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Zweifelnd schaute ich ihn an. Woher wusste ich, dass er nicht log? Ich musste trotz allem der Wahrheit ins Auge sehen: Zayn war ein kaltblütiger Killer, obgleich seine Taten von Rache herrührten und er nicht aus Vergnügen mordete. Ich hatte die Akten all seiner Opfer gesehen - die gebrochenen Knochen, die Blutlachen und all die Grausamkeiten, welche mir grässliche Albträume beschert hatten. Wie nur konnte ich mit einer solchen Person kooperieren? Selbstverständlich wollte ich mein Leben lang meine Eltern rächen, so hatte ich es mir damals geschworen. Doch was er tat, war keine gewöhnliche Rache. Es war Auge um Auge und Zahn um Zahn. Dies könnte ich niemals tun - niemals würde ich zu einem derartigen Monster werden, nur um meine feurigen Rachegelüste zu stillen.

Einst war ich ein Polizist und nun sollte ich mich an einem Mord mitschuldig machen? Das war schlichtweg unmöglich. Ich konnte das nicht tun, das entsprach nicht meinem Charakter. Das war nicht ich. Erst als ich den Blick hob, merkte ich seinen brennenden Blick auf mir, welcher scheinbar bis in meine Seele vorzudringen schien. Seine funkelnden grünen Augen. Doch als ich daran dachte, was er alles durchgemacht haben musste, empfand ich trotz allem Mitleid für ihn. Selbst wenn ich mich dafür hasste, musste ich mir trotz allem eingestehen, dass ich sein Handeln in irgendeiner Weise nachvollziehen konnte. „Zayn..", hauchte ich mit heiserer Stimme, wobei ich überhaupt nicht bemerkte, dass ich ihn bereits seit geraumer Zeit plötzlich duzte. Nun sah ich ihm direkt in seine strahlenden Augen. Sein gewohnt amüsiertes Grinsen war aus seinem Gesicht gewichen, stattdessen blickte ich in ein ernstes Gesicht.

„Ich..", weshalb fiel es mir so schwer, sein Angebot abzulehnen? Ich hatte doch die Akten all seiner Opfer gesehen. Dieser Mann war eine Bestie! Verzweifelt seufzte ich und konnte meine plötzlichen gemischten Gefühle nicht verstehen. „I-Ich kann das nicht. Ich kann mich doch nicht an einem Mord mitschuldig machen! Ich glaube, das könnte ich mir nicht verzeihen. Selbst, falls es der Mörder meiner Eltern ist. Ich..", doch er unterbrach mich bereits im nächsten Moment - doch dabei war seine Stimme ungewohnt ruhig und sanft. So wie er plötzlich mit mir sprach, hätte ich beinahe vergessen, dass ich einem Killer gegenüberstand. Doch die nächsten Worte, welche er mir zuflüsterte, würde ich mein Leben lang niemals wieder vergessen.

„Manchmal braucht es ein Monster, um ein Monster zu besiegen.", hauchte er plötzlich, wobei er mich mit einem derart intensiven Blick betrachtete, dass sich eine Gänsehaut auf meinen Armen bildete. Ich schluckte. Woher kamen diese plötzlichen Zweifel?
„Z-Zayn..", meine Stimme war kam mehr als ein verzweifeltes Hauchen und sie zitterte ungemein. „Ich.. Ich kann das nicht..", ich spürte, wie meine Augen glasig und meine Knie weich wurden. Kalter Wind fuhr durch meine dunkelbraunen Haare und ließ mich frösteln. Doch er nickte bloß. „Ich habe ein Haus. Es liegt in einer ungestörten Gegend am Rand von Oregon und läuft auf einen anderen Namen. Du kannst mich der Polizei ausliefern, das ist deine Entscheidung. Aber wenn du deine Meinung änderst..", er hielt inne und plötzlich fühlte ich, wie seine kalten Finger meine rechte Hand berührten und mir scheinbar einen Zettel Papier in die Hand gaben. Meine Haut kribbelte, dort, wo er mich berührte. Doch ich ließ es geschehen.

