28. Bruce

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Unsanft wurde ich vom Wachmann, der mich gefunden hatte, unzählige Stufen hochgetrieben. Wie ein Schraubstock umschlossen seine Hände meinen Arm. Ich stemmte meine Füßen in den Boden und weigerte mich einen Schritt weiter zu gehen, wissend, dass mich sonst mein Ende erwarten würde.

Der Wachmann seufzte, dann schob er mich mit einem schnellen Handgriff vor sich, packte meine und Hände und drehte sie mir auf den Rücken. Hinter mir bedeutete der Wachmann weiter zu gehen, doch ich blieb weiterhin wie verwurzelt stehen.

„Ich habe kein Bock auf dieses Theater.", murmelte der Wachmann und drückte meine Arme nach oben. Keuchend lehnte ich mich nach vorne um den Druck zu entgehen, hinter mir schob mich der Wachmann weiter und ich konnte nichts machen, als weiter zu stolpern.

Der Weg schien endlos, während der Wachmann mich weiter schob, an der Seite begleiteten uns dunkle Schatten, die sich mit langen Fingern nach uns streckten. Ich konnte sie flüstern hören, oder ich bildete mir das auch ein. Der Wachmann trieb mich weiter voran, doch ich stoppte als wir die letzte Treppe nach oben gegangen war. Wir waren im obersten Geschoss, keine Ahnung was wir hier machten.

„Wohin bringen Sie mich?", stotterte ich.

Nicht begeistert von der Unterbrechung, drückte der Wachmann meine Arme weiter nach oben. Ein schriller Schrei hallte im Gang, und trommelte in meinen Ohren. Erst einen Moment später merkte ich, dass es mein Schrei war, aus meinem Mund. Der Schmerz raste in den Armen und pochte so stark, dass ich einen Moment gar nichts mehr sehen konnte. Um den Schmerz zu lindern lehnte ich mich noch weiter nach vorne, mein Oberkörper bereits in der Waagerechten, doch es half nichts.

Mit einem Schritt befahl der Wachmann weiterzugehen. Weiterhin meinen Oberkörper gesenkt stolperte ich unbeholfen weiter, doch der Wachmann schien gar nicht daran zu denken seinen Griff zu lockern.

Vor meinen Augen glänzten die Fliesen, ich konzentrierte mich darauf, wie sie in meinem Blickfeld oben auftauchten und unter meinen Füßen wieder verschwanden. Plötzlich blieben wir stehen. Als ich meinen Kopf nach rechts drehte konnte ich eine große Doppeltür erkennen. Der Türknopf schimmerte direkt vor meiner Nase.

Mit einer großen Faust hämmerte der Wachmann gegen die Tür. Ich betete, dass niemand antwortete. Mein Kopf begann, sich zu drehen als eine scharfe Stimme „Herein" rief. Es war eine Frauenstimme, sie klang genervt.

Der Wachmann drückte die rechte Flügeltür auf und stieß mich in den Raum hinein. Ich stolperte etwas, doch als ich mein Gleichgewicht gefunden hatte, nahm ich erleichtert meine brennenden Arme nach vorne und rieb meine Schulter.

Der Raum in dem ich mich wiederfand, war hell erleuchtet. An jeder Ecke standen Lampen, die weiches Licht ins Zimmer strahlten. In der Mitte stand ein Schreibtisch, umgeben von mehrere Regalen, alles war in schwarz gehalten. So hatte der Raum, trotz des warmen Lichts, eine düstere Aura ins sich, als würde der Tod hier regelmäßig ein - und ausgehen. Vielleicht tat er das auch wirklich. Nur der Sessel hinter dem Schreibtisch war getränkt in einem tiefen blutrot, die einzige richtige Farbe in diesem Raum.

In dem Sessel saß eine Frau. Ihr bronzefarbenes Haar war hochgesteckt, keine Strähne hing heraus. Sie würdigte uns keines Blickes sondern, blickte konzentriert auf das Papier, ausgebreitet auf dem Tisch, mit einem Stift in der Hand bereit.

Schweißperlen rannen runter das Gesicht während ich eingefroren dastand und gar nichts tat. Kurz blickte sie mit zusammengezogen Augenbrauen nach oben. Ihre Augen blitzte böse.

„Hab ich nicht gesagt, dass ich diese Nacht nicht gestört werden möchte?", sagte die Frau leise, doch deutlich hörbar. Ihr Blick wanderte zurück auf ihr Papier.

