1. Ein ganz normaler Tag

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                                                                                   Jahr 2098

Eigentlich versprach alles ein ganz normaler Tag zu werden. Training, trockenes Essen, die schwarze Uniform und Nachtschicht vor einer Reihe blendender Bildschirmen. So wie immer.

Es war ein Tag wie jeder anderer, den ich bei den schwarzen Freiheitsklingen verbracht hatte. Wie lange ich schon hier bin weiß ich nicht mehr. Fünf Jahre? Oder doch sechs? Hier unten in den tiefen Schächten von Neuengetz verwischten alle Tage ineinander. Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Monaten und Monate zu Jahre.

Obwohl sein Gesicht immer weiter aus meiner Erinnerung verschwand, erinnerte ich mich an an den Tag, als er mich herbrachte und an den panischen Blick meines Vaters. Seine Augen tanzten hin und her, während er mit festen Griff mich mit sich zog. Mein Vater hatte Angst, wie alle jeder andere auch. Ich verstand nicht was los war und schreckte zurück als er ein Messer zückte. Doch er schnitt nur den Tracker aus meinen Arm heraus.

Gedankenverloren strich ich über die Narbe auf meinem Unterarm. Die kleine Unebenheit war das Einzige was geblieben war von meinem Leben vor den Rebellen. Ich rückte mein Headset zurecht und blickte blinzelnd auf den Computer. Keine Kamera verriet nicht als gähnende Leere in den Gängen. So wie es sein sollte.

Mit meinen Fingern zwickte ich mir in die Hand. Nur noch eine Stunde, zeigten mir die Zeiger der Uhr an der grauen Wand. Die Wände hier unten in den Schächten waren feucht, der muffelige Gestank verfolgte uns hier überall. Meine Kameraden neben mir an den Monitoren kämpften ebenfalls. Immer wieder ging ein Gähnen durch den Raum. Kontrollüberwachung in der Nachtschicht machte niemand gerne.

Mit den Computern zusammen summten die Lampen über uns, die gleißendes Licht verbreiteten. Schon lange hatte ich kein richtiges Sonnenlicht gesehen. Ich vermisste die prickelnde Wärme auf meiner Haut. Das Einzige wonach ich mehr sehnte, war meine Familie. Meine Mutter, mein Vater und mein großer Bruder. Beim Gedanken an Alexander zog sich alles in mir zusammen. Wo er wohl war? Ob er überhaupt noch lebte? Kurz nachdem er 14 geworden war, hatten sie ihn mitgenommen. Die Soldaten, in ihren roten Uniformen.

Jemand stupste mich an. Ich schreckte hoch, schon wieder war ich in meinen Gedanken versunken. Mein Nachbar hatte sich von seinem Platz zu mir rüber gelehnt.

„Jay, hast du schon gehört? Es hat schon wieder eine Einsammelaktion stattgefunden. T.O.P hat mehr als hundert Jungs mitgenommen.", sagte der Junge. Ich schüttelte den Kopf und dachte über die armen Jungs nach. Ihr Leben würde nie mehr das Gleiche sein, denn sie waren nun in den brutalen Händen von T.O.P., der Regierung und Militär diesen Landes.

So wie jeder andere auch, lechzte ich nach jeder Nachricht aus der Außenwelt, aber ich war zu müde um zu quatschen. Ich nahm meinem Zopf, er war nach hinten gerutscht, und legte ihn wieder nach vorne. Eine reine Gewohnheit, doch damit verdeckte es auch meine rosa Narbe am Hals kurz über meinem Ohr. Ich mochte meine langen Haare, auch wenn sie hier nicht gerne gesehen wurden.

Mein Nachbar lehnte sich zurück und ich konzentrierte mich wieder auf meinen Monitor. Alles sah auf den ersten Blick ganz normal aus. Doch beim genauen Hinsehen fiel mir doch etwas auf. Das war ganz sicher nicht vorher dort gewesen. Ich lehnte mich nach vorne, um es genauer zu sehen, kniff meine Augen zusammen und lehnte mich wieder nach hinten.

„Heilige Scheiße", murmelte ich zwischen Erstaunen und Entsetzten.

Hallo, erstmal vielen Dank in meiner Geschichte reinzuschauen. Ich hoffe das erste Kapitel verleitet euch zum weiterlesen...

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