Auf dem Weg zur Wohnung redete Susumi ununterbrochen von dem Ferienlager. Sie schien sich wirklich darauf zu freuen. Da kann ich doch schlecht nein sagen. Bei der Wohnung angekommen machte ich mich gleich ans Abendessen, während Susumi Fernseh guckte. Herr Aizawa meinte er müsse noch was für die Schule machen also verzog er sich in sein Zimmer. Ich beobachtete Susumi ein wenig wie sie lächelnd auf den Fernseher schaute. Ich hätte nichts dagegen wenn es noch eine Weile so bleiben würde. Ich ging in unser Zimmer und holte den Zettel vom Kindergarten aus meinem Rucksack und las ihn mir durch. Das Ferienlager sollte schon nächste Woche anfangen. Die Liste der Dinge die sie mitbringen sollten war überschaubar. Eigentlich nur Anziehsachen und eine Taschenlampe. Ich denke ich werde es ihr erlauben. Als ich mich wieder zur Küche begab stand auf einmal Herr Aizawa in der Küche und holte Teller aus dem Schrank. Er sah den Zettel in meiner Hand. „Du wirst es ihr erlauben, stimmts?" „I-ich denke schon. Es wäre gut für sie." Er nickte nur und sah wieder so nachdenklich aus. Was er wohl dachte? Seit vorhin ist er so ruhig und redet kaum. Hab ich was Falsches gesagt? Ich wurde unsicher. Wir deckten zusammen den Tisch und sagten kein Wort. Es war mir unangenehm, so bedrückend. „Susumi, komm es gibt essen." Holte ich sie zu uns und wir setzten uns. Als sie den gedeckten Tisch sah sagte sie „Seit wir hier sind essen wir so viele tolle Sachen. Zu Hause war das nie so." Ich konnte sehen dass sie traurig wurde, aber ich wusste nicht was ich darauf antworten sollte. „Dann genieß es und iss ordentlich damit du groß und stark wirst." Kam es unerwartet von meinem Lehrer. Er lächelte Susumi an und sie strahlte wieder. „Ja, dann kann ich all die bösen Jungs die meine Schwester ärgern verhauen." Bei diesem Satz sah mich Herr Aizawa etwas verwirrt an. Davon hatte ich ihm gar nichts gesagt, aber in unserer Nachbarschaft gab es viele Jugendliche in meinem alter die mich gehänselt haben. Beleidigungen, sie nahmen mir meine Tasche weg und warfen sie in den Teich bei uns in der Nähe. Manchmal haben sie mich auch grob angefasst und geschubst. Das geschah leider auch ab und zu in Anwesenheit meiner Schwester. Ich habe mich dafür geschämt. Ach was, ich schäme mich immer noch für meine Hilflosigkeit. Ich sah unsicher und verlegen auf mein Essen. Ich war etwas perplex und wusste nicht wie ich reagieren sollte. Er ging zu meinem Glück nicht weiter darauf ein. Susumi aß ordentlich während ich gerade so die eine Portion schaffte. Wie kann so ein kleiner Mensch nur so viel essen? Auch Herr Aizawa schien es zu schmecken denn er nahm sich ebenfalls nochmal nach. Das freute mich und ich lächelte etwas vor mich hin. Als wir fertig waren räumte ich alles weg und ließ Wasser in die Wanne. Zurück in der Küche sah ich dass er bereits am Abwaschen war, also nahm ich mir ein Handtuch und fing an abzutrocknen. Susumi setzte sich wieder auf die Couch und sah weiter Fern. „Du hattest recht." Sagte er auf einmal. Ich sah ihn fragend an. „W-was meinen sie?" „Deine Schwester. Sie ist wirklich ein kleiner Engel." Er wurde ernster „Wie war das gemeint als sie sagte dich würden einige Jungs ärgern?" fragte er mich aus heiterem Himmel. Ich hätte damit rechnen sollen, aber das tat ich nicht und so versuchte ich mich rauszureden. „I-ich ehm- naja wir h-hatten ein paar Jungs in der Nachbarschaft die nicht sehr freundlich zu uns waren." Er sah mich direkt an „Nicht sehr freundlich?" „J-ja aber es war nie was ernstes." Log ich. Naja eigentlich war es keine direkte Lüge, ich verschwieg ja nur einige Dinge. Ich wollte nicht darüber reden und er schien das zu merken. Er fragte nicht weiter nach und widmete sich wieder dem Geschirr. „Das essen war im Übrigen wirklich gut. Wo hast du gelernt so zu kochen?" fragte er mich stattdessen. Ich fing an zu lächeln. „Als meine Mutter noch lebte haben wir oft zusammen Essen gemacht. Nachdem sie starb haben mein Vater und ich eine Weile noch gekocht aber als er anfing sich zu verändern blieb das ganz aus. Irgendwann hab ich dann nur noch für meine Schwester und mich gekocht wenn er nicht da war." „Ich nehme mal an dass er nicht oft zu Hause war?" ich schüttelte den Kopf „Nein, meist blieb er bis spät in die Nacht weg und kam erst am nächsten morgen völlig betrunken nach Hause. Dann schrie er rum und weckte Susumi und mich auf. Ich habe versucht ihn zu beruhigen und ihn ins Bett zu bringen." Ich sah traurig auf den Teller in meiner Hand den ich gerade abtrocknete. Auf einmal spürte ich wieder eine warme Hand auf meinem Kopf, wie gestern. Ich wurde rot und starrte nur den Teller an. Mein Herz klopfte wie wild und ich hoffte dass man das nicht hören konnte. „Hiyori, ich hab nachgedacht." Sagte er und nahm mir den Teller aus der Hand. Dann drehte er mich an den Schultern zu sich sodass ich gezwungen war ihm in die Augen zu schauen. „Wir sollten die Tage die Unterschrift von deinem Vater holen. Dann kannst du mit Susumi bei mir bleiben. Ohne in ein Heim zu gehen oder in eine WG. Das heißt, solltet ihr bleiben wollen. Ich weiß ihr seid gerade mal zwei Tage bei mir, aber ich würde das gern für eine Weile probieren. Seit ihr bei mir seid ist es nicht mehr so ruhig und leer hier. Es fühlt sich mehr wie ein zu Hause an. Verstehst du ?" Ich starrte in seine Augen. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Er möchte dass wir länger bleiben?