„Ja, Führerin..." Führerin? Verwundert starrte ich zur Frau. Stand ich vor der Frau, die alles anführte? Die alle Fäden in der Hand hatte und an allem Schuld war? Im Volk wurde viel von ihr gesprochen, auch bei den schwarzen Freiheitsklingen. Geschichten wurden von ihr erzählt, einige mehr wahr als die anderen, „aber ich habe diesen hier in der Führungsabteilung herumschnüffeln erwischt und dachte...", stammelte der Führer von einem Fuß auf den anderen tretend, doch er verstummte als die Führerin ihre Hand hob. Die Führerin klickte in Gedanken versunken mehrmals auf den Kugelschreiber, dann ließ sie fallen. Elegant wie ein Tiger stand sie auf und schlich auf uns zu. Langsam, ja gemächlich, kam sie auf uns zu, als hätte sie alle Zeit der Welt. Neben schluckte der Wachmann nervös. Ihre hellen Augen, wie die eines Falken waren auf mich geheftet bis sie vor uns stand. Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben. Sie lächelte, mit blitzenden Zähnen, doch es war ein Lächeln,was mir die Nackenhaare zu Berge stehen ließ. Sie lächelte zwar, doch ihre Augen blitzten tückisch. Es kostete mich alle Überwindung stehen zu bleiben und nicht sofort aus dem Zimmer zu stürmen und zu fliehen. Alles in mir schrie, Gefahr.

Sie wandte ihren Blick von mir ab und drehte sich zum Wachmann. Einen Moment lang geschah lang gar nichts, als wäre die Welt eingefroren, bis plötzlich die Führerin ihre Hand hob und dem Wachmann eine schellte.

„Du dachtest also.", sagte die Führerin, „Ich glaube wir haben schon vorher festgestellt, dass dies nicht deine Stärke ist, oder?" Der Wachmann sagte nicht sondern, blickte nur wie ein geprügelte Hund auf den Boden. Dann wandte sich die Führerin zu mir. Ihre Zähne blitzten auf und ließ mich erschaudern.

„Nun, zu dir Junge." Ich schluckte nervös und blickte nach unten. Unter ihrem bohrenden Blick konnte ich es nicht aushalten, „Was hattest du im Forschungstrakt zu suchen?"

Als ich die Frage hörte arbeitete mein Gehirn in Hochtouren um eine Antwort hervorzubringen, doch das einzige was in der Angst unter ihrem scharfen Blick hervorkam, war kläglich.

„Wieso – Wieso heißen Sie Bruce?", stotterte ich, das erste und schlechteste was mir einfiel.

Die Führerin seufzte und verdrehte die Augen, „Ja, mein Name ist Bruce. Zu groß war die Enttäuschung meines Vaters keinen Sohn zu haben.", bitter waren ihre Worte, „Aber das beantwortet nicht meinen Frage."

„Einfach nur gucken...ich war neugierig.", log ich und versuchte vergeblich mit tiefen Atemzügen meine zittrige Atmung zu beruhigen. Dabei kreisten meine Gedanken um eine andere Frage. Wusste sie, das ich ein Spion war?

„Nur neugierig..?"wiederholte die Führerin.

„Ja, mein Vater war Forscher", dies war sogar gar nicht mal gelogen.

„Natürlich", sagte die Führerin und nickte dem Wachmann zu, „Kümmer dich um ihn."

Panik ergriff mich als ich dies hörte und der Wachmann mich von hinten packte. Ich drehte und windete mich, ich schlug, doch ich traf nur Luft. Der Wachmann zerrte mich zur Tür, die Führerin wandte sich ab.

„Alle haben Recht, wenn sie sagen, dass Sie nichts mehr als eine herzlose Frau sind.", schrie ich in Verzweiflung heraus. Es wirkte. Die Führerin drehte sich wieder zu mir. Sie hob ihre Hand und der Wachmann ließ mich los.

„Nein, ich bin nicht schlechter als jeder andere Mensch. Mein Vater, der Narr, der glaubte tatsächlich, dass Menschen perfekt seien, oder es zumindest sein könnten. Dabei sind wir doch alle Mörder, nicht wahr?", sagte die Führerin eisig und zwinkerte am Ende.

Wusste sie? Sofort sah ich wieder die drei leblosen Körper in den Ketten hängen. Ich schüttelte hastig meinen Kopf. Das Bild vor meine Augen verschwand, „Nein, nicht alle sind so wie sie. Sie sollten ihren Vater umgebracht haben. Ich könnte dies nie tun."

„Bist du sicher? Du bist ein schlauer Bursche.", sagte die Führerin und legte die Hand auf meine Schulter, „Ich habe eine Vorschlag für dich. Jemanden wie dich könnte ich gut gebrachen. Arbeite für mich."

„Und was, wen nicht?", zischte ich.

„Dann gehst du jetzt mit ihm mit," sie nickte zum Wachmann, „und siehst was mit dir passiert. Oder du entscheidest dich für mich und beweist deine Loyalität und Nutzen für T.O.P . Ich versichere dir, in weniger als einer Woche sieht deine Welt von Gut und Böse ganz anders aus.", ihre Zähne blitzten, „Ich wette du bist kein bisschen besser als ich selber."

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