sich an mich und nun weinten wir alle drei vor Freude über das Wiedersehen. "Wie ist das möglich? Mein Sohn!" fragte mein Vater und sah mich verwirrt an. "Das ist jetzt nicht wichtig. Ich bin zuhause" erwiderte ich überglücklich und erzählte ihnen alles, was ich erlebt hatte.

Nach ein paar Minuten keuchten die beiden schmerzerfüllt auf und sackten zusammen. Ich wich nicht von ihrer Seite und die beiden nickten einander zu, ehe sie sich wieder mir zuwandten. "Es ist Zeit, Nachthimmel" sagten sie schwach, aber ernst. Ich schüttelte den Kopf und wollte nicht hören, was sie sagten. "Unsere Zeit hier ist um, Sohn. Jetzt musst du meinen Platz einnehmen. Als König." meinte Papa. "A...Aber ich weiß gar nicht, wie das geht. Ich bin noch nicht bereit dafür" stotterte ich, doch die beiden schüttelten den Kopf. "Du bist bereit, Nachthimmel. Erinnere dich an alles, was ich dir früher beigebracht habe. Es ist deine Bestimmung. Der Kreis des Lebens muss weitergehen." Ich schluckte einmal schwer, dann atmete ich tief durch und meinte mit Tränen in den Augen. "Ihr habt recht. Es meine Pflicht. Ich werde euch nicht enttäuschen, das verspreche ich euch". "Das wissen wir, Nachthimmel. Du wirst ein großartiger König sein. Gib niemals auf und vergiss nicht: wir lieben dich" husteten sie. Es fiel ihnen immer schwerer, etwas zu sagen. Ich wusste, dass ihre Zeit gekommen war. "Ich liebe euch auch" flüsterte ich und schmiegte mich an sie. Beide schlossen die Augen und rührten sich nicht mehr. Es sah aus, als würden sie schlafen, aber sie würden nie wieder aufwachen.

Ich weinte noch ein wenig, bis ich mich beruhigt hatte und mich aufrichtete. "Ich werde euch nie vergessen" flüsterte ich noch, ehe ich mich endgültig von ihnen abwandte. Die anderen Drachen waren verschwunden. Nur meine beste Freundin stand noch da. Ich ging ihr langsam entgegen. Mondschein empfing mich bereits und umarmte mich. Ich fühlte mich getröstet und sofort ein wenig stärker. In dem Moment wurde mir etwas bewusst: Mondschein gab mir die Kraft, die ich brauchte. Sie war die Königin, die ich an meiner Seite brauchen würde. Ich liebte sie über alles. Langsam löste ich mich von ihr und sah in ihre Himmelaugen. Ich holte meinen ganzen Mut zusammen und sagte "Mondschein, ich habe dich von allen hier am meisten vermisst. Du kennst mich wie kein anderer, du bist mutig, stark und warst immer für mich da. In den letzten Tagen haben wir so viel Zeit miteinander verbracht und da ist mir etwas bewusst geworden. Ich liebe dich, Mondschein. Ich liebe dich mehr als alles andere und will mein restliches Leben mit dir verbringen." Sie sah mich überrascht an und ich fürchtete schon, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Aber dann lächelte sie und ein zärtlicher Ausdruck trat in ihre Augen. "Ich liebe dich auch, Nachthimmel". Mehr brachte sie nicht heraus, aber das war auch gar nicht nötig. Ich streckte den Kopf vor und küsste sie liebevoll. Mein Herz schien zu explodieren, ich fühlte mich leicht und frei.

Ich sah stolz hinaus in die geheime Welt. Ich wusste, dass ich stark sein musste. Für mein Königreich.

Ein lange vermisster FreundWhere stories live. Discover now