„..weißt du, wo du mich findest.", beendete er seinen vorherigen Satz, drehte sich um und setzte zum Gehen an. Ich konnte ihm nur hinterher starren, als er sich jedoch plötzlich noch einmal zu mir umdrehte. Es schien, als würde er nach den richtigen Worten suchen, ehe er leise seufzte. „Ich habe mir dieses Leben nicht ausgesucht, glaub mir.", sagte er bloß und zum ersten Mal klang seine Stimme tatsächlich ansatzweise emotional, als er sich nun wortlos umdrehte und in der Dunkelheit verschwand. Noch einige Zeit später stand ich reglos in dem einsamen Park, lauschte dem Rascheln der Bäume und versank in meinen Gedanken. Später, als ich die Kontrolle über meinen Körper wiederfand, setzte ich zum Gehen an. Meine Beine fühlten sich wackelig an, meine Sicht war verschleiert und es war, als würde ich träumen. Noch immer hielt ich das Papier in meiner Hand, was mir Zayn gegeben hatte. Ich hielt es aus irgendeinem Grund so fest umklammert, als würde es mich vor dem Ertrinken retten.

All das war so surreal, als befände ich mich nicht in der Realität, als würde ich träumen. Möglicherweise war dies einfach nur ein grässlicher Albtraum und in Wirklichkeit waren meine Eltern am Leben. Was würde ich nur dafür tun, sie noch ein einziges Mal zu sehen? Was würde ich nur dafür tun, noch ein einziges Weihnachtsfest mit ihnen zu verbringen? Ein einziges Mal von ihnen fröhlich erwartet zu werden, nachdem ich von der Schule kam? Ich sah noch ihre lächelnden Gesichter vor mir, wie sich mich in ihre Arme schlossen. Weshalb hatten es meine Eltern verdient, auf eine solche Weise aus dem Leben gerissen zu werden? Wenn ich es nur könnte, würde ich unsere Rollen vertauschen. Ich würde sofort an ihrer Stelle sterben, doch dies war leider nicht möglich. Ungewollt erinnerte ich mich an Zayn's Worte, welche er letztlich noch an mich gerichtet hatte. Ich habe mir dieses Leben nicht ausgesucht. Nein, dies hatte ich auch nicht.

Ich konnte sein Leiden nachvollziehen, denn ich hatte dasselbe gespürt. Die Leere, die Trauer und die Wut. Das Gefühl, mutterseelenallein auf dieser Welt zu sein. Der unkontrollierbare Wunsch nach brennender Vergeltung - egal um welchen Preis. Doch während ich versucht hatte, mein Leben weiterzuführen und den Schmerz zu vergessen, hatte Zayn seine Vergeltung wahr gemacht. Blutig und undenkbar brutal. Doch auf irgendeine Weise konnte ich es verstehen. Nicht jeder konnte nach einem derartigen Vorfall ins Leben zurückfinden.

Ich seufzte, als ich an meiner Wohnungstür ankam und hastig den Schlüssel im Schloss umdrehte, um dann meine Wohnung zu betreten. Sofort knipste ich das Licht an und warf einen neugierigen Blick auf das dünne Stück Papier in meiner Hand. In ausgedruckter Schrift stand eine Adresse dort geschrieben - scheinbar von dem Haus, welches er erwähnte. Seufzend legte ich das Papier auf meinem Esstisch ab und setzte mich auf die Armlehne meines Sofas. Weshalb zweifelte ich so sehr an meiner Entscheidung, obgleich ich doch zweifellos das Richtige tat? Ich müsste ihn der Polizei ausliefern - immerhin war er ein Serienmörder.

Doch.. ich konnte nicht.

Ich konnte einfach nicht.










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Halloo xD

Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen. Das nächste wird extra lang und ihr werdet eine Menge über Sebastian's Vergangenheit erfahren. ;)

Eine abschließende Frage an euch: Was würdet ihr in Sebastian's Situation tun? Schreibt es mir gern in die Kommentare, das würde mich mal wirklich interessieren. Und was denkt ihr über Zayn? ;)

Let's take Revenge togetherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt